Mittwoch, 2. November 2022

ESG-Regulatorik: Banken stehen vor neuen Herausforderungen

Finale Entwürfe zur CRR III, CRD VI, neuem SREP und 7. MaRisk-Novelle integrieren ESG-Themen weiter in die Aufsichtspraxis und machen diese zum Fit & Proper-Erfordernis

Timo Schnaubelt, Mitarbeiter Unternehmenssteuerung, Abteilung Betriebswirtschaft, Kalkulation und Vertriebscontrolling, Sparkasse Schwaben-Bodensee

I. Einleitung

Die Themen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) sind als Ziele des gesetzgeberischen Handelns nicht neu, treten allerdings vor dem Hintergrund des Klimawandels und nicht zuletzt mit ihren sozialpolitischen Aspekten durch die COVID-19-Krise in den Vordergrund[1]. Infolgedessen beschäftigte sich in den letzten Jahren eine Vielzahl regulatorischer Werke mit dieser Thematik. Wichtige Meilensteine stellen u. a. der EBA report on management and supervision of ESG risks for credit institutions and investment firms (EBA/REP/2021/18), der EZB-Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken und das BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken dar. 

Dieses Bewusstsein für Nachhaltigkeit fand seinen Weg auch in die Betrachtung der Kapitaladäquanz im Rahmen der CRR II und CRD V. In diesem Zug hielten erste Regulierungen, u. a. zur Offenlegung und Eigenkapitalunterlegung, ihren Einzug auf die regulatorische Bühne. Im Rahmen der Entwürfe zu CRR III und CRD VI wird der Fokus auf ESG-Risiken nun noch einmal wesentlich erhöht, indem u. a. wichtige definitorische Grundlagen gesetzt werden.

Nicht zuletzt haben diese Neuerungen auch Einfluss auf die Fit & Proper-Prüfung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen. Diese wurde zuletzt durch die reformierten EBA-Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen (EBA/GL/2021/06) ebenfalls durch Ansprüche an die fachliche Eignung, auch in Bezug auf Nachhaltigkeitsgesichtspunkte, ergänzt. Hieraus, und aus dem Zusammenspiel der EBA/GL/2021/06 mit den Entwürfen der CRD VI, ergeben sich weitere Fragestellungen und Implikationen, die für Kreditinstitute in den nächsten Jahren von Bedeutung sein werden. So stellt die MaRisk-Novelle 2022 klar, dass die ESG-Anforderungen aus den EBA/GL/2020/06 zu erfüllen sind und der neue SREP (EBA/GL/2022/03) prüft die Umsetzung der Fit & Proper-Anforderungen in der Governance ab 2023.

Ziel dieses Beitrags ist es, einen Überblick über die regulatorischen ESG-Neuerungen in CRR und CRD zu geben, ausgewählte Fit & Proper-Neuerungen im Rahmen der EBA/GL/2021/06 hervorzuheben, dabei auch auf den Stand der Umsetzung und regulatorischen Anwendung in der Praxis einzugehen, die neuen Anforderungen an die Fit & Proper-Prüfung im Rahmen der Entwürfe zur CRD VI aufzuzeigen und abschließend Implikationen und Herausforderungen, die sich hieraus ergeben, zu beleuchten.

II. ESG-Neuerungen in CRR und CRD

In ihrer Begründung zum Entwurf der CRD VI erläutert die Europäische Kommission, dass grüne und nachhaltige Finanzierungen im Mittelpunkt des Wandels zu einer nachhaltigeren Wirtschaft stehen. Um dieses Ziel erreichen zu können, nehmen Banken eine entscheidende Rolle ein, da die in diesem Kontext verwendeten öffentlichen Finanzmittel allein nicht ausreichen, um den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft stemmen zu können. Banken sollen daher durch verschiedene Maßnahmen Anreize und Unterstützung erhalten, die Kreditvergabe in nachhaltige Projekte zu steigern sowie die resultierenden ESG-Risiken systematisch und kohärent zu steuern[2].

Erste Ansätze, ESG-Themen in die Kapitaladäquanzbetrachtung zu integrieren, gab es bereits im Rahmen der CRR II und CRD V. Die Vorschläge zur CRR III (COM(2021) 664 final) und CRD VI (COM(2021) 663 final) liefern weitere Regelungen, durch die das aufsichtsrechtliche Spektrum hinsichtlich der ESG-Ausrichtung ergänzt werden soll, was die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Fit & Proper-Umsetzung erhöht. Zu den Neuerungen im Rahmen der beiden Novellierungen zählen:

  • Die Verpflichtung von SIs zur Offenlegung von ESG-Risiken nach Art. 449a CRR anhand der EBA/ITS/2022/01, beginnend mit dem Stichtag 31.12.2022. Die Offenlegung hat im ersten Jahr jährlich, dann halbjährlich zu erfolgen.
  • Im Rahmen des Art. 1 Nr. 189 COM(2021) 664 final ist eine Ausweitung des Art. 449a CRR vorgesehen, der fortan auch LSIs in die Offenlegung einschließen soll. Diese sollen allerdings mit Blick auf den Proportionalitätsgedanken nur einer jährlichen, im Umfang reduzierten Offenlegung unterliegen.
  • Der im Rahmen der CRR II eingeführte Art. 501a CRR bietet die Möglichkeit, Infrastrukturprojekte mit einem Faktor von 0,75 in der Eigenkapitalunterlegung privilegieren zu können. Unter den Kriterien des Art. 501a Abs. 1 CRR finden sich in Buchstabe o Kriterien, wonach der finanzierte Vermögenswert einen Beitrag zu sechs Umweltschutzzielen leisten muss.
  • Mit Art. 501c CRR erhielt die EBA den Auftrag, zu prüfen, ob eine ähnliche Privilegierung auch im Zusammenhang mit ökologischen und/oder sozialen Zielen möglich sei. Wurde die Frist ursprünglich auf den 28.06.2025 festgelegt, so ist im Rahmen des Art. 1 Nr. 202 COM(2021) 664 final eine Vorverlegung auf den 28.06.2023 geplant.
  • Neben der Offenlegung von ESG-Risiken ist im Rahmen des Art. 1 Nr. 176 COM(2021) 664 final eine Ergänzung des Art. 430 Abs. 1 CRR um den Buchstaben h vorgesehen, der die Exposition gegenüber ESG-Risiken zu den zu meldenden Sachverhalten im Rahmen des Meldewesens ergänzt.
  • Art. 1 Nr. 1 Buchstabe I COM(2021) 664 final soll den Art. 4 Abs. 1 Nr. 52d CRR ergänzen, in dem die Begriffsbestimmungen für ESG-Risiken eingeführt werden.
  • Durch Art. 98 Abs. 8 CRD wurde die EBA beauftragt, die Integration von ESG-Risiken in den SREP zu überprüfen. Hieraus ging der EBA report on management and supervision of ESG risks for credit institutions and investment firms (EBA/REP/2021/18) hervor. Dieser konzentriert sich in seiner Betrachtung auf die möglichen finanziellen Auswirkungen von ESG-Risiken und die Widerstandsfähigkeit von Instituten gegenüber solchen, die von Instituten und Aufsichtsbehörden bewertet und sichergestellt werden müssen.

Die durch den EBA/REP/2021/18 gewonnenen Erkenntnisse fließen wiederum in die Entwürfe der CRD VI ein, wobei der Fokus hier vor allem auf der Strategie, dem Risikomanagement und der Beaufsichtigung der Institute liegt:

  • Art. 73 Unterabsatz 1 CRD und Art. 74 Abs. 1 CRD sollen dahingehend ergänzt werden, dass die kurz-, mittel- und langfristigen Zeiträume, in denen sich ESG-Risiken auswirken, durch die Institute bei der Planung ihrer Strategien und Verfahren zum internen Kapitalbedarf und der Regelungen für die Unternehmensführung berücksichtigt werden, insbesondere im Hinblick auf die Verfahren zur Ermittlung, Steuerung, Überwachung und Meldung von Risiken.
  • Art. 76 Abs. 1 CRD zur Behandlung von Risiken wird dahingehend neu gefasst, dass er Risiken einschließen soll, die auf kurz-, mittel- und langfristige Auswirkungen von ESG-Faktoren zurückzuführen sind. Zudem ist die Prüfung von Grundsätzen für die Übernahme, Steuerung, Überwachung und Minderung von Risiken nunmehr mindestens alle zwei Jahre vorzunehmen.
  • Zudem soll in Art. 76 Abs. 2 CRD ein Unterabsatz eingefügt werden, der das Leitungsorgan dazu verpflichtet, spezifische Pläne und quantifizierbare Ziele zur Überwachung und Bewältigung von kurz-, mittel- und langfristigen Risiken zu erstellen, die sich aus mangelnder Übereinstimmung von Geschäftsmodell und -strategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft ergeben.
  • Für Art. 76 Abs. 5 CRD ist eine umfassende Neufassung vorgesehen, bei der die Unterabsätze 3 bis 5 dahingehend angepasst werden, dass sie sich nun auf die interne Kontrollfunktion beziehungsweise deren Leitung beziehen und nicht mehr wie bisher auf die Risikomanagementfunktion beziehungsweise deren Leiter.
  • Ein neuer Art. 87a CRD soll eingefügt werden, der Anforderungen an das Management von ESG-Risiken stellt, dass nun, unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit, in einem kurz-, mittel- und langfristigen Zeitraum erfolgen muss und zu dem die EBA mit der Erstellung von Leitlinien beauftragt wurde.
  • Art. 98 CRD soll einen neuen Abs. 9 erhalten, der die Bewertung der Governance- und Risikomanagementprozesse sowie der Exposition der Institute hinsichtlich der ESG-Risiken in die aufsichtliche Überprüfung einschließt.
  • Diesbezüglich sollen EBA, EIOPA und ESMA durch Art. 100 Abs. 4 CRD beauftragt werden, Leitlinien auszuarbeiten.
  • Zudem soll der neue Art. 98 Abs. 9 CRD durch Änderung des Art. 104 Abs. 1 CRD in die Aufsichtsbefugnis der Aufsichtsbehörden eingeschlossen werden. 

III. Fit & Proper-Prüfung nach EBA/GL/2021/06 [...]
Beitragsnummer: 21885

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