Donnerstag, 27. Oktober 2022

Rückforderung geleisteter Vorfälligkeitsentschädigung/-entgelt

OLG Frankfurt/M. zum (teilweise) konkludenten Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung

Carsten Sieper, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner, Frankfurt

 

Seit geraumer Zeit sehen sich Kreditinstitute verstärkt Rückforderungsansprüchen zu geleisteter Vorfälligkeitsentschädigung bzw. zu einem geleisteten Vorfälligkeitsentgelt ausgesetzt.

Die Forderungen werden teilweise mit angeblich unzureichenden Angaben gem. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB begründet, wobei dies erst für Verträge ab 21.03.2016 Relevanz hat. Auch werden die Forderungen des Öfteren mit einem Widerruf der Willenserklärung des Darlehensnehmers auf Abschluss des Darlehensvertrags begründet. 

Nicht selten wird im Rahmen der vorzeitigen Rückführung des Darlehens zwischen dem Darlehensgeber und dem Darlehensnehmer eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen, welche die Rückführungskonditionen regeln soll. Eine solche wirksam abgeschlossene Aufhebungsvereinbarung kann für sich bereits als Rechtsgrund für das erlangte Vorfälligkeitsentgelt dienen und auch bspw. einem früher erklärten Widerruf des Darlehensnehmers selbst bei unterstellter Wirksamkeit vorgehen. Relevanz hat eine solche Vereinbarung umso mehr bei Altfällen der Rechtslage bis 20.03.2016, wenn eine Kündigung gem. § 490 Abs. Satz 2 BGB seitens des Darlehensnehmers, die dem Darlehensgeber einen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung gem. § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB gewährt, nicht vorliegt. Dann bedarf es eines Rechtsgrunds für die erlangte Vorfälligkeitsentschädigung bzw. das erlangte Vorfälligkeitsentgelt.

Die forensische Erfahrung zeigt indessen, dass es oftmals an einer schriftlich festgehaltenen Aufhebungsvereinbarung fehlt, die von beiden Seiten ausdrücklich akzeptiert worden ist. So ist oftmals ein schriftliches Angebot des Darlehensgebers auf Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung nebst darin enthaltenen Konditionen derselbigen existent, aber keine ausdrückliche Annahmeerklärung des Darlehensnehmers hierzu. Dennoch erfolgt oftmals auf ein solches Angebot des Darlehensgebers hin die Zahlung seitens des Darlehensnehmers just in der im Angebot geforderten Höhe.  

Der soeben beschriebene Ablauf kann zum Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung durch konkludentes Tun des Darlehensnehmers führen. 

Das OLG Frankfurt/M. hat sich nun in einem unveröffentlichten Hinweisbeschluss vom 17.10.2022 – 3 U 127/22 – in diese Richtung gehend positioniert. Dem Sachverhalt lag ein Immobiliardarlehen gem. § 503 BGB a.F. aus dem Jahre 2014 zugrunde, zu dem die Darlehensnehmer im Jahr 2020 noch während der Valutierung den Widerruf ihrer Vertragserklärung erklärten, was der Darlehensgeber zurückwies. Im weiteren Verlauf veräußerten die Darlehensnehmer indessen die als Sicherheit dienende Immobilie und wandten sich hierzu einige Monate nach der Widerrufserklärung an den Darlehensgeber. Dieser lies daraufhin den Darlehensnehmern ein seinerseits unterzeichnetes befristetes Angebot auf Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung zukommen, das neben der Rückführung der offenen Valuta auch ein Vorfälligkeitsentgelt vorsah. Die Darlehensnehmer respektive der für sie im Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie tätige Notar zahlte binnen der Bindungsfrist des Angebots ohne weiteren Vorbehalt just den im Angebot geforderten Betrag. Später, noch binnen der Angebotsfrist, ließen die Darlehensnehmer jedoch das Angebot nur mit Abänderungen, u. a. einem Vorbehalt zum Vorfälligkeitsentgelt, unterzeichnet zukommen. Sodann forderten sie das geleistete Vorfälligkeitsentgelt zurück.

Im Verlauf des Rechtsstreits vertraten die Darlehensnehmer die Ansicht, dass eine wirksame Aufhebungsvereinbarung aufgrund der „Annahme“ mit Abänderungen nicht wirksam zustande gekommen sei. Die vorbehaltlose Zahlung ihres Notars sei hingegen ein schlichter „Realakt“ und könne nicht bereits zur Annahme der Aufhebungsvereinbarung geführt haben.

Anders sah dies jedoch neben der Vorinstanz (LG Frankfurt/M., Urteil vom 12.04.2022 – 2-07 O 97/21) nun auch das OLG Frankfurt/M. in seinem Hinweisbeschluss vom 17.10.2022. Es führte aus, dass die (vorbehaltlose) Annahmeerklärung bereits darin liege, dass die Darlehensnehmer ihren Notar dazu – und sei es auch nur im Kaufvertrag mit dem Erwerber der als Sicherheit dienenden Immobilie – veranlasst hätten, den vom Darlehensgeber geforderten Ablösebetrag, der das Vorfälligkeitsentgelt enthielt, innerhalb der Annahmefrist an den Darlehensgeber auszuzahlen und der Notar dem nachgekommen sei. Das durfte der Darlehensgeber mangels anderslautender Erklärung im näheren zeitlichen Zusammenhang als vorbehaltlose Annahmeerklärung verstehen, so das Oberlandesgericht Frankfurt/M. Dabei sei auch unschädlich, dass die Zahlung als solche ein Realakt sei, denn auch ein solcher könne eine entsprechende rechtliche Wirkung, wie hier die Annahmeerklärung, entfalten. Der Notar der Darlehensnehmer sei insoweit deren Erfüllungsgehilfe zwecks Erklärung der Annahme gewesen, was, wie bereits erwähnt, keiner expliziten Anweisung des Notars mehr bedurft habe. In diese Richtung votiert auch überwiegend die sonst ersichtliche, jedoch rar gesäte und meist nicht veröffentlichte Rechtsprechung zu vergleichbaren Sachverhalten. 

 

PRAXISTIPP

Das Oberlandesgericht Frankfurt/M. bestätigt die hiesig vertretene Auffassung, dass bereits durch die vorbehaltlose Zahlung der geforderten Ablösesumme durch die Darlehensnehmer vermittels deren Notars eine Aufhebungsvereinbarung wirksam zustande kommen kann. Zwar ist für sich gesehen die Möglichkeit zur konkludenten Abgabe einer Willenserklärung nichts Neues, auch hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass ein Angebot konkludent durch Zahlung angenommen werden kann (Urteil vom 01.12.2010 – VIII ZR 8/09). Dennoch ist obergerichtliche Rechtsprechung zur vorliegenden, immer wieder auftretenden Konstellation im Bereich der Kreditwirtschaft äußerst selten, so dass die hiesigen Äußerungen des 3. Zivilsenats des OLG Frankfurt/M. die Position des Darlehensgebers in einem vergleichbaren Streitfall um Abschluss einer wirksamen Aufhebungsvereinbarung unter Umständen deutlich verbessern kann. 


Beitragsnummer: 21873

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