Donnerstag, 27. Oktober 2022

Haftungsrisiken beim Vertrieb und Bewerbung von nachhaltigen Anlagen

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

In einem Fall, in welchem ein Anbieter ein nachhaltiges Investment i. S. d. Offenlegungs-VO sowie der Taxonomie-VO aufgelegt, vertrieben und im Internet beworben hatte, hat das Landgericht Stuttgart diesem Anbieter auf Veranlassung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sowohl die Werbung mit einem festen CO2-Ausgleich im Rahmen des CO2-Rechners als auch die Werbung mit divergierenden Angaben zum CO2-Ausgleich als irreführende Werbung i. S. v. §§ 3, 5, 5 a UWG untersagt (vgl. hierzu LG Stuttgart, Urteil vom 10.01.2022, 36 O 92/21 KfH, BKR 2022, 462 m. Anm. Strauch/Kothe sowie Klein, GRUR-Prax 2022, 396; ähnlich in einem ebenfalls von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg eingeleiteten Verfahren gegen die Deka zum „Impact-Rechner“, vgl. dazu Hanke, ZIP 2022, 62, 72). Dabei hat das Landgericht Stuttgart bei der Bewertung der Zulässigkeit der Werbung für Anlageprodukte mit Umweltbegriffen und Nachhaltigkeitserwägungen unter Bezugnahme auf „Greenwashing-Entscheidungen" betreffend Produkte aus anderen Bereichen strenge Maßstäbe angesetzt und folgendes Entscheidendes hierzu ausgeführt:

Nach der Rechtsprechung des BGH (umweltfreundliches Reinigungsmittel) sind an die Zulässigkeit der Werbung mit Umweltschutzbegriffen besondere Anforderungen zu stellen. Die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen ist danach ähnlich wie die Gesundheitswerbung grundsätzlich nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Wegen der weiterhin bestehenden Unklarheiten insbesondere über Bedeutung und Inhalt von Begriffen wie etwa „umweltfreundlich", „umweltverträglich", „umweltschonend" oder „Bio" sowie der hierauf hindeutenden Zeichen, ist eine Irreführungsgefahr im Bereich der umweltbezogenen Werbung besonders groß, zumal beworbene Produkte überdies regelmäßig nicht insgesamt und nicht in jeder Beziehung, sondern meist nur in Teilbereichen mehr oder weniger umweltschonender sind als andere. Unter diesen Umständen besteht ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen. An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise sind daher grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, die sich im Einzelfall nach der Art des Produktes und dem Grad und Ausmaß seiner „Umweltfreundlichkeit" bestimmen. Fehlen die danach gebotenen aufklärenden Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht in besonders hohem Maße die Gefahr, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Ware hervorgerufen werden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden (Rn. 22). 

Ähnlich wie das Landgericht Stuttgart entschied das OLG Schleswig in seinem erst kürzlich ergangenen Urteil vom 30.06.2022 (vgl. hierzu OLG Schleswig, Urteil vom 30.06.2022, 6 U 46/21, KlimR 2022, 2577 m. Anm. Kunkel, GRUR-Prax 2022, 489, in welchem es um die Bewerbung eines „Müllbeutels“ als klimaneutral ging; zur Werbung „Klimaneutral“ vgl. Lamy/Ludwig, KlimR 2022, 142). Auch das OLG Schleswig führt nämlich bei der Bewertung der Zulässigkeit der Bewerbung eines Produkts mit „Klimaneutral“ aus:

Für die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen gilt ähnlich wie für die Gesundheitswerbung ein strenger Maßstab. Die beworbene Umweltverträglichkeit einer Ware hat mittlerweile großen Einfluss auf das Kaufverhalten. Zugleich sind die hierbei verwendeten Begriffe unklar. Deshalb besteht ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis des angesprochenen Verbraucherkreises über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe. An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, die sich im Einzelfall nach der Art des Produktes und dem Grad und Ausmaß seiner angeblichen Umweltfreundlichkeit bestimmen. Fehlen die gebotenen aufklärenden Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht im besonders hohen Maß die Gefahr einer kaufentscheidenden Täuschung der Verbraucher.

 

PRAXISTIPP

Bedenkt man, dass eine kürzlich durchgeführte EU-weite Untersuchung ergeben hat, dass viele Werbeangaben über die Nachhaltigkeit von Produkten oder Dienstleistungen gegen Verbrauchervorschriften verstoßen oder irreführend oder nicht nachprüfbar sind (becklink 2018819), dann wird deutlich, welche Tragweite vorstehend zitierten beiden Entscheidung des Landgerichts Stuttgart sowie des OLG Schleswig zur Werbung mit nachhaltigen, umweltfreundlichen und grünen Investments zukommt. Dies insbesondere auch deswegen, weil bei der vom Landgericht Stuttgart betroffenen Werbung ein Greenwashing i. S. d. Taxonomie-VO nicht angenommen wurde, wohingegen ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß als gegeben angesehen wurde.

Vorstehende Entscheidungen machen zudem deutlich, dass es beim Vertrieb nachhaltiger Produkte nicht ausreicht, ein nachhaltiges Produkt taxonomie- und verordnungskonform zu vertreiben. Vielmehr drohen auch aus anderen Normenkomplexen wie dem UWG nicht unerhebliche weitere Haftungsrisiken. Insofern müssen solche nachhaltigen Investments i. S. d. Offenlegungs-VO sowie der Taxonomie-VO vertreibenden Institute die Bewerbung ihrer Produkte nicht nur verordnungskonform, sondern auch wettbewerbskonform vornehmen.


Beitragsnummer: 21872

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