Dienstag, 27. September 2022

Die Unternehmensbewertung im StaRUG

Konkretisierung des gerichtlichen Prüfungsmaßstabes durch § 63 Abs. 2 StaRUG n.F.


Inga Homoth LL.M. oec. und Dr. Rouven Quick, Rechtsanwälte, BBL Brockdorff Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Bremen/Hamburg 

 

In der noch jungen Geschichte des am 01.01.2021 in Kraft getretenen Stabilisierungs- und Restrukturierungsgesetzes (StaRUG) gibt es kein Thema, welches so kontrovers diskutiert wird wie die Frage der zutreffenden Unternehmensbewertung im Rahmen des „nächstbesten Szenarios“ nach § 6 Abs. 2 StaRUG. Durchaus überraschend hat der Deutsche Bundestag in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause am 07.07.2022 verschiedene Änderungen des StaRUG beschlossen – und hier insbesondere mit einem neuen § 63 Abs. 2 StaRUG die Vergleichsrechnungsbasis erheblich eingeschränkt. 

Ausgehend von der Maxime, dass ein Gläubiger durch den Restrukturierungsplan nicht schlechter gestellt werden darf (§ 26 StaRUG), stellt sich für das Gericht, aber auch für die Planbetroffenen im Zuge der Prüfung eines Restrukturierungsvorhabens stets die Frage, mit welchem Szenario ein Vergleich anzustellen ist. Gemäß § 6 Abs. 2 S. 3 StaRUG darf ein Liquidationsszenario grundsätzlich nur herangezogen werden, wenn ein Verkauf des Unternehmens oder eine anderweitige Fortführung aussichtslos ist. Einzelheiten zur Ermittlung des „nächstbesten Alternativszenarios“, wie z. B. einheitliche Mindestvoraussetzungen für Bewertungsmethoden, hat der Gesetzgeber ebenso wenig normiert wie auch die Frage des Prüfungsmaßstabes des Gerichts. Dies hat in der Theorie zu lebhaften Diskussionen und der Forderung nach gesetzlicher Regelung geführt, während sich die Restrukturierungsgerichte in der Praxis bislang an dem für § 245 InsO im Insolvenzplanverfahren anerkannten Grundsatz orientiert haben, dass dem Gericht nur eine Überprüfung im Sinne einer Schlüssigkeitsprüfung obliege (siehe zum Streitstand vor Einführung des § 63 Abs. 2 n.F. Quick in: Schneider/Linkert/von Buchwaldt (Hrsg.), Handbuch zum neuen Sanierungsrecht, RdNr. 450 m. w. N., 1. Aufl., Finanz Colloquium Heidelberg, 2021).

Dieser eingeschränkte Prüfungsmaßstab führt zu dem unbefriedigenden Ergebnis für Planbeteiligte, die von einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung (sog. cross-class cram-down) zu ihren Lasten betroffen sind, dass für die Frage der „Nicht-Schlechter-Stellung“ i. S. d. § 26 StaRUG in den meisten Fällen das Liquidationsszenario als „nächstbestes Alternativszenario“ herangezogen wird. Da die assets eines Unternehmens zu Liquidationswerten in aller Regel deutlich weniger wert sind als zu Fortführungswerten, ist die Hürde des § 26 StaRUG für den Planvorlegenden viel leichter zu überspringen, als wenn bspw. ein market sounding oder eine fairness opinion eines M&A-Beraters vorzulegen wäre. 

Auf der anderen Seite dürfen die Anforderungen an den Planvorlegenden gleichwohl auch nicht allzu hoch sein. So lässt sich etwa der Einwand durchaus hören, dass eine Forderung nach Einholung konkreter Verkaufsangebote schon mit Blick auf die Rechte der Eigentümer, der grundsätzlichen Nicht-Öffentlichkeit des Verfahrens und des nach der Gesetzesbegründung beabsichtigten schnellen Verfahrensablaufes und -abschlusses nicht vom Schuldner verlangt werden könne (siehe Braun/Herzig, StaRUG, § 26 Rn. 8, 1. Aufl., Beck-Verlag, 2021). 

Mit der Einführung des § 63 Abs. 2 n.F. StaRUG hat der Gesetzgeber nun zwar eine Klarstellung zum Prüfungsumfang des Gerichts getroffen. Die Unzufriedenheit der Planbetroffenen dürfte jedoch mit dieser Regelung noch weiter steigen. So hat der Gesetzgeber die Anforderungen an eine gerichtliche Versagung des Plans von Amts wegen erhöht, da der Planbetroffene, der sich auf eine mangelhafte Unternehmensbewertung beruft, die Versagung nunmehr beantragen und dem Plan bereits im gerichtlichen Abstimmungsverfahren widersprochen haben muss. Mit dieser Regelung ergänzt der deutsche Gesetzgeber nachträglich, was die Restrukturierungsrichtlinie in Art. 14 Abs. 1 b) vorschreibt – eine justizielle Überprüfung des schuldnerischen Unternehmens nur auf Antrag des Betroffenen, der den Restrukturierungsplan wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen die Bedingungen für eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung beanstandet. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu: „Um sicherzustellen, dass im Rahmen der Entscheidung über die Planbestätigung keine gerichtliche Bewertung des schuldnerischen Unternehmens von Amts wegen erfolgt, die mit den Vorgaben der Richtlinie nicht vereinbar wäre, wird der neue Absatz 2 eingefügt“ (BT-Drucks. 20/2653).   

Faktisch wird mit dem Einfügen des § 63 Abs. 2 n.F. dem widersprechenden Gläubiger die Last der Darlegung eines schlüssigen Alternativszenarios aufgebürdet. Da ein Gläubiger in den wenigsten Fällen jedoch weder über vertiefte Unternehmenskenntnisse verfügen wird noch den Marktwert des Unternehmens kennt, wird es ihm kaum möglich sein, anhand einer eigenen Unternehmensbewertung ein Alternativszenario aufzuzeigen, dass substantiiert genug ist, die Schlüssigkeit der schuldnerischen Vergleichsrechnung in Frage zu stellen. Folge dessen wird in aller Regel sein, dass das Gericht allein die vom Planersteller vorgelegte Vergleichsbetrachtung seiner Schlüssigkeitsprüfung unterzieht, was die Erfolgsaussichten des Versagungsantrages des planbetroffenen Gläubigers deutlich verringern dürfte. 

 

PRAXISTIPPS

  • Als Gläubiger sollten Sie im Vorfeld der Einleitung eines Restrukturierungsvorhabens verhandlungs- und vergleichsbereit bleiben, um ein besseres Ergebnis beim Schuldenschnitt zu erzielen. 
  • Ist ein Verfahren nach StaRUG eingeleitet, sollten Sie die Vergleichsrechnung kritisch prüfen und insbesondere die Bewertungsansätze im Insolvenzszenario hinterfragen. 
  • Im Abstimmungstermin sollten Sie das Alternativszenario fundiert darlegen. Der bloße Hinweis auf ein weiteres mögliches Alternativszenario reicht nicht aus. 

Beitragsnummer: 21814

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