Dienstag, 9. August 2022

Länderrisiken – Handlungsbedarf vorhanden?

Kritische Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der jüngsten geopolitischen Entwicklungen auf die Risikosituation von Banken mit Fokus auf Länderrisiken

Daniel Storch, stv. AL Unternehmenssteuerung, VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden eG

 

Nimmt man die Ukraine-Krise als Anlass, um über Stabilität und vor allem Vorhersagbarkeit von politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Staaten bzw. Staatenverbünden nachzudenken, muss mit zunehmender Fragilität der vorhanden Beziehungskonstellationen gerechnet sowie kürzlich als unwahrscheinlich eingestufte Ereignisse und Entwicklungen in Betracht gezogen werden.

Auch für Regionalbanken gibt es spätestens im Zweitrundeneffekt potenzielle Länderrisiken (Ursache), welche sich primär auf das Adressrisiko im Kundenkreditgeschäft (Wirkung) auswirken dürften. Diese gilt es zu identifizieren bzw. das vorhandene Risikopotenzial zu analysieren. Mit Zweitrundeneffekt sind Beziehungen bzw. Abhängigkeiten von Kunden in Ländern gemeint, welche durch erlassene und ggf. noch absehbare Wirtschaftssanktionen und deren Folgen betroffen sind.

Den Ausgangspunkt bildet aus aufsichtsrechtlicher Sicht der AT 2.2 Tz. 1 der MaRisk: „Grundsätzlich sind zumindest die folgenden Risiken als wesentlich einzustufen:

a)         Adressenausfallrisiken (einschließlich Länderrisiken),

b)         Marktpreisrisiken,

c)         Liquiditätsrisiken und

d)         operationelle Risiken.“

Demnach sind in der Risikoinventur auch Länderrisiken im Rahmen der Betrachtung der Adressenausfallrisiken zu berücksichtigen. Folglich ist es erforderlich, Länderrisiken als solche genauer abzugrenzen und zu definieren.

Hierzu eine Definition des Begriffs Länderrisiko aus dem Gabler Wirtschaftslexikon: „…auf einzelne Länder bezogenes, durch Krisensituationen hervorgerufenes Kredit- und Marktrisiko, das in der Gefahr des teilweisen oder vollständigen Ausfalls vertraglich vereinbarter Zins- und Tilgungszahlungen von Marktleistungsnehmern des Landes und des Wertverfalls von Wertpapieren oder Derivaten, die von Marktparametern des Landes abhängen, besteht. V. a. ist hierbei das Risiko einer staatlichen Reglementierung des grenzüberschreitenden Zahlungs- und Kreditrisikos einbezogen (Transferrisiko). … Unter dem Begriff Länderrisiko fasst man die kredit- und marktbezogenen Ereignisrisiken zusammen und analysiert, wie sie den verschiedenen Transaktionen mit den jeweiligen Ländern zuzuordnen sind. Der Analyse können unterschiedliche Arten von Finanzmarktkrisen zugrunde gelegt werden. Üblicherweise denkt man an Krisen, die durch die bes. wirtschaftlichen und/oder politischen Gegebenheiten eines Landes bedingt sind und in dem betroffenen Land den grenzüberschreitend abzuleistenden Schuldendienst der Gesamtheit aller Schuldner beeinträchtigen.“ [https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/laenderrisiko-37895]

Soweit man diese Definition als Ausgangsbasis heranzieht, sind Länderrisiken grundsätzlich als Ländertransferrisiken mit Fokus auf finanzielle Transferleistungen zu charakterisieren. Jedoch ist auch die Ausweitung auf physische Transferleistungen denkbar bzw. aufgrund der aktuellen Sanktionen gegenüber Russland sogar erforderlich (à nicht-finanzielle Ausprägung des Transferrisikos).

In der direkten Wirkung des Ländertransferrisikos ist ein teilweiser oder vollständiger Ausfall der Forderung (Zins- und Tilgungsleistungen) die Folge (à finanzielle Ausprägung des Transferrisikos).

Die indirekte Wirkung des Länderrisikos drückt sich in der Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation von Kreditnehmern aufgrund von Problemen beim Bezug von Ressourcen bzw. beim Verkauf von Waren aus. Das Länderrisiko stellt hierbei die Ursache, die sich (zeitverzögert) auf das Adressrisiko im Kundengeschäft auswirkt, über eine Verschlechterung der Bonität des Kreditnehmers dar.

Die indirekte Wirkung des Länderrisikos im Sinne von Zweitrundeneffekten auf – vor allem – das Adressrisiko im Kundengeschäft ist mit dem Aufkommen der Ukraine-Krise sowie den dadurch erlassenen (Wirtschafts-)Sanktionen ein eher neues Thema für Regionalbanken, da erstmals Kreditnehmer mit Sitz im Inland von Ländertransferrisiken betroffen sein können.

Hiervon betroffen sind vor allem Kunden mit Sitz im Inland, welche hohe Abhängigkeiten beim Import bzw. Export von Rohstoffen bzw. Produkten aufgrund global vernetzter Lieferketten aufweisen.

Hierbei empfiehlt sich, in einem ersten Schritt die kritische Auseinandersetzung möglicher Abhängigkeiten von Ländern mit erhöhtem Risikopotenzial bei größeren Engagements. Im Sinne des „Know Your Customer“-Prinzips sollte dabei das implizite und explizite Wissen um den Kunden und dessen Geschäftsmodell von Beratern und Mitarbeitern aus den Bereichen Markt und Marktfolge genutzt werden. 

Für die Einwertung/Beurteilung von Länderrisiken im Rahmen der Risikoinventur empfiehlt sich u. a. die Betrachtung von Risikolandkarten. Anbei zwei Beispiele dazu:

 

PRAXISTIPPS

  • Sensibilisierung des Themas Länderrisiko aufgrund jüngster Entwicklungen und potenzieller weiterer Eskalationen bzw. gar neuer Krisenherde (Stichwort: Taiwan).
  • Überprüfung und ggf. Nachschärfung der Definition sowie Beurteilung des Länderrisikos in der Risikoinventur.
  • Überprüfung und ggf. Nachschärfung der (risiko-)strategischen Vorgaben zum Umgang mit Länderrisiken.
  • Analyse des Kreditportfolios in Bezug auf mögliche Abhängigkeiten von Kunden aus Ländern, welche ein erhöhtes Länderrisiko aufweisen (Zweitrundeneffekte).

Beitragsnummer: 21776

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