Montag, 20. Juni 2022

Mind Change

Technologie und der stetige Wandel in unserem Denken

Patrick Hedfeld, Senior Projektleiter\Programmleiter Deutsche Leasing, FOM Hochschuldozent

Einleitung

Was passiert, wenn wir eine neue Technologie übernehmen? Ich spreche hier nicht von Hypes oder von Trends. Ich spreche vom Denken in unserem Kopf und was diesen gedanklichen Shift wichtig und besonders macht.

Ist Ihnen das nicht auch schon passiert? Sie haben bemerkt, dass etwas anders ist oder eine Funktionalität entdeckt, die Ihnen ermöglicht anders, besser oder effizienter zu arbeiten? Ich möchte ein paar Beispiele geben, die uns ermöglichen sollen, gezielter und eingehender über solche Technologiesprünge nachzudenken. Was passiert hier und wie können wir das in der Praxis besser nutzen?

Das Senden von Dateien

Über viele Jahre habe ich Dateien „geschickt“ oder „versandt“. Da stand mein Computer und der Computer von jemand anderem war in einem anderen Gebäude, das Verschicken ging ganz unterschiedlich. Mein erster Computer war ein 486 SX25 mit 3,5 Zoll Disketten. Da kopierte man Informationen und fuhr dann zu einem Freund und steckte die Diskette wieder rein und holte sich dann die Informationen wieder ab. Andere Menschen sind damit sozialisiert worden, dass Programme über Töne weitergegeben wurden und mit einem Mikro und einem anderen Programm wieder in Code umgesetzt wurden. 

In meinem Kopf steckte also lange der Gedanke, dass ich Dateien in irgendeiner Form übertragen müsste. Es gibt ein „hier“ und ein „dort“ und dann muss ich etwas tun, damit die Informationen auch im „dort“ ankommen. 

Im Laufe der Jahre gab es schon viele Clouddienste und privat nutzen die meisten von Ihnen sicherlich sogar mehrere davon[1]. Mir wurde erst im Laufe der Zeit klar, dass meine Daten an einem Punkt liegen und ich nur noch den Zugang „teilen“ oder „freigeben“ muss, damit auch andere einen Zugang zu meinen Dateien bekommen. 

Auch in modernen Kollaborationstools funktioniert dies auf ähnliche Weise[2]. Man öffnet einen „Kanal“ zu jemand anderem und legt die Datei im Grunde zwischen den beiden Personen „ab“. Dann kann man diese zusammen ändern und benutzen, auch das Speichern fällt im Grunde weg, da die geänderte Version immer die neue Version ist.

Man schickt sich nichts mehr per Mail und ich erinnere mich gerne noch an Kolleginnen und Kollegen, die ganze Postfächer mit Rundmails vollgemacht haben an denen PDFs im zweistellgien MB Bereich hingen. Das alles ist im Grunde schon lange nicht mehr notwendig, da ein einziger Verweis auf ein Wiki oder ein Share ausreicht, um die Informationen miteinander zu teilen und zur Verfügung zu stellen.

Das Machen von Notizen

Ich erinnere mich gerne noch an meine alten Mitschriften aus Sitzungen. Ich lief manchmal tagelang von Meeting zu Meeting und hatte immer meine kleinen Notizbücher dabei. Ich schrieb wichtige Argumente für mich auf und versuchte das Gesagte festzuhalten und später in verschiedener Form wiederzugeben. Es hat lange gedauert, bis ich auf meinem Computer die ein oder andere App ausprobierte, die dafür sorgte, dass ich mein Notizbuch weggelassen habe. 

Der erste Vorteil, wenn man seine Notizen digital macht? „Steuerung F“ – das berühmte Suchfenster. Ein Kollege hat mich irgendwann mit der Nase darauf gestoßen, er schaute auf mein Buch und sagte nur „Steuerung F“ zu mir und das mit genau das Fehlen würde. Er hatte Recht. Heute ist es in der Tat so, dass man sich an viele Besprechungen, die schon länger in der Vergangenheit liegen, schwerer erinnert, aber man noch ein Schlagwort oder ein Thema im Hinterkopf hat. Es gibt kaum etwas Dankbareres als in seinen eigenen notierten Gedanken suchen zu können. Und mehr noch: Geht ein Laptop kaputt und man erhält einen neuen, dann hat man sofort – sollte man sich für eine Cloud entschieden haben – die alten Notizen auf dem neuen Gerät, wenn es synchronisiert hat. Eigene Notizen, die sogar eine Historie haben, können von mir in ein paar Jahren vielleicht einer Analyse oder einer Auswertung unterzogen werden.  

Es ist egal, wo ich bin

Wie dankbar ist das? Ich brauche im Grunde nur meine eigene Kennnummer und ein Passwort bzw. eine weitere Authentifizierungsmaßnahme zu kennen und kann von jedem Punkt der Welt aus arbeiten, wenn alles in meiner Cloud ist, ob ich nun von zu Hause etwas mache oder direkt vom Büro oder von einem anderen Standort meiner eigenen Firma. Das ist nicht wichtig, wichtig ist nur mein Zugang. Der Wandel, der in meinem Kopf stattfindet, kann also bedeuten, dass ich standortunabhängig bin. Es braucht einen sicheren Zugangsterminal und im Grunde einen WLAN- oder anderen Zugang zu meinen Services und ich kann arbeiten. Welche Implikationen kann das haben? Ich kann meine Arbeit am Nachmittag für eine kurze Zeit unterbrechen und mit meinen Kindern zum Turnen gehen, danach kann ich mich wieder an meinen Terminal setzen. Ich kann die Stimmung an einem anderen beruflichen Standort mitbekommen und vielleicht wichtige Produktgespräche führen, die ich sonst nicht mitbekomme. Ich kann theoretisch weltweit mit Kolleginnen und Kollegen arbeiten und muss nur wissen, ob eine Person entsprechend verfügbar ist, dann entfallen auch Ländergrenzen und andere Barrieren ganz leicht[3].

Alles ist synchron

Wer kennt das nicht: Terminfindung. Man legt mehrere Kalender übereinander und versucht noch eine Lücke zu finden, die allen passt. Die beste Lösung: Synchronisierte Kalender. Moderne Programme finden dann entsprechende Lücken und können diese einfach zur Verfügung stellen. Mehr noch: Ich kann schauen, wo jemand ist und ggf. auch einfach mal ins andere Büro rüber laufen. Meine Notizen oder Tabellen können online geteilt werden, was früher noch der einfache Notizzettel am Kühlschrank war, kann heute der dynamische und digitale Notizzettel sein, der sich auf Smartphones in synchronisierter Form wiederfindet. Auswertungen über den durchschnittlichen Verbrauch sind genauso möglich, wie Bestellungen, die im Vorfeld getroffen werden können. Das synchrone Abrufen von Informationen und eine Übersicht, was bereits verbraucht wurde, sind in kurzer Zeit problemlos möglich. Ich kann Lieferobjekte erarbeiten oder in den Review geben und dadurch kontinuierlich meine Produkte und Services weiterentwickeln. Verbinde ich das mit den anderen Prinzipien im „Mind Change“ der Digitalisierung, dann sind ganz neue Arbeitsweisen möglich. 

Services vernetzen und vernetzen lassen

Eines muss uns klarwerden. Firmen bieten Services an und diese werden mit anderen digitalen Services vernetzt. Hat man selbst ein Finanzierungsmodell oder eine Abwicklung im Angebot, dann kann man dieses mit Services oder Dienstleistungen aus anderen Feldern oder aus anderen Gebieten vernetzt werden. Firmen schließen ihre Produkte zu Servicenetzen zusammen und profitieren gemeinsam[4]. Eine App enthält möglicherweise eine Karte von einem Anbieter aus dem Silicon Valley, die Ladestationen eines Energielieferanten und die Produkte der eigenen Firma zusammen. Dadurch entsteht ein vollkommen neues Produkt. 

Auch die Weiterentwicklungen von Services sind möglich. Man baut den eingekauften Service einer Fremdfirma aus und entwickelt diesen weiter oder baut ihn in spezieller Weise für einen bestimmten Kundenstamm um. Vernetzte Services können ebenso positive Nebeneffekte haben, so kann ein Angestellter einer Tankstelle leicht über einen Teilservice (Ist die Person über 16 oder über 18 Jahre alt? Ja\Nein) schnell unangenehme Gespräche an der Kasse vermeiden. 

Auch hier setzt eine neue Denkweise ein, man bezahlt für Zugänge oder den Nutzen von etwas. Warum etwas durchrechnen lassen – auf möglicherweise veralteten Systemen – wenn man 24 Stunden Serverrechenzeit für wenige Euro kaufen kann[5]

Unsere Denkweise ist oft nicht daran gewöhnt, dass das möglich ist. Vielleicht bezahlt ein Kunde für eine Abwicklung oder eine Bereitstellung von etwas schon dankbar Geld. Wenn ein Flipchart in einem Büro steht, kann ein digitales agiles Board schnell überall auf der Welt stehen. Services in vernetzter Form bilden ganze digitale Plattformen und können auf diese Weise modernen Plattformkapitalismus betreiben[6]

Große Anbieter sind bereits zu solchen Plattformen aufgestiegen als „Gegenstandsplattform“, in dem diese Käufer und Verkäufer miteinander vernetzen und sich selbst in die Mitte geschoben haben mit ihren einfachen vernetzten Services. Andere Anbieter sind „Wohn- und Übernachtungsplattformen“ oder „Transportplattformen“ geworden und vernetzen u. a. Fahrer und Fahrgäste und viele weitere Personen. 

Es ist diese neue Form des Denkens, die ausschlaggebend für die Zukunft ist: Produkte sind Services und über Kundenstämme bauen sich Plattformen auf.

Konklusion

Auch wenn die Digitalisierung und die damit verbundenen Möglichkeiten neue Türen aufstoßen, müssen wir immer erkennen, dass die eigentliche Transformation in unseren Köpfen stattfindet. Nutzbar werden diese neuen Möglichkeiten aber nur mit Hilfe unseres Mind Changes. Was kann hier helfen? Man kann sich ggf. bei alten Gewohnheiten selbst ertappen oder ertappen lassen. Man kann das eigene Handeln hinterfragen oder neue Wege probieren, die ansonsten nicht begangen werden. Mit Hilfe einer ausgeprägten Fehlerkultur sind neue Strukturen erkennbar und können auf diese Weise auch dabei helfen die neuen Möglichkeiten zu erkennen, die uns in Form von neuer Technologie tagtäglich entgegenschlagen ohne, dass wir dies merken, da wir manchmal betriebsblind geworden sind. Dazu gehört auch eine gute Beobachtung der „jungen Generation“ und die Frage, was machen diese anders bzw. was machen sie gerade nicht, weil sie es gar nicht anders kennen oder gewohnt sind. 

PRAXISTIPPS

  • Digitalisierung ist ein Mind Change und der beginnt immer im eigenen Kopf.
  • Produkte sind Services und diese werden vernetzt und sogar zu Plattformen ausgebaut.
  • Der Arbeitsalltag kann mit verschiedenen toolbasierten Strukturen unterstützt werden und ungenutzte Potentiale heben.

[6] Vgl. Srnicek, Nick: Plattformkapitalismus, Politiy Verlag, Hamburg, 2016.


Beitragsnummer: 21722

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