Donnerstag, 19. Mai 2022

Klagebefugnis Verbraucherverband bei DSGVO-Verstößen

Prof. Dr. Hervé EdelmannFachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

Nachdem der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 28.05.2020, Az. I ZR 186/17, dem EuGH die hoch umstrittene Frage vorgelegt hatte, ob Verbraucherverbände wie die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. zur Rechtsverfolgung von Datenschutzverstößen unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer Klagen vor Zivilgerichten, gestützt auf § 8 Abs. 3 UWG sowie § 3 Abs. 1 Satz 1 UKlaG, erheben dürfen, hat der EuGH nunmehr nach Ergehen der Schlussanträge des Generalanwalts vom 02.12.2021 (DB 2021, 3024) in seinem Urteil vom 28.04.2022, Az. C – 319/20 (DB 2022, 1191), entschieden, dass einem solchen Verbraucherverband eine solche Klagebefugnis zusteht. Hierbei hat er klargestellt, dass eine solche Klagebefugnis nicht gegen Art. 80 Abs. 2 DSGVO verstößt. Voraussetzung für die Klagebefugnis sei nur, dass nach Auffassung des Verbandes die Rechte einer betroffenen Person i. S. d. DSGVO infolge einer Verarbeitung der personenbezogenen Daten dieser Person verletzt worden seien (Rn. 67).

In diesem Zusammenhang hebt der EuGH hervor, dass der Begriff der betroffenen Person i. S. v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO nicht nur eine „identifizierte natürliche Person" umfasst, sondern auch eine „identifizierbare natürliche Personen", also eine natürliche Person, die direkt oder indirekt, mittels Zuordnung einer Kennung wie insbesondere einem Namen, einer Kennnummer, Standortdaten oder einer Onlinekennung identifiziert werden kann. Dabei könne unter diesen Umständen auch die Benennung einer Kategorie oder Gruppe von Personen, die von einer solchen Verarbeitung betroffen seien, für die Erhebung einer solchen Verbandsklage ausreichen (Rn. 69).

Sodann hält der EuGH fest, dass die Erhebung einer Verbandsklage nach Art. 80 Abs. 2 DSGVO auch nicht daran geknüpft sei, dass eine konkrete Verletzung der Rechte einer Person i. S. d. Datenschutzvorschriften vorliege. Vielmehr reiche es für die Anerkennung der Klagebefugnis i. S. v. Art. 80 Abs. 2 DSGVO aus, dass geltend gemacht werde, dass die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen könne, ohne dass ein der betroffenen Person in einer bestimmten Situation durch die Verletzung ihrer Rechte tatsächlich entstandener Schaden nachgewiesen werden müsse (Rn. 72).

Schließlich hält der EuGH fest, dass der Klagebefugnis auch nicht entgegenstünde, dass der Verstoß gegen die Datenschutzvorschriften im Rahmen eines Verfahrens zur Durchsetzung anderer Rechtsvorschriften zur Gewährleistung des Verbraucherschutzes geltend gemacht werde, so z. B. wenn die Klage auch mit der Begründung erhoben wird, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, gegen ein Verbraucherschutzgesetz oder gegen das Verbot der Verwendung unwirksamer AGB verstoßen worden sei (Rn. 78 ff.).

 

PRAXISTIPP

Auch wenn die Entscheidung des EuGH von der Verbraucherzentrale Bundesverband gegen Facebook erwirkt wurde, hat diese Entscheidung Ausstrahlungswirkung auch auf den Bereich des Bankrechts. Denn auch in diesem Bereich könnte die Verbraucherzentrale Bundesverband mit ähnlicher Argumentation wie gegen Facebook Klage gegen Kreditinstitute einreichen.


Beitragsnummer: 21694

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