Dienstag, 3. Mai 2022

Extensives Widerrufsrecht bei Schuldbeitritt

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

In seinem Urteil vom 28.01.2022, Az. 1 O 243/21 (BKR 2022, 321 ff.) gelangt das Landgericht Saarbrücken nicht nur zu dem Ergebnis, dass auf den Schuldbeitritt die verbraucherschutzrechtlichen Regelungen der §§ 491 ff. BGB Anwendung finden. Vielmehr vertritt das Landgericht Saarbrücken darüber hinaus die Rechtsauffassung, dass bei einem Schuldbeitritt zu einem der Verbraucherkreditrichtlinie unterfallenden Verbraucherdarlehensvertrag bei der Prüfung der Ordnungsgemäßheit der Widerrufsinformation und der Pflichtangaben bezogen auf den Schuldbeitritt die Rechtsprechung des EuGH zur Anwendung gelangt, nach welchem der Kaskadenverweis nicht klar und verständlich sei und weswegen auch der Schuldbeitretende seine Mithaftungserklärung unter Berufung hierauf widerrufen könne, wodurch nach Auffassung des Landgerichts Saarbrücken der Mithaftende insgesamt von seiner Schuld frei wird. Auch auf die Gesetzlichkeitsfiktion könne sich das Institut nicht berufen, da es zu Gunsten des Darlehensnehmers vom Muster abgewichen und eine 1-Monatsfrist statt 14 Tagen aufgenommen habe. 

 

PRAXISTIPP

Das Landgericht vermag zu seinem festgestellten Ergebnis nur deswegen zu gelangen, weil es unterstellt, dass dann, wenn im konkreten Fall die Verbraucherkreditrichtlinie auf den Darlehensvertrag Anwendung findet, die Anforderungen dieser Richtlinie auch bei der Beurteilung der Ordnungsgemäßheit der Widerrufsinformation sowie der Pflichtangaben beim Schuldbeitritt gelten. Dabei übersieht das Landgericht Saarbrücken allerdings, dass der Schuldbeitritt nicht ohne weiteres der Verbraucherkreditrichtlinie unterfällt (vgl. hierzu Maier, BKR 2022, 310, 312 f.), weswegen die Anwendbarkeit dieser Rechtslinie auf den Schuldbeitritt mehr als zweifelhaft ist. 

Darüber hinaus verweigert das Landgericht Saarbrücken dem Kreditinstitut die Berufung auf die Gesetzlichkeitsfiktion nur deswegen, weil statt einer 14-tägigen Widerrufsfrist eine 1-Monatsfrist in der Widerrufsinformation aufgenommen wurde, was ebenfalls zweifelhaft ist. Denn für eine vergleichbare Fallkonstellation einer für den Darlehensnehmer günstigen Abweichung vom Mustertext hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit entschieden, dass der Musterschutz erhalten bleibt (vgl. hierzu Maier, a. a. O., 314). 

Schließlich übersieht das Landgericht Saarbrücken, dass es mit seiner Entscheidung entgegen seinen eigenen Behauptungen gerade keinen Gleichlauf zwischen Darlehensnehmer und Schuldbeitretenden herstellt. Denn anders als der Darlehnsnehmer wird der Schuldbeitretende durch die Ausübung seines Widerrufsrechts von seiner gesamten Verpflichtung befreit, was beim Darlehnsnehmer offenkundig nicht der Fall ist und was das vom Landgericht erzielte Ergebnis auch unter „Gleichlaufgesichtspunkten“ mehr als fraglich erscheinen lässt.

Vor diesem Hintergrund bleibt zu hoffen, dass die Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken keine Schule macht.


Beitragsnummer: 21660

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