Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in seinem Urteil vom 07.04.2022, Az. 2 U 7/21 entschieden, dass die Bausparkasse für das bereitgehaltene Bauspardarlehen Bereitstellungszinsen in Höhe von 2 % jährlich vereinnahmen darf. Bei dieser ABB-Regelung handele es sich nach Auffassung des OLG Stuttgart nämlich um eine AGB-rechtlich nicht überprüfbare Preishauptabrede. Dies deshalb, weil die Bausparkasse eine von ihr erbrachte Sonderleistung hiermit bepreise. Diese Sonderleistung bestehe in der von der Bausparkasse übernommenen Verpflichtung, dem Darlehensnehmer den Nettodarlehensbetrag nach Abschluss des Darlehensvertrags für einen vereinbarten Zeitraum, die sogenannte Ziehungsperiode, auf Abruf bereitzuhalten. Zu einer solchen Vorhaltungen des Kapitals bis zum Abruf durch den Darlehensnehmer sei die Bausparkasse auf der Grundlage der von Gesetzes wegen bestehenden darlehensvertraglichen Pflichten aus § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verpflichtet. Vielmehr wäre die Bausparkasse ohne die angegriffene Klausel berechtigt, den Nettodarlehensbetrag gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort an den Darlehensnehmer auszuzahlen und den für die Kapitalüberlassung geschuldeten Zins zu beanspruchen. Gründe, warum die zu Bereitstellungszinsen bei „normalen Darlehensverträgen“ ergangene BGH-Rechtsprechung nicht auf Bausparverträge übertragbar sei, seien nicht ersichtlich.
PRAXISTIPP
Nachdem das Oberlandesgericht Stuttgart die Revision nicht zugelassen hat und der Streitwert die für die Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde notwendige Betragsgrenze von 20.000 € nicht übersteigt, ist nunmehr erstmals rechtskräftig festgestellt, dass eine Bausparkasse in AGB-rechtlich nicht überprüfbarer Art und Weise Bereitstellungszinsen für das Bereithalten des Bauspardarlehens verlangen darf.
Damit können Bausparkassen nunmehr rechtswirksam nicht nur die Abschlussgebühr bei Abschluss des Bausparvertrages rechtswirksam vereinbaren, sondern in der „Ansparphase“ nach Zuteilung für das Bereithalten des Bauspardarlehens auch Bereitstellungsprovisionen verlangen.
Beitragsnummer: 21659