Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In seiner aktuellen Entscheidung vom 13.04.2022, Az. 5 U 19 73/20 hat das Oberlandesgericht Dresden der Berufung einer Sparkasse teilweise stattgegeben, mit welcher sich die Sparkasse gegen ihre Verurteilung zur Nachzahlung weiterer Zinsen an ihren Kunden bei einem langfristigen Sparvertrag gewendet hatte.
Dabei entschied das Gericht, dass es entgegen der Rechtsauffassung des Sparers für die Berechnung etwaiger Zinsnachzahlungsansprüche nicht auf die Zinsreihe der Umlaufrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen/Hypothekenpfandbriefe mit zehn Jahren gleitendem Durchschnitt als Referenzzinssatz ankomme (ehemalige Bezeichnung WX 4260). Vielmehr sei im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung auf der Basis eines verobjektivierten Parteiwillens die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Zinsreihe der Ist-Zinssätze des Kapitalmarktes für börsenorientierte Bundeswertpapiere mit acht bis 15-jähriger Restlaufzeit Monatswerte zugrunde zu legen. Dies deshalb, weil diese Zinsreihe nach Auffassung des von einem Sachverständigen beratenen Senats den langfristigen Charakter der Verträge widerspiegle, auf der Grundlage mehrerer Jahre beruhe, Ausreißereffekte nivelliere, der typisierten Sparzeit von 15 Jahren am nächsten komme und ausreichenden Spielraum für Liquiditätsaspekte lasse.
Sodann führt das Oberlandesgericht Dresden aus, dass bei der konkreten Zinsberechnung ein relativer Abstand zwischen dem anfänglich vereinbarten und dem Referenzzins zugrunde zu legen sei (sog. Verhältnismethode). Dies deshalb, weil sich der Vertragszins bei sinkendem Zinsniveau langsamer der Null-Linie annähere als bei der Differenzmethode.
PRAXISTIPP
Soweit ersichtlich hat das Oberlandesgericht Dresden in vorstehender Entscheidung erstmals entschieden, dass dem Kunden der Sparkasse zwar Zinsnachzahlungsansprüche aus seinem Prämiensparvertrag zustehen, dass die Berechnung der Nachzahlungsansprüche jedoch nicht unter Zugrundelegung des vom Sparer geforderten Referenzzinssatzes erfolgt. Im Ergebnis führt damit die neue Entscheidung des Oberlandesgericht Dresden dazu, dass den Sparern Nachzahlungsansprüche in erheblich geringerer Höhe zustehen als ursprünglich gedacht und gewünscht – im Konkreten weniger als die Hälfte –, was sachgerecht, rechtlich zutreffend und auch angemessen ist.
Beitragsnummer: 21658