Dienstag, 3. Mai 2022

Verjährung von bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüchen

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

In einem Fall, in welchem es um die Verjährung von Rückforderungsansprüchen nach einer Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung ging, erinnert der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 17.11.2021, Az. IV ZR 113/20 (WM 2022, 23 ff.) an die für bereicherungsrechtliche Ansprüche geltenden Verjährungsgrundsätze.

So führt der Bundesgerichtshof zunächst aus, dass der Verjährungsbeginn gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB aus Rechtsgründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraussetzt. Nicht erforderlich sei wiederum in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Nur ganz ausnahmsweise könne die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. Denn in diesen Fällen würde es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifende Voraussetzung für den Verjährungsbeginn fehlen (Rn. 43).

Sodann hält der Bundesgerichtshof fest, dass es entgegen der Ansicht der Revision für die Feststellung der Verjährung nicht entscheidungserheblich ist, ob der Kläger mit Zugang der Prämien-Änderungsmitteilung auch Kenntnis von den Tatsachen hatte, aus denen die von ihm ebenfalls geltend gemachte materielle Unwirksamkeit der Beitragserhöhung folgen könnte. Für den Beginn der Verjährungsfrist sei dies nämlich ohne Bedeutung. Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs aus § 812 BGB habe nämlich bereits dann Kenntnis von den seinen Anspruch begründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt (Rn. 47).

 

PRAXISTIPP

Einmal mehr stellt der Bundesgerichtshof fest, dass es für den Beginn der Verjährung bei einem bereicherungsrechtlichen Anspruch aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit ausschließlich auf die Kenntnis von der Leistung und den Tatsachen ankommt, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Nicht erforderlich ist daher, dass der Bereicherungsgläubiger den Schluss auf das Fehlen des Rechtsgrundes aufgrund einer von ihm vorzunehmenden rechtlichen Würdigung zieht.

Zwar soll im deutschen Verjährungsrecht auch ein Ausgleich von Schuldner- und Gläubigerinteressen insofern stattfinden, als dem Gläubiger eine faire Chance eingeräumt werden muss, seinen Anspruch geltend zu machen, wozu dem Gläubiger grundsätzlich auch hinreichend Gelegenheit gegeben werden muss, das Bestehen seiner Forderungen zu erkennen (BGH, Urteil vom 28.10.2014, Az. XI ZR 348/13, Rn. 52). Diesem Bedürfnis genügt das deutsche Recht allerdings bereits insofern in ausreichendem Maße, als der Verjährungsbeginn entsprechend dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB an die Kenntnis von den objektiv den Anspruch begründenden Umständen anknüpft und der Bundesgerichtshof zudem bei unsicherer und zweifelhafter Rechtslage die Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifende Voraussetzung für den Verjährungsbeginn geschaffen hat, wodurch der Verjährungsbeginn in diesem Ausnahmefall bis zur Klärung der Rechtslage hinausgeschoben wird. 

Diese Kombination von subjektiven und objektiven Komponenten verbunden mit dem Zumutbarkeitsgrundsatz gewährt dem Verbraucher nach hiesiger Auffassung eine realistische und ausreichend zumutbare Möglichkeit, seine Forderung gegenüber dem Bereicherungsschuldner geltend zu machen. Insofern genügt die dreijährige kenntnisabhängige Grundsatzverjährung im deutschen Recht nach hiesiger Auffassung auch dem europäischen Effektivitätsgrundsatz (vgl. hierzu Schultheiß, BKR 2021, 634 ff.).


Beitragsnummer: 21657

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