Dienstag, 3. Mai 2022

„Drohung" mit Kündigung bei Rückforderung von Kontoentgelten zulässig

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

Eine Genossenschaftsbank hatte, nachdem der BGH die Zustimmungsfiktionsklausel der Banken in seinem Urteil vom 27.04.2021 für unwirksam erklärt hatte und damit auch das auf dieser Grundlage durch die Volksbank eingeführte Kontoführungsentgelt in Höhe von 5 € monatlich, alle ihre Kunden angeschrieben und diese in einer sachlichen und verständlichen Art und Weise dazu aufgefordert, der Fortführung ihres Girokontos unter Zugrundelegung des Kontoführungsentgelts in Höhe von 5 € monatlich zuzustimmen. Mit Erteilung der Zustimmung verbunden war ein Verzicht der Kunden auf die Rückforderung der bereits gezahlten und unwirksam vereinbarten Kontoführungsentgelte bei gleichzeitiger Erteilung einer zeitlich begrenzten Preisgarantie in Bezug auf das Kontoführungsentgelt durch die Volksbank. Für den Fall wiederum, dass der Kunde seine Zustimmung nicht erteilt, kündigte die Bank an, den Girovertrag innerhalb einer Kündigungsfrist von zwei Monaten zu kündigen.

In seinem Urteil vom 15.02.2022, Az. 34 O 98/21 KfH (ZIP 2022, 577) entschied das Landgericht Stuttgart, dass die Ankündigung des Ausspruchs der Kündigung des Girokontos bei Nichtfortsetzung der Geschäftsbeziehung wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Nach Auffassung des Landgerichts Stuttgart habe die Volksbank unter Einhaltung der hierfür notwendigen Voraussetzungen das Girokonto als Zahlungsdiensterahmenvertrag wirksam nach § 675h Abs. 2 BGB gekündigt. Nach dieser Norm könne nämlich auch eine Genossenschaftsbank den Girovertrag ordentlich sowie grund- und begründungslos dann kündigen, wenn der Girovertrag auf unbestimmte Dauer geschlossen und das Recht der Bank zur ordentlichen Kündigung vertraglich vereinbart wurde, was im konkreten Fall in Nr. 19 Abs. 1 AGB erfolgt war (so auch BGH, Urteil vom 10.11.1977, Az. III ZR 39/76, NJW 1978, 947 u. H. a. OLG Nürnberg, WM 1960, 890, 892).

Etwas anderes ergäbe sich nach Auffassung des Landgerichts Stuttgart im konkreten Fall auch nicht aus dem genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgebot. Dies deshalb, weil der aus dem Förderauftrag des § 1 GenG abgeleitete Grundsatz, dass alle Mitglieder einer Genossenschaftsbank gleich zu behandeln seien, im konkreten Fall eingehalten und somit nicht verletzt worden sei.

Zwar könne nach Auffassung des Landgerichts Stuttgart eine Kündigung im Einzelfall bei einem Verstoß gegen §§ 134, 138 BGB unwirksam oder rechtsmissbräuchlich i. S. v. § 226 BGB sein. Zudem könne einer ausgesprochenen Kündigung der Einwand des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB entgegengehalten werden, so wie dies das Oberlandesgericht Celle in einer besonderen Fallkonstellation, in welcher der Kunde zugleich auch Mitglied der Genossenschaftsbank gewesen sei, in seinem Beschluss vom 08.06.2020, Az. 20 U 45/19 festgehalten habe. Solche besonderen Umstände oder Fallkonstellationen seien vorliegend weder ersichtlich noch vorgetragen, weswegen sich eine Unwirksamkeit der Kündigung auch aus diesen Sondertatbeständen im konkreten Fall nicht ergeben würde.

Schließlich vertritt das Landgericht Stuttgart die Auffassung, dass auch der mit der Ankündigung der Kündigung durch die Volksbank verfolgte Zweck im Rahmen der sogenannten Mittel-Zweck-Relation nicht zu beanstanden sei. Der Versuch der Volksbank, durch die angebotene Vertragsänderung eine rückwirkende Genehmigung der geltenden Preisänderung zu erzielen, sei aus kaufmännischer Sicht nämlich nachvollziehbar und, auch für den Laien erkennbar, objektiv nicht zu beanstanden.

 

PRAXISTIPP 

Soweit ersichtlich hat das Landgericht Stuttgart als erstes Instanzgericht die Ankündigung des Ausspruchs der ordentlichen Kündigung bei Nichterteilung der Zustimmung der Kunden mit der entgeltpflichtigen Fortsetzung ihres Girokontos für rechtswirksam erachtet und klargestellt, dass für Genossenschaftsbanken bei Einhaltung des genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgebot nichts anders gilt. Nach hiesiger Auffassung dürfte auch das Abhängigmachen der entgeltpflichtigen Fortsetzung des Girovertrages von dem Verzicht des Kunden auf die Rückerstattung der in der Vergangenheit unwirksam vereinbarten Kontoführungsentgelte auch wirksam sein. Dies deshalb, weil der Kunde der betroffenen Genossenschaftsbank unmissverständlich und klar auch darauf hingewiesen wurde, dass ihm ein solcher Rückforderungsanspruch gegenüber der Bank zusteht, er somit selbst entscheiden kann, ob er unter Verzicht auf seinen Rückforderungsanspruch seine Geschäftsbeziehung zur Volksbank fortsetzt oder sich aber eine für ihn vermeintlich angenehmere und kostengünstigere Geschäftsbeziehung zu einer anderen Bank sucht (a. A. Fervers, EWiR 8/2022, 228 ff.).


Beitragsnummer: 21656

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