Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In seiner Entscheidung vom 18.01.2022, Az. XI ZR 505/21 (WM 2022, 318), gelangt der Bundesgerichtshof zum Ergebnis, dass die Vereinbarung eines laufzeitunabhängigen Verwaltungskostenbeitrages der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegt, dass sie jedoch den Darlehensnehmer auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung nicht unangemessen benachteiligt und daher AGB-rechtlich wirksam ist.
Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof zunächst aus, dass er, der Senat, selbst durch Auslegung bestimmen kann, welchen Regelungsgehalt eine Allgemeine Geschäftsbedingung enthält, wobei sich die Auslegung nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der Klausel einheitlich danach richtet, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird (Rn. 12), wobei in diesem Zusammenhang auch die kundenfeindlichste Auslegung zur Anwendung kommt.
Sodann hält der Bundesgerichtshof fest, dass es sich bei dem Verwaltungskostenbeitrag nicht deswegen um eine AGB-rechtlich kontrollfreie Preishauptabrede handelt, weil der Verwaltungskostenbeitrag die einzige Gegenleistung für die Gewährung des Darlehens ist. Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof aus, dass für die Einordnung einer Entgeltklausel als kontrollfreie Hauptpreisabrede nicht maßgeblich sei, ob der Vertragspartner des Verwenders im Übrigen für die Hauptleistung ein Entgelt zu leisten hat oder diese unentgeltlich erhält, sondern allein und ausschließlich, ob das Entgelt die Hauptleistung oder eine zusätzlich angebotene rechtlich nicht geregelte Sonderleistung betrifft, was beides auf den Verwaltungskostenbeitrag nicht zutreffen würde (Rn. 16).
Hieran anschließend führt der Bundesgerichtshof aus, dass der laufzeitunabhängige Verwaltungskostenbeitrag gegen das gesetzliche Leitbild des § 488 Abs. 1 BGB verstößt, weswegen grundsätzlich eine unangemessene Benachteiligung indiziert, d. h. vermutet wird. Diese Vermutung sei jedoch widerlegt, wenn die Klausel auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung den Kunden gleichwohl nicht unangemessen benachteiligt, wovon insbesondere dann auszugehen sei, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Zweck auf andere Weise sichergestellt ist (Rn. 22).
Im Rahmen der Gesamtbetrachtung führt der Bundesgerichtshof sodann aus, dass es sich bei einem zinslosen Studiendarlehen um ein außerhalb des allgemeinen Wettbewerbs auf dem Kapitalmarkt vergebenes Förderdarlehen handelt, dessen Zweck die Förderung der Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe ist. Zudem diene die Gewährung von Studiendarlehen nicht der Verfolgung eigenwirtschaftlicher Interessen, sondern erfülle den Satzungszweck, die Volks- und Berufsbildung insbesondere bedürftiger Studierender zu fördern. Der Verwaltungskostenbeitrag werde auch nicht dadurch unangemessen, dass sich dieser mit steigender Darlehenssumme absolut erhöht und nicht gedeckelt sei (Rn. 25).
PRAXISTIPP
Ähnlich wie bei Förderdarlehen gelangt der Bundesgerichtshof auch bei einem zinslosen Studiendarlehen, welches der Förderung bildungspolitischer Ziele oder der Unterstützung hilfsbedürftiger Studierender dient, ganz ausnahmsweise zum Ergebnis, dass trotz indizierter Unwirksamkeit des Verwaltungskostenbeitrags eine unangemessene Benachteiligung des Darlehensnehmers nicht vorliegt, weswegen dieser Kostenbeitrag als AGB-rechtlich wirksam anzusehen ist.
Damit hat der Bundesgerichtshof erneut zum Ausdruck gebracht, dass eine unangemessene Benachteiligung von Entgelten dann nicht in Betracht kommt, wenn diese bestimmten Zwecken dienen und außerhalb des allgemeinen Wettbewerbs auf dem Kapitalmarkt vergeben werden.
Beitragsnummer: 20634