Donnerstag, 3. März 2022

Handlungsoptionen der Kreditinstitute bei Verwahrentgelten

Vorgaben der aktuellen Rechtsprechung

Davor Brcic, VR Bank Tübingen eG 

Roman Jordans, CBH Rechtsanwälte Cornelius Bartenbach Haesemann & Partner Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB 


Einleitung

Die seit langen Jahren andauernde Niedrig- bzw. Negativzinsphase stellt die Kreditwirtschaft vor erhebliche Herausforderungen. Die früher übliche Verdienstmöglichkeit über die Zinsmarge ist so nicht mehr gegeben. Das Vereinnahmen von Entgelten und das Erschließen anderer Einnahmequellen wird daher bedeutsamer.
Vor dem Hintergrund, dass die Einlagefazilität der EZB schon seit langem negativ ist (wenn auch mit Freibeträgen), stellt sich für die Banken und Sparkassen die Frage, ob dieser „Negativ-Zins“ an Kunden weitergegeben werden kann und wenn ja, wie.
Zunächst wurde das Thema akademisch bearbeitet (Tröger, NJW 2015, S. 657 ff. m. w. N.), gefolgt von ersten Gerichtsentscheidungen (LG Tübingen, 26.01.2018 – 4 O 187/17, WM 2018, 226; LG Tübingen, 25.05.2018 – 4 O 225/17; OLG Stuttgart, 27.03.2019 – 4 U 184/18, WM 2019, 1110). Hinzu kommt, dass der BGH mit Entscheidung vom 27.04.2021 den von der Kreditwirtschaft bis dato verwendeten AGB-Änderungsmechanismus für unwirksam erklärt hat, so dass Vereinbarungen auf diesem Wege nicht mehr möglich sind.


Entwicklung der Rechtsprechung

Hinzu kommen in letzter Zeit Gerichtsentscheidungen, die teils zu entgegengesetzten Ergebnissen kommen; mit dem OLG Dresden hatte sich nun ein weiteres Mal ein Obergericht mit dieser Thematik zu beschäftigen.

Das LG Tübingen hatte sich 2018 zunächst mit der Thematik befasst und entschieden, dass eine Vereinbarung eines Verwahrentgelts möglich ist; dort ging es um ein Tagesgeldkonto. Im Rahmen der Vertragsfreiheit sei dies möglich, nicht aber über bloße Einführung in das Preis- und Leistungsverzeichnis. Mit Neukunden könne dies durch entsprechende vertragliche Gestaltung vereinbart werden, mit Bestandskunden ebenfalls, auch hier sei aber eine entsprechende vertragliche Vereinbarung erforderlich. Das gleiche Gericht hatte sich dann bejahend zu negativen Zinssätzen in Riester-Verträgen geäußert, wurde diesbezüglich aber vom OLG Stuttgart aufgehoben. Zudem hatte das LG Tübingen geurteilt, dass ein Verwahrentgelt neben einer Kontoführungsgebühr eine unzulässige Doppelbepreisung darstelle – jedenfalls bei einem Girokonto.

Zuletzt werden vermehrt Gerichtsentscheidungen hierzu bekannt: So hat das LG Leipzig (08.07.2021 – 05 O 640/20) entschieden, dass die dort von der Verbraucherzentrale verklagte Sparkasse zusätzlich zu den Kontoführungsgebühren „Negativzinsen“ vereinnahmen darf. Offenbar hat die Verbraucherzentrale Berufung zum OLG Dresden eingelegt, welches dem Vernehmen nach unter dem Az. 8 U 1389/21 am 18.01.2022 einen Hinweisbeschluss erlassen hat, wonach es die Entscheidung des LG Leipzig aufrechterhalten wolle.

Das LG Berlin (28.10.2021, 16 O 43/21, WM 2021, 2336) hatte zuletzt entschieden, dass ein Verwahrentgelt jedenfalls nicht über Einführung einer entsprechenden Klausel ins Preis- und Leistungsverzeichnis vereinbart werden dürfe. Dies gelte für Giro- und Tagesgeldkonten.

Eine weitere Kammer des LG Berlin hat mit (21.12.2021, 21 O 328/21) entschieden, dass die Verwahrung von Einlagen keine Sonderleistung sei, die gesondert bepreist werden dürfe. Die Entscheidung des Gerichts ging jedoch darüber hinaus. Zusätzlich müsse die beklagte Bank die unrechtmäßig erhobenen Entgelte von sich aus und ohne gesonderte Aufforderung durch die Kunden zurückerstatten. Das LG Berlin verpflichtete die betroffene Bank, dem Bundesverband der Verbraucherzentrale, ersatzweise einem Angehörigen eines zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufs, Namen und Anschriften derjenigen Kunden mitzuteilen, von denen bereits Verwahrentgelte auf rechtswidrige Weise erhoben wurden, damit deren Rückerstattungsansprüche ggf. durchgesetzt werden können. Damit hat sich nach dem OLG Dresden (Urteil vom 10.04.2018 – Az.: 14 U 82/16) ein weiteres Gericht zu der Frage des Umfangs eines zivilrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs (FBA) geäußert. In den jüngeren Entscheidungen des BGH zu Bankentgelten (z. B. zu Bearbeitungsentgelten bei Darlehen) spielte der FBA bisher keine große Rolle. Dies lag insbesondere daran, dass in denjenigen Fällen, in denen es sich tatsächlich um Verbandsklageverfahren von Verbraucherschutzverbänden handelte, die Anträge der klagenden Verbaucherschutzverbände nicht auf Folgenbeseitigung, d. h. Verurteilung zur Rückzahlung oder Berichtigungsschreiben, gerichtet waren, sondern lediglich auf Unterlassung und Bekanntmachung der Urteilsformel (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 03.02.2012 –  Az. 25 O 519/11). Seit einer sehr weitreichenden Entscheidung des OLG Dresden (Urteil vom 10.04.2018 – Az.: 14 U 82/16) ist der FBA wieder in den Fokus der Diskussion bei Bankentgelten gerückt. Nach der vorgenannten Rechtsprechung als auch nach der Rechtsprechung des LG Berlin zu den Verwahrentgelten, können Verbraucherverbände gegen den Verwender unwirksamer allgemeiner Geschäftsbedingungen einen Folgenbeseitigungsanspruch aus dem UWG haben, der z. B. auf Information der Kunden bzw. Berichtigungsschreiben oder Rückzahlung zu unrecht vereinnahmter Entgelte gerichtet sein kann. Umstritten ist bisher insbesondere die Reichweite eines solchen Folgenbeseitigungsanspruches.

Das LG Düsseldorf (22.12.2021 – 12 O 34/21) hält wiederum ein Verwahrentgelt neben einer Kontoführungsgebühr für unzulässig. Das LG Köln (21.12.2021 – 21 O 328/21) hatte die Klage aufgrund zwischenzeitlicher Änderung der Klauseln durch die beklagte Sparkasse abgewiesen. Wie bereits im „Berliner Urteil" zu den Verwahrentgelten wurde durch die klagenden Verbraucherzentralen erneut der FBA durch die beiden erkennenden Gerichte thematisiert. Im Unterschied zum Urteil des LG Berlin vom 28.10.2022 hat das LG Düsseldorf in seiner Entscheidung den ebenfalls eingeklagten Anspruch auf Folgenbeseitigung  aus formellen Gründen verneint. Der richterlich entwickelte FBA aufgrund unwirksamer AGB, insbesondere für rechtswidrig vereinnahmte Entgelte, ist ein vergleichsweise „junges Phänomen“. Ausgangspunkt hierbei sind die von Verbraucherschutzverbänden ausgemachten Defizite bei der individuellen Anspruchsverfolgung. Für den Einzelnen lohnt sich eine Verfolgung von Kleinstansprüchen „ökonomisch“ nicht, zudem kostet jede Klage „Zeit und Geld“, was auf Verbraucherseite zu einem Hemmnis bei der Anspruchsverfolgung führen kann. Daher ist davon auszugehen, dass die Thematik der FBA neben den Verwahrentgelten in der nächsten Zeit die Gerichte beschäftigen wird. Banken werden die Entwicklung der Rechtsprechung bei beiden Themen im Blick haben müssen. 


PRAXISTIPPS

Damit stellt sich für die Banken und Sparkassen die Frage, welche Handlungsoptionen hier derzeit noch bestehen und ob und wie Verwahrentgelte vereinbart werden können.

  • Insbesondere herrscht daher derzeit Unsicherheit, ob bei einem Girokonto, das dem Zahlungsverkehr dient, ein Verwahrentgelt neben einer Kontoführungsgebühr vereinbart werden kann. Fraglich ist, ob die Leistung „Verwahrung eines Guthabens“ integraler Bestandteil des Zahlungsdienstes ist und daher über ein Kontoführungsentgelt hinaus nicht bepreist werden kann oder ob dies eine vom Zahlungsdienstvertrag losgelöste Leistung ist, die daher separat bepreist werden kann. Hier ist denkbar, statt eines Verwahrentgelts neben einem Kontoführungsentgelt ein erhöhtes Kontoführungsentgelt zu vereinbaren, das ggf. je nach Einlagen höher zu staffeln wäre.
  • Für Tagesgeldkonten und Festgeldkonten, die nicht dem Zahlungsverkehr dienen und daher auch nicht als Zahlungsdiensteverträge anzusehen sind, dürfte daher ein Verwahrentgelt nach den bisherigen instanzgerichtlichen Entscheidungen eher möglich sein, sollte aber aus Vorsichtsgründen separat vereinbart werden.

Beitragsnummer: 20594

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