Donnerstag, 17. Februar 2022

Der „neue“ institutsspezifische Kapitalpuffer für systemische Risiken

Überlegungen zur bankinternen Abbildung des Kapitalpuffers für systemische Risiken auf Wohnimmobilien in der Risikotragfähigkeit

Prof. Dr. Dirk Heithecker, Professur für Quantitative Methoden und Corporate Finance, Hochschule Hannover und Fachreferent, Strategisches Risikomanagement, Volkswagen Bank GmbH

 

Die in dieser Publikation vertretenen Auffassungen geben ausschließlich die persönliche Meinung des Autors wieder.

Mit der Anhörung zur Anordnung eines Kapitalpuffers für systemische Risiken durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) liegt erstmalig in der EU ein Vorschlag zur Umsetzung eines sektoralen Kapitalpuffer vor.[1] Demnach soll eine zusätzliche Eigenmittelanforderung von zwei Prozent auf Finanzierungen von Wohnimmobilien in Deutschland ab Februar 2023 erhoben werden. In dem vorliegenden Beitrag werden die aufsichtlichen Berechnungsvorgaben erörtert und die Überleitung zu einer „neuen“ institutsspezifischen Kapital-Quote aufgezeigt.

 

Berechnungsvorgaben zum sektoralen Systemrisikopuffer

Die Möglichkeit der Erhebung des Kapitalpuffers für systemische Risiken resultiert aus § 10e KWG und § 36a SolvV, die Art. 133 CRD[2] national regeln. Durch die sektorale Anwendung auf Finanzierungen von Wohnimmobilien ergibt sich erstmalig ein zusätzlicher Eigenmittelbedarf für eine Teilgruppe von Risikopositionen.[3] Zudem sieht die gesetzliche Berechnungsvorschrift unmittelbar die Ermittlung der zusätzlichen absoluten Kapitalanforderung vor (vgl. Tabelle 1).[4] Der nicht quotale Ausweis des Puffers ist nicht passend zu üblichen Darstellungen in Risikomanagementprozessen. So wird in der Kapitalplanung üblicherweise die erreichte oder geplante Kapitalquote mit der aufsichtsrechtlich geforderten Kapitalquote verglichen.[5] Auch das Meldewesen-Reporting (COREP) fordert die Gesamtkapitalquote, die die Systemrisikopuffer-Quote inkludiert.[6] Und auch in aufsichtlichen Stresstests ist der Wert als Quote vorgesehen.[7]


 

Tabelle 1: Berechnung der Eigenmittelanforderung des Kapitalpuffers für systemische Risiken (eigene Darstellung nach § 36a Abs. 2 SolvV bzw. Art. 133 Abs. (2) CRD)


 

Tabelle 2: Berechnung einer institutsspezifischen Kapitalpufferquote für systemische Risiken (eigene Überlegungen auf Basis § 36a Abs. 2 SolvV i. V. m. § 10d Abs. 2 KWG)

 

Lösungsansatz im Umgang in Risikomanagementprozessen

Die notwendige Anpassung für eine quotale Darstellung ist in Tabelle 2 dargestellt. Demnach kann der Ausweis der Eigenmittelanforderung auch anteilig am Gesamtrisikobetrag gem. Art. 92 Abs. 2 CRR erfolgen. Die Quote liegt dann durch die sektoralen Pufferquoten und die institutsindividuellen Gesamtrisikobeträge institutsspezifisch vor. Die sektoralen Pufferquoten gehen als gewichteter Durchschnitt der jeweiligen Quotenanforderungen der Teilgruppen i in die institutsspezifische Systemrisikopuffer-Quote ein. Diese Vorgehensweise entspricht der Berechnung der institutsspezifischen antizyklischen Kapitalpuffer-Quote, die allerdings explizit im Kreditwesengesetz geregelt ist.[8] Der dort beschriebene gewichtete Durchschnitt bezieht sich jedoch auch im Nenner nur auf die für Gesamtkapitalanforderungen für das Kreditrisiko.[9] Diese abweichende Vorgehensweise zur neuen institutsspezifischen Systemrisikopuffer-Quote ergibt sich aus den Definitionen nach § 36a Abs. 2 Nr. 3 und den Vorgaben zur quotenbasierten Ermittlung der Kapitalanforderung gem. SREP-Guideline.[10] Die Gewichtungsfaktoren der jeweiligen Quotenanforderungen der Teilgruppen i summieren sich somit nicht zu 1.

 

Fazit

Bei Einführung des sektoralen Kapitalpuffers für Systemrisiken ergibt sich für Kreditinstitute die Einführung einer neuen institutsspezifischen Kapitalpuffer-Quote, die so in den aufsichtlichen Vorgaben nicht beschrieben wird. Die notwendige Durchschnittsbildung erfolgt gewichtet über den betroffenen Kreditrisiko-Gesamtrisikobetrag bezogen zum Gesamtrisikobetrag aller Risikoarten. Die Systemrisikopuffer-Quote schwankt somit stichtagsabhängig und bedarf – wie die antizyklische Kapitalpuffer-Quote – einer genaueren Analyse in der Kapitalplanung.

 

PRAXISTIPPS

  • Machen Sie sich mit der Arithmetik der sektoralen Systemrisikopuffer-Quoten vertraut und prüfen Sie die Umsetzung in Ihren IT-Systemen (Meldewesen, Risikotragfähigkeit).
  • Diskutieren Sie zur institutsspezifischen antizyklischen Kapitalpuffer-Quote abweichende Durchschnittbildung mit Ihrem Aufseher, Wirtschaftsprüfer und IT-Provider.
  • Überlegen Sie, in welcher Weise Ihre Geschäftsplanung sich auf die Entwicklung der sektoralen Systemrisikopuffer-Quoten auf Finanzierungen von Wohnimmobilien auswirkt.



[1] BaFin (2022): Anhörung zur Anordnung eines Kapitalpuffers für systemische Risiken, Geschäftszeichen IFS 3-QA 2103-2022/0001, vom 12.01.2022 und Heithecker (2022): Erstanwendung des sektoralen Systemrisikopuffers in: Banken-Times SPEZIAL Kreditgeschäft & Immobilienfinanzierung April/Mai 2022. Zur Analyse des Worts „sektoral“ vgl. auch die Ausführungen dort in Fn. 6.

[2] Vgl. CRD (2021): Richtlinie (EU) Nr. 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, consolidated text, abgerufen hier zuletzt am 02.02.2022, nachfolgend kurz CRD.

[3] Vgl. Heithecker (2022), a. a. O.

[4] Vgl. CRR (2022): Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, consolidated text, abgerufen hier zuletzt am 02.02.2022, nachfolgend kurz CRR.

[5] Vgl. BBk/BaFin (2018): Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, S. 10 ff. und EZB (2018): Leitfaden der EZB für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), November, S. 19.

[6] Vgl. EBA (2021a): Reporting framework 3.0 - ITS on supervisory reporting, Annex 1 (Solvency), Template C03.00, abgerufen hier am 02.02.2022 und EBA (2018): Guidelines on common procedures and methodologies for the supervisory review and evaluation process (SREP) and supervisory stress testing, Consolidated version, insbesondere Tz. 379.

[7] Vgl. bspw. EBA (2021b): EBA publishes the methodology for the 2021 EU-wide stress test, Templates (Excel), CSV-Capital, abgerufen hier zuletzt am 02.02.2022.

[8] Vgl. § 10d Abs. 2 KWG.

[9] Die institutsspezifische antizyklische Kapitalpuffer-Quote bezieht sich dabei auf die Eigenmittelgesamtanforderungen und nicht auf den Gesamtrisikobetrag, vgl. § 10d Abs. 2 S. 2 KWG.

[10] Vgl. EBA (20211), a. a. O. und EBA (2018), a. a. O.


Beitragsnummer: 20581

Beitrag teilen:

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Das makroprudenzielle Maßnahmenpaket in der Kapitalplanung

Reaktivierung des antizyklischen Puffers und Neueinführung eines sektoralen Systemrisikopuffers haben potenzielle Auswirkungen auf den Kapitalplanungsprozess

19.04.2022

Beitragsicon
Recht und Praxis in Geschäftsbeziehungen zu Maklern

Fallende Immobilienpreise bei teilweise hoher Nachfrage: Dies wirkt sich auf das Dreiecksverhältnis zwischen Eigentümer, Makler und Erwerbsinteressent aus.

29.11.2023

Beitragsicon
Normative Perspektive der Risikotragfähigkeit – Prüfungserfahrungen

Kernelemente der normativen Sicht zeigen der Bankpraxis wiederholt Schwächen auf. In der „neuen RTF-Welt“ rechtzeitig die möglichen Schwächen identifizieren.

16.01.2024

Beitragsicon
Einfluss der ICAAP-Umstellung auf den SREP-Zuschlag

Steigende regulatorische Vorgaben für das Eigenkapital erfordern eine Analyse von Engpassfaktoren. Der SREP-Bucket für weitere Risiken wird wichtiger.

21.11.2023

Beitragsicon
Die Behandlung von Nachhaltigkeitsrisiken in den neuen MaRisk

Die neuen MaRisk sorgen in vielen Fällen für mehr Klarheit bezüglich der Behandlung von Nachhaltigkeitsrisiken in der Gesamtbanksteuerung.

26.01.2024

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.