Donnerstag, 17. März 2022

Rechtsfragen zu Negativzinsen im Kreditgeschäft

Dr. Jörg Lauer, Rechtsanwalt, langjährige Geschäftsverantwortung im Immobilienfinanzierungsgeschäft im Landesbankenbereich, Lehrbeauftragter an der Akademie der Hochschule Biberach, Hemsbach

I. Einleitung 

Mit dem Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.10.2021[1] liegt – soweit ersichtlich – ein erstes obergerichtliches Urteil vor, das sich mit den Rechtsfragen im Zusammenhang mit Negativzinsen im Kreditgeschäft befasst[2]. Instanzgerichte haben diese Rechtsfragen, teilweise divergierend, entschieden. 

Die zugrundeliegenden Sachverhalte sind unstreitig: Bei Schuldscheindarlehen wurde jeweils eine Verzinsung vereinbart, wonach sich der Zinssatz aus einem variablen Referenzzinssatz – dem EURIBOR – und der Marge zusammensetzt[3]. Während der Laufzeit der jeweiligen Darlehen wurde jedoch der Referenzzinssatz ab 2014/2015 negativ. 

Infolgedessen wurde die Auffassung vertreten, dass bei einer vertraglichen Zins-Regelung, die auf einem variablen Referenzzinssatz aufbaut, auch mögliche negative Referenzsätze von der Vereinbarung von vorneherein umfasst seien, mit der Folge, dass letztlich der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer diese Negativzinsen zu zahlen habe. Damit würden sich also die Zahlungsströme im Darlehensverhältnis entgegen den „üblichen“ Regelungen umkehren. Ob diese Auffassung rechtlich tragfähig ist, das ist die Kernfrage, die das OLG Düsseldorf zu entscheiden hatte und die hier im Kontext zu den bislang hierzu ergangenen Entscheidungen behandelt wird.

Die durch die Problematik der Negativzinsen im Darlehensverhältnis ausgelösten Rechtsfragen haben ihre Wurzeln im Darlehensrecht (s. u. II.); darüber hinaus setzen sich die bisher befassten Gerichte mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (s. u. III.) auseinander.

II. Darlehensrecht

Im Zentrum steht § 488 Abs. 1 BGB. Die grundlegende Vorschrift definiert als vertragstypisch, dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer den vereinbarten Geldbetrag zur Verfügung stellt und dieser dafür den vereinbarten Zins an den Darlehensgeber zahlt (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sie gilt sowohl für fest als auch für variabel verzinsliche Darlehen.

Die Vertragsparteien – so stellt das OLG fest[4] –, haben unstreitig einen Darlehensvertrag (unter mehrfacher Verwendung des Wortes „Darlehen“) mit einer jährlichen Verzinsungspflicht geschlossen. Die Verwendung des Wortes „Zins“ – so das Gericht weiter – bedeutet sowohl nach der Wortherkunft als auch nach seinem historischen Verständnis, dass der „Zinsschuldner“ etwas an seinen „Zinsgläubiger“ zu leisten hat und umgekehrt, dass der „Zinsgläubiger“ aufgrund vereinbarter Zinszahlungspflichten etwas von seinem „Zinsschuldner“ erhält. Genau diesem Verständnis entspricht § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Bislang bejaht – soweit überschaubar – nur ein instanzgerichtliches Urteil nach einer rein mathematischen Auslegung „umgekehrte“ Zinszahlungspflichten: [...]
Beitragsnummer: 19558

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