Freitag, 6. Mai 2022

Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz im Risikomanagement

Dominik, Leichinger, Prüfungsleiter, Referat Bankgeschäftliche Prüfungen 2, Hauptverwaltung in NRW, Deutsche Bundesbank[1] 

Die durch das Niedrigzinsumfeld belastete Ertragslage in der Bankenlandschaft führte zu einer zunehmenden Fokussierung der Institute auf ihre Kostenstruktur, mit dem Ziel, Geschäftsprozesse kosteneffizienter auszugestalten. Ein wichtiger Hebel hierbei stellte die zunehmende Digitalisierung der Geschäftstätigkeit dar. Die Bedeutung der digitalen Transformation für das Bankgeschäft zeigte sich umso deutlicher in Zeiten der Covid-19-Pandemie. Stand bei den Bankprodukten lange Zeit insbesondere der Preis im Fokus des Wettbewerbs, stieg im Zuge der pandemiebedingten Begrenzung von Kontakten die Notwendigkeit digitale Geschäftsmodelle auf- und auszubauen und das Leistungsangebot verstärkt über (digitale) Komponenten abzugrenzen.

Mit der digitalen Transformation gehen auch größere verfügbare Datenmengen einher, die sich Institute sowohl im Rahmen der geschäftsstrategischen Positionierung und einer kosteneffizienten Ausgestaltung von Prozessen, aber auch im Kontext des Risikomanagements zu Nutze machen können.

Bereits in einer spekulativen Studie der BaFin (Big Data trifft auf künstliche Intelligenz, kurz BDAI) von Juni 2018 wird konstatiert, dass über die Verfügbarkeit großer digitaler Datenmengen (Big Data) und fortgeschrittene Verfahren zur Analyse und Nutzung der Daten (Artificial Intelligence) erhebliches Innovationspotenzial im Bankensektor gehoben werden kann. Zu nennen ist hier u. a. eine höhere Automation auch von komplexeren Prozessen oder eine weitere Präzisierung von Risikomodellen (vgl. BaFin, BDAI Studie, erschienen am 15.06.2018). Bei der Aufbereitung und Analyse von Daten sind vor allem Methoden des maschinellen Lernens in den Vordergrund gerückt.

Im Juli 2021 hat sich die deutsche Aufsicht mit einem Konsultationspapier „Maschinelles Lernen in Risikomodellen – Charakteristika und aufsichtliche Schwerpunkte“ an die Kreditwirtschaft gewandt. Das Konsultationspapier geht vor allem auf die Charakteristika von maschinellem Lernen (ML) bei Risikomodellen, die im Rahmen der Säule I oder Säule II Anwendung finden, und die aufsichtliche Behandlung ein. Ohne einen Anspruch auf eine allgemeingültige Definition von ML-Methoden zu erheben, erfolgt die Abgrenzung zu „tradierten“ Methoden über charakteristische Eigenschaften

  • der Methodik und Datengrundlage,
  • der Nutzung des Outputs und
  • der verwendeten IT-Infrastruktur

(vgl. Abschnitt II im Konsultationspapier).

Nach Ansicht der Aufsicht erfordert der Einsatz von ML-Methoden bei Risikomodellen „keine grundsätzlich neue Aufsichtspraxis“ (vgl. Abschnitt III. im Konsultationspapier). Während die aufsichtlichen Anforderungen an Säule I-Modelle insbesondere in der Verordnung (EU) No 575/2013 kodifiziert sind, erstrecken sich die prinzipienorientierten Anforderungen der MaRisk im Wesentlichen auf die im Kontext der Säule II verwendeten Modelle. So findet beispielsweise das im Aufsichtsrecht verankerte Proportionalitätsprinzip auch bei der Beurteilung von ML-Methoden Anwendung (bezugnehmend auf die Charakteristika der ML-Methoden). Insofern ist der aufsichtliche Regulierungsansatz als technologieneutral einzustufen.

Im Fokus der aufsichtlichen Betrachtung liegt vor allem das mit den ML-Methoden verbundene Risiko. Treiber von Modellrisiken liegen u. a. in der Qualität der den Methoden zugrundeliegenden Datenbasis und dem Umfang der vom Institut durchgeführten Validierungshandlungen zur Beurteilung der Güte eingesetzter Risikomodelle. Zudem wirken sich auch die durchlaufenen Test- und Freigabeverfahren im Zuge der technischen Modellimplementierung sowie die Verwendung der Modellergebnisse innerhalb der Gesamtbanksteuerung auf das Modellrisiko aus. 

Des Weiteren ist hervorzuheben, dass die Verwendung von ML-Methoden bei Risikomodellen nicht hin zu einer „Black Box“ führen darf, was das Verständnis über ein Modell und die Erklärbarkeit des Modells angeht. Sowohl die Entwicklung als auch die Verwendung ML-basierter Modelle sollte stets nachvollziehbar sein.

Die Konsultation hat zudem ergeben, dass ML-Methoden bereits in verschiedenen Bereichen der Kreditwirtschaft Anwendung finden. Etwa im Rahmen der Geldwäsche- und Betrugserkennung, oder in der Kreditanalyse (vgl. BaFin, BaFin Journal, Februar 2022).

PRAXISTIPPS

  • Evaluierung in welchen Bereichen der Einsatz von ML-Methoden zu einer Verbesserung des Risikomanagements führen kann.
  • Um Modellrisiken zu begrenzen, sollten Institute solide und robuste Verfahren zur Entwicklung und Validierung von Risikomodellen implementiert haben und einen besonderen Fokus auf die Datenqualität legen.
  • Berücksichtigung von erforderlichem Aus- und Weiterbildungsbedarf bei der Verwendung von ML-Methoden in Risikomodellen.


[1]  Die in dieser Publikation vertretenen Auffassungen geben die persönliche Meinung des Autors wieder und sind nicht notwendigerweise Positionen der Deutschen Bundesbank oder einer anderen Bankenaufsichtsbehörde.


Beitragsnummer: 19549

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