Dienstag, 25. Januar 2022

Bilanzmanipulationen – Prävention in/nach der Krise

Bonitätskaschierung im Firmenkundengeschäft • Krediterschleichung • Bilanz- und GuV-seitige Risiko-/Problembereiche

Thomas Kohlhase, Senior Credit Analyst, Fixed Income, Ampega Asset Management GmbH

Hintergrund

Bilanzmanipulationen rücken immer dann in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit, wenn es sich um pressewirksame Schadensfälle, wie zum Beispiel im Fall Wirecard, handelt. Daneben gibt es aber eine Vielzahl weiterer Bilanzmanipulationen, insbesondere mittelständischer Unternehmen, die unmittelbar die kreditgebenden Institute treffen und deren Schadensumfang oftmals unterschätzt wird. Ebenso haben im Windschatten von Krisen, wo staatliche Hilfen in Fülle ausgeschüttet werden, Unternehmen und Privatpersonen erhöhte Anreize manipulativ zu agieren, um in den Genuss dieser Auszahlungen zu kommen. 

Auch Regulierung und eine vermeintlich stringente Aufsicht schützen nicht unbedingt vor Betrug und Verlusten. Nicht selten ging in diesen Fällen dem Knall ein aggressives Wachstum voraus. Ohnehin kommt es wellenförmig immer wieder bei stark wachsenden Unternehmen oder Branchen vor, dass die internen Kontrollsysteme nicht adäquat mitwachsen. Hier entstehen nicht selten Strukturen und ein kulturelles Umfeld, das Manipulation, Betrug und kriminelles Handeln erleichtern.

Eine Sensibilisierung der Fach- und Führungskräfte aus den Bereichen Firmenkunden/Analyse-Marktfolge, Problemkredite und Kreditrevision bzgl. möglicher Manipulationspraktiken und deren Ansätze schafft eine gute Ausgangsbasis, dieses nicht zu unterschätzende operationelle Risiko deutlich zu minimieren. 

Abgrenzung Bilanzgestaltung vs. Bilanzmanipulation

Die klassische Bilanzanalyse mit ihren Ansprüchen, die zur Verfügung stehenden Unternehmensdaten adäquat aufzubereiten, um eine adäquate Bewertung bzw. Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens zu erhalten, stößt jedoch regelmäßig an ihre Grenzen. Gängige Problemfelder der Bilanzanalyse sind u. a.:

  • Unvollständigkeit der Informationen
  • Verwendung von veraltetem Zahlenmaterial
  • Fehlen eines objektiven Vergleichsmaßstabes
  • Komprimierung der Sachverhalte

Bei der Bilanzgestaltung geht es um die legale Ausnutzung eines nach den einschlägigen Bilanzierungsregelungen (z. B. HGB, IFRS) möglichen Handlungsspielraums. So kann der Abschlussersteller im Rahmen zulässiger Ansatz- und Bewertungsvorschriften die Finanzberichterstattung legal, z. B. durch eine zeitliche Verlagerung von Geschäftsvorfällen (z. B. vorzeitige Gewinnausschüttung durch Beteiligungsgesellschaften) oder einer originären Gestaltung (z. B. Sale-Lease-Back-Verfahren), für den Adressatenkreis in einem positiveren Licht darstellen.

Bei der Bilanzmanipulation wird indes bewusst gegen bestehende Ansatz-, Bilanzierungs- und Bewertungsregeln, wie z. B. des HGBs, verstoßen. Gemäß § 331 Nr. 1 HGB wird die Manipulation des Jahresabschlusses als Straftat eingeordnet.

Die Möglichkeiten das Rechnungswesen zu manipulieren sind vielfältig. Die Bilanzmanipulation hat eine verschönte Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zum Ziel. Dies kann u. a. zu einer inkorrekten Bilanzierung dem Grunde nach (unzulässiger Ansatz von Vermögensgegenständen bzw. Erträgen sowie unterlassene Berücksichtigung von Schulden bzw. Aufwendungen) und/oder in einer bewusst falschen Bilanzierung der Höhe nach (überhöhte Bewertung von Vermögen bzw. zu geringe Bewertung von Schulden) erfolgen. 

Manipulationsmöglichkeiten ergeben sich u. a. durch:

  • Unrichtige Bewertung von Vermögensgegenständen
  • Fiktive oder nicht periodengerechte Umsätze (z. B. durch Scheinverkäufe)
  • Zeitlich versetzte Buchungen (z. B. notwendige Einzelwertberichtigungen auf zweifelhafte Forderungen werden erst nach dem Bilanzstichtag gebucht)
  • Verschleierte Verbindlichkeiten oder Aufwendungen (z. B. Ausgaben werden nicht erfolgswirksam gebucht, sondern als Investitionen aktiviert)

Eine zielgerechte Bilanzanalyse kann es ermöglichen, Bilanzmanipulationen frühzeitig aufzudecken. Aufgabe muss es sein, die zur Verfügung stehenden Unternehmensdaten adäquat aufzubereiten, zu untersuchen sowie zu bewerten, ob die darin enthaltenen Informationen der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens entsprechen. 

Mögliche „Red Flags“ zur Sensibilisierung und frühzeitigem Erkennen von Bilanzmanipulation

Nachfolgend sind exemplarisch Auffälligkeiten („Red Flags“) aufgeführt, die auf eine mögliche Bilanzmanipulation hinweisen können:

  • Vorverlagerung zukünftiger Umsatzerlöse und damit ein Verstoß gegen das Realisationsprinzip
  • Spezialfall: Produkte werden am Jahresende an Kunden verkauft, verlassen aber das Lager nicht und werden zu Beginn des Folgejahres als Transaktion wieder storniert – ggf. hohe Stornoquoten zu Beginn eines Geschäftsjahres (bezogen auf die Vorjahresumsätze)
  • Unplausible Veränderung der Umsatzerlöse, insbesondere überdurchschnittlicher Anstieg in Geschäftsfeldern ohne starkes Wachstumspotenzial oder in einem schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfeld (Peer- und Branchenvergleich)
  • Ungewöhnlicher Anstieg der Forderungsaußenstände – auffällige Altersstruktur von Forderungen (oder Verbindlichkeiten)
  • Ungewöhnlicher Anstieg des Rohgewinns (Vergleich mit Vorjahresdaten und/oder auch im Vergleich zu Unternehmen derselben Branche)
  • Negativer Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit bei gleichzeitiger Zunahme des Gewinns
  • Ungewöhnliche Erhöhung der Anzahl der Tage bevor Verbindlichkeiten beglichen werden
  • Ungewöhnliche Veränderungen des Verhältnisses zwischen Anlagevermögen und Abschreibungen
  • Nicht zwingend notwendige Änderung der Unternehmensstruktur hin zu einer extrem komplexen Organisationsstruktur mit ungewöhnlichen rechtlichen Einheiten und nicht prüfungspflichtigen Gesellschaften

PRAXISTIPPS

  • Versuchen Sie Fach- und Führungskräfte aus den Bereichen Firmenkunden/Analyse-Marktfolge, Problemkredite und Kreditrevision bzgl. möglicher Manipulationspraktiken zu sensibilisieren. Dies schafft eine gute Ausgangsbasis, dieses nicht zu unterschätzende operationelle Risiko deutlich zu minimieren. 
  • Bei Verdacht auf Bilanzmanipulation auf Neugeschäft verzichten und bei Bestandskunden entsprechende Maßnahmen bis hin zur Strafverfolgung einleiten.
  • Analysieren Sie die Jahresabschlüsse selbst oder mit Hilfe externer Spezialisten; vertrauen Sie nicht alleine auf Analysten, Aufsichtsbehörden oder uneingeschränkte Testate; es besteht die Gefahr, dass diese eigene Ziele verfolgen könnten.
  • Scheuen Sie sich nicht, an Ihre Kreditnehmer kritische Fragen zu stellen, wenn Sie bei Ihrer Analyse der Jahresabschlüsse „Red Flags“ identifiziert haben.
  • Lassen Sie sich bei Antworten auf Ihre Fragen nicht mit allgemein gültigen Aussagen „abspeisen“; insbesondere dann, wenn der Kreditnehmer versucht, wiederholt fehlerhafte Rechnungslegung mit dem Verweis auf die Wesentlichkeit zu rechtfertigen.

Beitragsnummer: 19535

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