Montag, 12. Dezember 2022

Betrügern Grenzen setzen

Internationaler Datenabgleich schützt Kreditgeber vor missbräuchlichem Umgang mit Sicherheiten

Frank Schottenheim, Director Financial Institutions, Risikomanagement, PS Team GmbH

 

I. Industrie in der Zwickmühle

Die Wirtschaftsauskunftei Crif ermittelte im November 2022, dass mehr als 300.000 Unternehmen in Deutschland in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Das sind 15,6 % mehr als noch im März 2022. Insgesamt geht der Informationsdienstleister von 14.500 Firmeninsolvenzen im Jahr 2022 aus. Im kommenden Jahr sollen es gar 17.000 werden. Auch Dr. Olaf Zinke, Redakteur des Branchendienstes agrarheute und langjähriger Beobachter der Agrar- und Rohstoffmärkte, erwartet eine tiefe und andauernde Rezession. Und Steffen Müller, Institut für Wirtschaftsforschung Halle, warnt: „Die steigenden Insolvenzzahlen zeigen, dass viele Unternehmen mit dauerhaften Kostensteigerungen rechnen, die ihr Geschäftsmodell unrentabel werden lassen.“ Das bestätigen Zahlen aus der Metall- und Elektroindustrie: Im Vergleich zum Jahr 2020 sind die Einkaufskosten um rund 40 % gestiegen, wobei es die gesamtwirtschaftliche Lage nicht zulässt, die Kosten an die Kunden weiterzugeben.

 

II. „Transmissionsriemen für die Wirtschaft“

Da auf der anderen Seite Kredite teurer werden, bleiben den angeschlagenen Unternehmen wenige Optionen. Eine EZB-Umfrage ergab, dass die Banken bereits auf die angespannte Situation reagieren, indem sie höhere Risikoaufschläge verlangen. „Die deutschen Banken stehen eng an der Seite ihrer Geschäftskunden und suchen gemeinsam nach Lösungen, wenn es um die Behebung möglicher Liquiditätslücken, die Anpassung der Geschäftsmodelle sowie Investitionen in die Transformation geht“, so der Bundesverband deutscher Banken. Um ihrer Rolle als „Transmissionsriemen für die Wirtschaft“ weiter gerecht zu werden, können sie allerding gerade in diesen Zeiten allenfalls behutsam an der Preisschraube drehen.

 

III. Erschwingliche Kredite dank Risikomanagement

In den letzten Jahren setzte sich in der Branche die Erkenntnis durch, dass ein umfassendes Risikomanagement der effektivste Hebel ist, um Finanzierungskonditionen stabil zu halten und den Kundenstamm im gewerblichen Bereich nachhaltig zu pflegen und auszubauen. In der Mobilienfinanzierung liegt das Augenmerk dabei auf dem Schutz der dinglichen Sicherheiten.

 

1. Betrugsprävention: Plattform mit Geschichte

Bereits im Jahr 2010 wandten sich Banken und Leasinggesellschaften an PS Team. Damals suchten sie nach Lösungen, um dingliche Sicherheiten – speziell Pkw – vor Betrug zu schützen. Es entstand ein Register, über das sich Fahrgestellnummern abgleichen und Doppel-, Mehrfach- und Luftfinanzierungen von Fahrzeugen vollautomatisch aufdecken und somit vermeiden ließen. Schnell wurde klar, dass sich ein solches Register auch für hochwertige Investitionsgüter wie Bau-, Land- und sonstige Maschinen eignete. Beide Varianten wirkten: Betrugsfälle wurden frühzeitig aufgedeckt und auf diese Weise Schäden in Millionenhöhe verhindert. Außerdem hatte die Lösung einen präventiven Effekt, da Sicherheiten aus den Beständen anderer Institute bereits vor Vertragsabschluss identifiziert und gar nicht erst akzeptiert wurden. Hinzu kam, dass auch Betrüger von der neuen Prüfpraxis erfuhren und auf allzu dreiste Aktionen lieber verzichteten. Heute hat das Register in Deutschland, Benelux und Frankeich einen festen Platz im Risikomanagement. Dabei regeln die beteiligten Finanzdienstleister mehr als 80 % der aufgedeckten Doppel- und Mehrfachfinanzierungen ohne wirtschaftlichen Schaden.

 

2. Spedition Minag: leider kein Einzelfall

Mitte des letzten Jahrzehnts kam es bei einem Testlauf in Spanien zu einer denkwürdigen Entdeckung: Das System meldete mehr als 70 bereits mit Krediten belastete Dumper, Sattelzug- und Baumaschinen mit einem geschätzten Wert von über 35 Mio. €. Sie waren im Rahmen der spektakulären Insolvenz der Minag Mineraliengesellschaft mbH zur internationalen Fahndung ausgeschrieben. Der Insolvenzverwalter hatte herausgefunden, dass die auf die Beförderung von Schüttgut und Vermietung von Baumaschinen spezialisierte Spedition aus dem Landkreis Regensburg über 300 geleaste Lkw und Auflieger ohne Kraftfahrzeugbrief ins Ausland verkauft hatte. Anders als Betrugsfälle innerhalb eines Landes war es bisher Glückssache, Mehrfachfinanzierungen in einem internationalen Rahmen aufzudecken. So liefert die Betrugspräventionsplattform gute Ergebnisse innerhalb eines Marktes, erlaubt aber zurzeit noch keine Aussagen darüber, ob ein Asset bereits in einem anderen Land finanziert wird. Das gilt auch für Finanzierer mit Sitz in mehreren Ländern. Sie können ihre Bestände nicht konzernweit abgleichen.

 

3. Internationaler Datenabgleich

Für den internationalen Datenabgleich müssen verschiedene technologische Voraussetzungen erfüllt sein. Eine zentrale Hürde hat die Lösung bereits genommen, ist sie doch dazu in der Lage, unstrukturierte Daten in sehr großer Menge zu analysieren. Die Plattform hat sich in den vergangenen zwölf Jahren in dieser Hinsicht als sehr robust und performant erwiesen: Sie prüft monatlich mehr als 1,1 Mio. hochwertige Objekte. Für den internationalen Abgleich muss sie zudem mehrsprachenfähig sein. Dazu setzen die Entwickler Künstliche Intelligenz (KI) ein und nutzen Natural Language Processing, das von digitalen Assistenten wie Alexa und Siri bekannt ist. In internationalen Tests mit ausgewählten Partnern haben sich die technologischen Erweiterungen bewährt. Außerdem läuft eine Marktstudie, mit der das tatsächliche Risikopotenzial länderübergreifender Doppel- oder Mehrfachfinanzierungen bestimmt werden soll. Es ist geplant, die Lösung bis zum zweiten Quartal 2023 zur Marktreife zu bringen.

 

IV. Zwischen blindem Aktionismus und Perfektionismus

Die Zeit, die bis zum Launch der Technologie für die länderübergreifende Betrugsprävention vergeht, zeigt, dass es für komplexe Fragen keine aus der Hüfte geschossenen Lösungen gibt. Auf der anderen Seite sei auch davor gewarnt, sich in Trockenübungen auf alle vorstellbaren Eventualitäten einzustellen und auf diese Weise in der Planungsphase festzustecken. Während sich das Register in Kontinentaleuropa im praktischen Einsatz bewährt, geht man in Großbritannien derzeit noch auf Nummer sicher mit dem Ergebnis, dass es noch keine systemgestützte Suche nach mehrfachfinanzierten Maschinen und Anlagen gibt. Nach der Insolvenz von Arena TV und dem damit verbundenen Betrugsfall sah sich die Branche gefordert zu handeln. Der Schaden belief sich auf 300 Mio. Pfund (knapp 350 Mio. €) und es waren nicht weniger als 55 Kreditgeber betroffen (siehe hierzu auch Beitrag in der 03-04er Ausgabe des ForderungsPraktiker). 

Um die Voraussetzungen für einen Datenabgleich zu schaffen, suchten die Finanzinstitute den Schulterschluss mit der Politik. Sie solle, so die Idee, die Hersteller dazu verpflichten, Daten ihrer Maschinen und Anlagen zugänglich zu machen. Das wäre allerdings mit jahrelangen Verhandlungen verbunden, wenn es überhaupt durchsetzbar ist. Anbieter und Produktbeirat des Asset-Registers gehen stattdessen einen pragmatischen Weg. Sie orientieren sich an der Nutzerfreundlichkeit der Lösung: Daten zu sammeln und einzugeben soll mit geringem Aufwand möglich sein. Dank der KI-Logik kann das System auch Datenfragmente auswerten und vervollständigen und liefert sofort erst Ergebnisse. Die Anforderungen des Risikomanagements werden damit zu über 90 % abgedeckt. Über die noch fehlenden zehn Prozent kann sich die Finanzwelt Gedanken machen, wenn ein Monitoring der Sicherheiten in allen Ländern Europas halbwegs garantiert ist. Erst dann hat die Branche den Kopf frei für Luxusprobleme.

 

PRAXISTIPPS

  • Bevor Sie Ihre Kunden mit zu hohen Risikoaufschlägen abschrecken, prüfen Sie, inwiefern Sie Ihr Risikomanagement weiter ausbauen können.
  • Beziehen Sie das Szenario „Auslandsverkäufe von Sicherheiten“ in die Betrugsprävention ein.
  • Behalten Sie die 80-20-Regel im Hinterkopf: Fraud Prevention muss nicht jede Eventualität abdecken, sondern das Gros der Betrugsfälle aufdecken.

Beitragsnummer: 19445

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