Montag, 21. Februar 2022

Betrugskrimi mit Broadcaster

Nach der Insolvenz des Übertragungsunternehmens Arena Television fehlt technisches Equipment in Höhe von über 334 Mio. Euro

Frank Schottenheim, Director Financial Institutions, Risikomanagement, PS Team GmbH

 

I. Nacht- und Nebelaktion

Als am 12.11.2021 England bei der WM-Qualifikation in Wembley Albanien fünf zu null schlug, fand der Krimi nicht auf dem Platz statt: Während Arena Television mit seinem Equipment das Großereignis übertrug, zogen die beiden Geschäftsführer den Stecker und setzten sich ins Ausland ab. Eine Woche zuvor waren ihnen die Asset-Experten von Hickman Shearer auf die Schliche gekommen.

 

1. Der Fall

Das auf Asset-Bewertung, -Management und -Vermarktung spezialisierte Unternehmen fand heraus, dass Arena Kredite in Höhe von nahezu 300 Mio. Pfund (knapp 360 Mio. Euro) für Sendeanlagen aufgenommen hatte, die schlichtweg nicht existierten. Beteiligt waren 55 Kreditgeber – einer der größten Betrugsfälle mit dinglichen Sicherheiten in der Geschichte Großbritanniens.

 

2. Das Unternehmen

Als wichtigem Dienstleister für die Übertragung von Großereignissen – neben Sport etwa auch des Glastonbury-Festivals oder der Last Night of the Proms – sah man der im ganzen Land bekannten Arena Television nicht an, dass ihre Geschäftsführer in betrügerische Machenschaften verwickelt waren. Mit Kunden wie Sky, BBC und weiteren Sendeanstalten spielte das 1988 gegründete Unternehmen eine wichtige Rolle im Übertragungsmarkt. Unter den großen Playern war Arena das einzige unabhängige britische Unternehmen und rangierte mit einem Marktanteil von 25 % hinter der französischen Euro Media Group und NEP UK, einem Anbieter in US-amerikanischer Hand.

 

3. Die Geschädigten

Von den 55 beteiligten Finanzierern verfügten nur neun über verifizierte Vermögenswerte. Alle beteiligten Banken, darunter Institute wie HSBC, Lloyds und NatWest, werden ihre Geschäftsbeziehung zu Arena mit einem Verlust abschließen. Allzu lange haben sie sich auf den einwandfreien Leumund und die stabile Marktpräsenz von Arena verlassen. Schon lange setzt sich PS Team dafür ein, bei besicherten Krediten mehr Wachsamkeit walten zu lassen, und auch in diesem Fall hätte eine konsequente Erfassung der Seriennummern weit früher Verdacht auf dubioses Handeln geweckt. Der Schaden wäre aller Voraussicht nach geringer ausgefallen. Gespräche mit diversen beteiligten Finanzdienstleistern sowie Vertretern des britischen Leasingverbands Finance & Leasing Association bestätigen das.

 

4. Die Branche

Im Rahmen einer groß angelegten Aktion von Luftfinanzierung, ein klassisches Einsatzfeld einer von PS Team entwickelten Kommunikationsplattform zum Austausch von Asset-Daten, hat der Broadcaster Kredite in dreistelliger Millionenhöhe für Tausende imaginärer Sendeanlagen aufgenommen. Sowohl die hohe Anzahl der Assets als auch die vielen beteiligten Kreditgeber machen es nahezu unmöglich, mit Bordmitteln den Überblick zu behalten. Das ist charakteristisch für den Markt für Übertragungstechnologien, der kapitalintensiv und stark fremdfinanziert ist. Die Finanzierung des teuren Equipments über Mietkauf ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Broadcasting-Branche. Akteure können nur mithalten, wenn sie die jeweils neuste Technologie einsetzen. Mussten die Sendeanlagen bspw. vor wenigen Jahren nur Standard Definition können, folgte kurz darauf High und schließlich Ultra High Definition. 

Wie jeder attraktive Markt für Finanzierer birgt die Branche hohe Risiken, die bisher nach dem Motto „es ist noch immer gut gegangen“ stillschweigend in Kauf genommen wurden. Der aktuelle Fall bringt dieses Selbstverständnis ins Wanken. So lässt sich der CEO eines Übertragungsunternehmens anonym zitieren: „Die Kreditgeber sind bei der Due-Diligence-Prüfung in der Regel sehr zurückhaltend gewesen, weil der Sektor schon immer so funktioniert hat, aber Arena hat das geändert." 

Ein Makler von Anlagenfinanzierungen berichtet, dass Leasinggesellschaften – aufgeschreckt durch diesen Fall – begonnen haben, ihre Unterlagen zu prüfen. Der Manager einer weiteren Broadcasting-Firma sagt: „Es gab sicherlich einige Reaktionen von Kreditgebern, die die von ihnen finanzierten Vermögenswerte identifizieren wollten, und ich denke, das wird sich fortsetzen. Aber ich hoffe, dass sich der Konkurs nicht auf die Finanzierung in diesem Sektor auswirken wird."


II. Besser spät als nie

Massenhaft hochwertige Assets mit einem wegen der Dynamik der technischen Entwicklung hohen Restwertrisiko bieten Finanzierern diverse Geschäftsmöglichkeiten, die allerdings gut abgesichert werden müssen. Die Bankenaufsicht hat mobile dingliche Sicherheiten und deren Bewertung schon lange als offene Flanke erkannt und mit regulatorischen Maßnahmen gegengesteuert. Banken und Leasinggesellschaften hierzulande sollten die Gelegenheit nutzen, Lehren aus den Versäumnissen der britischen Branchenkollegen zu ziehen und die Investitionsgüter besser im Blick zu behalten.

 

1. Datenbank schafft Transparenz und Sicherheit

Ins Rollen gekommen sind die Nachforschungen bei Arena, als die Asset-Experten von Hickman Shearer eine Seriennummer bei einem Gerätehersteller überprüften und feststellten, dass es diese nicht gibt. Um solche bösen Überraschungen zu vermeiden, müssen Finanzierer die Identität einer Sicherheit bereits bei Vertragsabschluss feststellen. Mit PS Team als Softwareanbieter und Datenintermediär hat sich die Branche in diversen Ländern Europas bereits vor Jahren darangemacht, die zur Finanzierung angebotenen Assets zu erfassen und die Bestände aller teilnehmenden Banken und Leasinggesellschaften abzugleichen. Mehrfach vorhandene Objekte lassen sich so erkennen. Dazu liest die Software auch Seriennummern oder -fragmente aus Textfeldern aus und kann diese über eine komplexe Logik zu anderen Daten in Beziehung setzen. So ergeben sich aus Fragmenten Hinweise auf potenzielle Doppel- oder Mehrfachfinanzierung. Über integrierte spezialisierte Register und Datenbanken von Partnerunternehmen kann die Plausibilität von Datensätzen geprüft werden. Wo diese nicht gegeben ist, lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Das Sicherheitsniveau in der Asset-Finanzierung steigt so erheblich.

 

2. Es kommt auf die Reichweite an

Nicht die Software allein, sondern die Anzahl der Teilnehmer machen die Effektivität der Plattform aus. Da Banken und Leasinggesellschaften aus vielen Ländern Europas ihre Objektdaten einstellen, verfügt das Register mittlerweile über eine große Reichweite in unterschiedlichen Objektbereichen. Während der Kreditlaufzeit lassen sich auch anders gelagerte Betrugsfälle aufdecken. Häufig kommt es vor, dass Unternehmen tatsächlich vorhandenes Equipment zwei oder mehreren Banken zur Finanzierung anbieten. Hat der tatsächliche Besitzer des Assets die Daten in die Software eingespeist, fällt das schnell auf und die beteiligten Institute können den Fall klären. Regelmäßige Prüfläufe erhöhen die Sicherheit über den gesamten Kreditlebenszyklus.

 

III. Es muss nicht zum Worst Case kommen

Über die Finanzierung nicht vorhandener Sendeanlagen hinaus fügte Arena Television den Geldgebern weiteren Schaden zu. Hellhörig geworden durch die Nachfragen der Prüfer, verließen die Geschäftsführer über Nacht das Land und ließen damit den Unternehmenswert implodieren: Dem eingesetzten Verwalter gelang es nicht, das Geschäft aufrechtzuerhalten, da zwischenzeitlich vertragliche Verpflichtungen nicht eingehalten wurden und sich Kunden andere Dienstleister für die Übertragung ihrer Events gesucht hatten. Das beschädigte, mit Betrug in Verbindung gebrachte Unternehmen ließ sich folglich auch nicht verkaufen. Schließlich wurde im Rahmen einer dreitägigen Webauktion veräußert, was möglich war – mit minimalem Ertrag und wenig Hoffnung der Gläubiger, ihren Schaden auch nur ansatzweise ersetzt zu bekommen.

Ein umsichtiger und sensibler Umgang mit Kreditsicherheiten erweist sich in dieser Hinsicht als die bessere Alternative. Finanzierer erkennen Schieflagen früher und können mitunter Schäden von ihren Kunden abwenden oder zumindest eine Insolvenz mit weniger Verlust abwickeln. Wenn die Überwachung von Assets dazu beiträgt, schwarzen Schafen das Handwerk zu legen, ist damit auch der Branche der Kreditnehmer gedient. Denn von dem Vertrauensverlust, den Arena der Broadcasting-Branche zugefügt hat, wird sich diese so schnell nicht erholen.

 

PRAXISTIPPS

  • Beziehen Sie in die Bepreisung Ihrer Kredite die Risikokosten ein. Unternehmen wie Broadcaster sind auf die Fremdfinanzierung ihres technischen Equipments angewiesen und durchaus dazu bereit, für langfristig gute Beziehungen höhere Raten zu zahlen.
  • Prüfen Sie vor Vertragsabschluss, ob die Vermögenswerte tatsächlich existieren und nicht bereits im Finanzierungsbestand einer anderen Bank zu finden sind. Machen Sie sich dazu die Möglichkeiten der Digitalisierung zunutze.
  • Tauschen Sie Asset-Daten mit anderen Instituten aus. Betrug funktioniert besonders gut, wenn sich Finanzierer gegeneinander ausspielen lassen.

Beitragsnummer: 19441

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