Donnerstag, 25. November 2021

Verjährung von Rückerstattungsansprüchen unwirksamer Bankentgelte

Zur Verjährung von Rückforderungsansprüchen aufgrund des „Postbank-Urteils“ des Bundesgerichtshofs vom 27.04.2021

Dr. Volker Lang, Justiziar der Ntsal Germany Cs GmbH und freier Mitarbeiter bei v. Tunkl & Partner Rechtsanwalt Steuerberater, Bonn

 

Einleitung

Durch Urteil vom 27.04.2021[1] hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam sind, die ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung des Kunden zu Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Sonderbedingungen fingieren. Mit dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof „eine jahrzehntelange Rechtsprechung zum im Bankvertragsrecht millionenfach verwendeten AGB-Änderungsmechanismus völlig unerwartet geändert“.[2] Der Grund für diese grundlegende Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung wird u. a. in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 11.11.2020[3] gesehen.[4]

Neben der Frage der Umsetzung der BGH-Entscheidung vom 27.04.2021 stehen inzwischen auch Fragen der Verjährung etwaiger Rückforderungsansprüche zur Disposition. Hierbei geht es um einen Rückforderungsanspruch nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung, nicht um einen Anspruch auf Schadensersatz. 


Allgemeine Grundsätze der Verjährung

Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährung mit Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB verjähren Schadensersatzansprüche ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

Entstanden ist der Anspruch auf Rückerstattung der Entgelte (der Begriff Gebühren passt nicht wirklich), die aufgrund einer (unwirksamen) Preisänderung per AGB erhoben wurden, im Zeitpunkt der Geltendmachung durch die Bank/Sparkasse, also bei Abrechnung/Abbuchung der Entgelte vom Konto des Kunden.

Nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hängt die Verjährung von Ansprüchen von der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers von anspruchsbegründenden Tatsachen und Ursachen sowie der Person des Schuldners ab. Nach Ansicht des BGH hat der Gläubiger Kenntnis i. S. d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, „wenn er auf Grund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie dem Gläubiger zumutbar ist“.[5] Bei Vorliegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage, welche selbst von einem rechtskundigen Dritten nicht zuverlässig beurteilt werden kann, führt die Rechtsunkenntnis bzw. die fehlerhafte rechtliche Würdigung des Kunden ausnahmsweise zum Hinausschieben des Verjährungsbeginns.[6] In diesem Fall fehlt es an der „Zumutbarkeit der Klageerhebung“.[7]


Stellungnahme

Während die Kreditwirtschaft gegenwärtig davon ausgeht, dass Ansprüche auf Rückerstattung zu viel geleisteter Entgelte für vor dem 01.01.2018 liegende Zeiträume generell ausscheiden,[8] argumentieren andere, dass der Kunde erst durch die BGH-Entscheidung vom 27.04.2021 Kenntnis von den „anspruchsbegründenden Umständen“ (d. h. der Tatsache, dass die Bank ihre Entgelte AGB-rechtswidrig erhoben und vereinnahmt hat) erlangt hat. In diesem Zusammenhang wird auf die in eine ähnliche Richtung weisende Entscheidung des III. Zivilsenats vom 11.10.2007[9] verwiesen, auf die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27.04.2021 mehrfach Bezug genommen hat.

Da es sich um eine Ultimoverjährung handelt, beginnt die Drei-Jahres-Frist nach dieser Auffassung erst ab dem 01.01.2022 zu laufen und endet mit Ablauf des 31.12.2024. Da es außerdem auf die Komponente der Anspruchsentstehung ankommt, seien Banken und Sparkassen gehalten, Entgelte, die sie aufgrund der Zustimmungsfiktion geltend gemacht haben, in Extremfällen sogar seit dem Jahr 2011 zurückzuerstatten.[10]

Ob die Entscheidung des III. Zivilsenats vom 11.10.2007 tatsächlich eine Art zeitlicher Zäsur bildet, erscheint jedoch zweifelhaft. Der III. Zivilsenat hat sich nämlich auch mit Nr. 12 Abs. 4 der AGB-Banken (Fassung 2007) befasst und das dort festgelegt Preisänderungsrecht toleriert, da dort nur einzelne Bereiche der Geschäftsverhältnisse zwischen Banken und Kunden erfasst seien.[11]

Demgegenüber wird von der Kreditwirtschaft auf die Rechtsprechung im Zusammenhang mit Energieversorgungsunternehmen verwiesen,[12] in dessen Rahmen der Bundesgerichtshof entschieden hatte, dass nach § 307 BGB unwirksame Preisanpassungsklauseln in Energieversorgungsunternehmen eine nach §§ 133, 157 BGB zu schließende Vertragslücke hinterlassen, die im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen seien.[13] Diese Rechtsprechung sei auf Bankverträge übertragbar.[14] Hiernach gilt in Fällen, in denen der Kunde nicht innerhalb von drei Jahren nach Zugang der erstmaligen Abrechnung mit auf Grundlage einer unwirksamen Klausel erhöhten Entgelten deren Unwirksamkeit geltend macht, dass der neue Preis endgültig an die Stelle des zuvor vereinbarten Preises tritt. In diesem Fall würde die Möglichkeit von Rückforderungen für vor dem 01.01.2018 liegende Zeiträume ausscheiden. 

Andere verweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts[15] und berufen sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Schließlich wird auf die Rechtsfigur des „unvermeidbaren Rechtsirrtums“ zurückgegriffen,[16] die auch für die Frage der „Zumutbarkeit der Klageerhebung“ im Rahmen eines bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruchs im Hinblick auf die Verjährung geltend gemacht werden kann. Hiernach wäre eine „Zumutbarkeit der Klageerhebung“[17] zeitlich deutlich nach hinten verlagert. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der Postbank-Entscheidung vom 27.04.2021 um eine Änderung der Rechtsprechung, die zuvor die Zustimmungsfiktion akzeptiert hatte, handelt. Der Verbraucher musste mit einer solchen Änderung nicht rechnen.

Es liegt auf der Hand, dass hier, je nach Interessenlage, unterschiedliche Sichtweisen vertreten werden. Wie so oft dürfte die letzte Entscheidung einmal mehr beim Bundesgerichtshof liegen.

 

PRAXISTIPPS:

  • Nach Ansicht der Verbraucherschutzorganisationen hat der rückforderungsberechtigte Kunde erst durch die BGH-Entscheidung vom 27.04.2021 Kenntnis von den „anspruchsbegründenden Umständen“ erlangt. Die Drei-Jahres-Frist beginnt hiernach ab dem 01.01.2022 zu laufen und endet mit Ablauf des 31.12.2024. Darüber hinaus sei die Komponente der Anspruchsentstehung entscheidend, wonach diese in zehn Jahren von ihrer Entstehung an verjähren. 
  • In diesem Zusammenhang wird auch auf die Rechtsfigur des „unvermeidbaren Rechtsirrtums“ zurückgegriffen, die für die Frage der „Zumutbarkeit der Klageerhebung“ im Rahmen eines bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruchs im Hinblick auf die Verjährung geltend gemacht werden könne. Hiernach wäre eine „Zumutbarkeit der Klageerhebung“[18] zeitlich deutlich nach hinten verlagert. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der Postbank-Entscheidung vom 27.04.2021 um eine Änderung der Rechtsprechung, die zuvor die Zustimmungsfiktion akzeptiert hatte, handelt. Der Verbraucher musste mit einer solchen Änderung nicht rechnen. In all diesen Fällen könnte der Kunde Ansprüche auf Rückerstattung zu Unrecht vereinnahmter Entgelte, die bis zu zehn Jahre zuvor entstanden sind, geltend machen.
  • Die Kreditwirtschaft geht demgegenüber davon aus, dass Ansprüche auf Rückerstattung zu viel geleisteter Entgelte für vor dem 01.01.2018 liegende Zeiträume ausscheiden. Hierbei beruft sie sich auf die Rechtsprechung im Zusammenhang mit Energieversorgungsunternehmen, wonach in Fällen, in denen der Kunde nicht innerhalb von drei Jahren nach Zugang der erstmaligen Abrechnung mit auf Grundlage einer unwirksamen Klausel erhöhten Entgelten deren Unwirksamkeit geltend macht, dass der neue Preis endgültig an die Stelle des zuvor vereinbarten Preises tritt. Zum Teil wird auch auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen; insoweit gelte der Grundsatz des Vertrauensschutzes.
  • Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung zu dieser Kontroverse verhält. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass sie sich der Sichtweise der Verbraucherschutzorganisationen anschließt und die Zumutbarkeit der Klageerhebung recht spät ansiedelt. Banken und Sparkassen sollten daher in ausreichendem Maße Rückstellungen bilden.

 

[1]           BGH, Urteil vom 27.04.2021 – XI ZR 26/20, BKR 2021, 488 mit Anm. Artz.

[2]           Omlor, NJW 2021, 2243 Rdnr. 1.

[3]           EuGH, Urteil vom 11.11.2020 – C-287/19, BKR 2021, 234 (DenizBank).

[4]           Omlor, NJW 2021, 2243 Rdnr. 1.

[5]           BAG, Urteil vom 13.03.2013 – 5 AZR 424/12, NZA 2013, 785.

[6]           BGH, Urteil vom 15.06. 2010 - XI ZR 309/09, NJW-RR 2010, 1574.

[7]           BGH, Urteil vom 28.10.2014 – XI ZR 348/13, BKR 2015, 19 Rdnr. 35; BGH, Urteil vom 15.06.2010 – XI ZR 309/09, NJW-RR 2010, 1574.

[8]           Omlor, NJW 2021, 2243 Rdnr. 35.

[9]           BGH, Urteil vom 11.10.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134.

[10]         Vgl. Rösler, ÖBA 2021, 685, 688.

[11]         BGH, Urteil vom 11.10.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134 Rdnr. 39.

[12]         Omlor, NJW 2021, 2243 Rdnr. 35.

[13]         BGH, Urteil vom 14.03.2012 – VIII ZR 113/11, NJW 2012, 1865; BGH, Urteil vom 15.04.2015 – VIII ZR 59/14, NJW 2015, 2566; BGH, Urteil vom 28.10.2015 – VIII ZR 158/11, NJW 2016, 1718 Rdnr. 66 ff.

[14]         Omlor, NJW 2021, 2243 Rdnr. 32; derselbe, ZBB 2020, 355, 370 f.

[15]         BVerfG, Beschluss vom 05.11.2015 – 1 BvR 1667/15, NZG 2016, 61.

[16]         Omlor, NJW 2021, 2243 Rdnr. 35.

[17]         BGH, Urteil vom 20.09.1983 – VI ZR 35/82, NJW 1984, 661; BAG, Urteil vom 13.03.2013 – 5 AZR 424/12, NZA 2013, 785.

[18]         BGH, Urteil vom 20.09.1983 – VI ZR 35/82, NJW 1984, 661; BAG, Urteil vom 13.03.2013 – 5 AZR 424/12, NZA 2013, 785.


Beitragsnummer: 19430

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