Donnerstag, 16. September 2021

Prospekthaftungsgrundsätze

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

In seiner im Rahmen eines KapMuG-Verfahrens zu einem Schiffsfonds ergangenen Entscheidung vom 30.03.2021, Az. XI ZB 3/18, WM 2021, 1222, in welcher der Bundesgerichtshof das Vorliegen von Prospektfehlern i. S. d. VermVerkProspG in der vom 01.07.2005 bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung prüfen musste, erinnert der Bundesgerichtshof zunächst daran, dass ein Kapitalanleger einen ihm rechtzeitig ausgehändigten Prospekt sorgfältig und eingehend lesen muss, „Pflicht zur sorgfältigen Lektüre“ (Rn. 70 und 72).

 

Darüber hinaus bestätigt der Bundesgerichtshof erneut seinen schon seit jeher anerkanntem Grundsatz, wonach es für die Frage, ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, nicht allein auf die im Prospekt wiedergegebenen Einzeltatsachen ankommt, sondern wesentlich auch darauf, welches Gesamtbild der Prospekt dem Anleger von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt. Hierbei seien wiederum solche Angaben als wesentlich anzusehen, die ein Anleger „eher als nicht" bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Abzustellen sei wiederum auf die Kenntnisse und Erfahrungen eines durchschnittlichen Anlegers, der als Adressat des Prospektes in Betracht komme und welcher den Prospekt sorgfältig und eingehend zu lesen habe (Rn. 45).

 

Was wiederum die Darstellung der Risiken einer etwaigen Fremdfinanzierung anbelangt, so stellt der Bundesgerichtshof klar, dass es sich bei dem durch die Fondsgesellschaft vereinbarten Zinsswap entgegen den Behauptungen der Kapitalanleger weder um ein spekulatives Geschäft handelt, über dessen Risiken im Prospekt aufzuklären gewesen wäre, noch um ein hochspekulatives und gefährliches Termingeschäft. Denn mit dem Abschluss des Zinsswap habe die Fondsgesellschaft nichts anderes getan, als im Hinblick auf den abgeschlossenen und variabel verzinslichen Kredit ein Sicherungsgeschäft abzuschließen. Mit dem Zinsswap habe nämlich die Fondsgesellschaft nur das variabel verzinsliche Darlehen in ein synthetisches Festzinsdarlehen umgewandelt (Rn. 49).

 

Was wiederum die im Prospekt enthaltenen Prognoseangaben anbelangt, so wiederholt der Bundesgerichtshof auch hier seinen bereits anerkannten Grundsatz, wonach Prognosen nach dem bei ihrer Erstellung gegebenen Verhältnissen und unter Berücksichtigung der sich abzeichnenden Risiken zu erstellen sind. Dabei stellt der Bundesgerichtshof erneut klar, dass der Prospekt eine optimistische Erwartung der Prognose einer zukünftigen Entwicklung zugrunde legen darf; dies jedenfalls so lange, wie die die Erwartung rechtfertigenden Tatsachen sorgfältig ermittelt sind und die darauf gestützte Prognose der zukünftigen Entwicklung aus damaliger Sicht vertretbar ist (Rn. 53). In diesem Zusammenhang führt der Bundesgerichtshof noch aus, dass Prognosen nur auf ihre Vertretbarkeit hin zu untersuchen sind, weswegen dem Emittenten bei der Auswahl des Prognoseverfahrens und den Informationen, die ihr zugrunde gelegt werden, ein Beurteilungsspielraum zukommt, welcher nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt (Rn. 57).

 

Was wiederum die Prüfung des ausländischen Rechts anbelangt, so stellt der Bundesgerichtshof klar, dass der deutsche Tatrichter ausländisches Recht im Wege des Freibeweises zu ermitteln hat, wobei es in seinem eigenen pflichtgemäßen Ermessen liegt, in welcher Weise er sich die notwendigen Kenntnisse verschafft. Insofern könne ein mit der Sache befasstes Gericht nur überprüfen, ob der Tatrichter sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt, und insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles hinreichend ausgeschöpft hat (Rn. 59).

 

Was schließlich die Darstellung der Weichkosten anbelangt, so müsse, so der BGH, der Prospekt die voraussichtlichen Gesamtkosten des Anlageobjekts in einer Aufgliederung, die insbesondere Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie sonstige Kosten ausweist, angeben (Rn. 65). Könne der Anleger wiederum durch eine so erfolgte Darstellung der einzelnen Positionen im Detail entnehmen, in welchem Umfang seine Beteiligung wofür verwendet wird und hierdurch jede Position für sich genommen oder in der Zusammenschau mit anderen Positionen in seine Anlageentscheidung mit einfließen lassen, so bedürfe es keinerlei weiteren Angaben darüber, welche dieser Positionen unter den Begriff der „Weichkosten“ zusammengefasst werden könnten und wie hoch der Gesamtweichkostenanteil ist (Rn. 66). In diesem Zusammenhang stellt der Bundesgerichtshof noch fest, dass es dann der Angabe des prozentualen Anteils der betroffenen Zahlungen nicht bedarf, wenn der Anleger diese mittels einer einfachen Rechnung selbst ermitteln könne (Rn. 67).

 

Nachdem der streitgegenständliche Prospekt sämtlichen Anforderungen genügte, wurde dieser vom Bundesgerichtshof für beanstandungsfrei erklärt.

 

In einer weiteren, ebenfalls in einem KapMuG-Verfahren zu einem Schiffsfonds ergangenen Entscheidung vom 18.05.2021, Az. XI ZB 19/18 (WM 2021, 1426 ff.), wiederholt der Bundesgerichtshof teilweise seine in vorstehendem Urteil bereits erwähnten Prospekthaftungsgrundsätze und ergänzt diese um weitergehende Hinweise zur Ordnungsgemäßheit von Prospektangaben zu den wesentlichen kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen (Rn. 46 ff.), zu den Wechselkurs- und Währungsrisiken (Rn. 56 und 60) sowie zu den mit sog. Loan-to-Value-Klauseln verbundenen Risiken (Rn. 53 ff. sowie 58) und gelangt unter Berücksichtigung seiner anerkannten Prospekthaftungsgrundsätze auch in diesem Verfahren zum Ergebnis, dass der streitrelevante Prospekt sämtlichen Anforderungen genügt.

 

In seiner dritten und ebenfalls im KapMuG-Verfahren zu einem „Versicherungsfonds" ergangenen Entscheidung vom 08.06.2021, Az. XI ZB 22/19 (WM 2021, 1479 ff.), bestätigt der Bundesgerichtshof auch hier zum wiederholten Mal, dass der Prospekt über alle Umstände, die für die Beurteilung der angebotenen Vermögensanlage von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig unterrichten muss, wobei solche Angaben als wesentlich anzusehen sind, die ein Anleger „eher als nicht" bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde (Rn. 34). Im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zu den Angaben zum prognostizierten wirtschaftlichen Erfolg der Kapitalanlage erinnert der Bundesgerichtshof daran, dass der Prospektherausgeber grundsätzlich keine Gewähr dafür übernimmt, dass die von ihm prognostizierte Entwicklung tatsächlich eintritt. Die Prognosen im Prospekt müssten vielmehr nur von Tatsachen gestützt sein, welche sich ex ante betrachtet als vertretbar erweisen. Dabei müssten Prognosen nach den bei der Prospekterstellung gegebenen Verhältnissen und unter Berücksichtigung der sich abzeichnenden Risiken erstellt werden. Hänge ein wirtschaftlicher Erfolg von bestimmten Voraussetzungen ab, deren Eintritt noch ungewiss ist, so müsse dies ebenso deutlich gemacht werden, wie bloße Mutmaßungen aus dem Prospekt erkennbar sein müssen (Rn. 40). 

 

Hiervon ausgehend zeigt der Bundesgerichtshof auf, dass und aus welchen Gründen es bei einem Blind-Pool-Konzept ausreichend ist, die Prognoseberechnungen anhand eines Modell-Portfolios vorzunehmen (Rn. 42-45). 

 

Im Anschluss hieran stellt der Bundesgerichtshof nochmals klar, dass bereits nach allgemeinen Grundsätzen der Anleger, der sich auf einen Anspruch aus Prospekthaftung stützt, einen Prospektfehler darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Zwar könne im Einzelfall der Emittent gehalten sein, zu internen Vorgängen nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast vorzutragen. Daran, dass die Anleger die Darlegungs- und Beweislast für einen Prospektfehler tragen, ändere sich aber durch die Einführung des KapMuG-Verfahrens nichts. Insofern müsse auch von einem Musterkläger erwartet werden, dass er sich damit befasst, ob sich die Prognoseberechnungen im Prospekt auf sorgfältig ermittelte Tatsachen stützen und aus ex ante Sicht vertretbar sind, wozu der Musterkläger auch in der Lage gewesen sei. Denn im Prospekt sei angegeben, welche für den wirtschaftlichen Erfolg der Kapitalanlage maßgeblichen Parameter gegebenenfalls auf welcher tatsächlichen Grundlage im Wege der Schätzung ermittelt wurden. Dass es an einer solchen tragfähigen Tatsachengrundlage für die prospektierte Schätzungen gefehlt habe, sei es, dass die angegebenen Parameter nicht auf Vergangenheitswerte oder der Erfahrung des Fonds-Managements beruht hätten, oder sei es, dass ihre Ableitung aus der Analyse einer typischen Versicherungspolice unzutreffend gewesen wäre, habe der Musterkläger weder behauptet noch sei Entsprechendes sonst wie ersichtlich (Rn. 50).

 

Auch in dieser Entscheidung tätigt der Bundesgerichtshof ferner Ausführungen dazu, weswegen die im Prospekt getätigten Angaben zu den wesentlichen kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen zutreffend sind, wobei der Bundesgerichtshof ausführlich auf die Weisungsgebundenheit aufgrund eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages eingeht (Rn. 57 ff.).

 

Schließlich hält der Bundesgerichtshof nochmals fest, dass nach seinen anerkannten Rechtsprechungsgrundsätzen das allgemeine Risiko, dass die Verwirklichung des Anlagekonzept bei Pflichtwidrigkeiten der Personen, in deren Händen die Geschicke der Fondsgesellschaft liegen, gefährdet ist, als dem Anleger bekannt vorausgesetzt werden kann und daher grundsätzlich keiner besonderen Aufklärung bedarf. Pflichtverletzungen seien deswegen regelmäßig kein spezifisches Risiko der Kapitalanlage. Etwas anders könnte nur dann gelten, wenn bestimmte Pflichtverletzungen aus strukturellen Gründen als sehr naheliegend einzustufen sind (Rn. 73).

 

PRAXISTIPP

Einmal mehr musste sich der Bundesgerichtshof mit unterschiedlichen, von den Kapitalanlegern in Kapitalanlageprozessen standardisiert vorgetragenen Prospektfehlern auseinandersetzen. Daher verwundert es nicht, dass der Bundesgerichtshof einmal mehr seine schon seit jeher anerkannten Grundsätze bei der Prüfung von etwaigen Prospektfehlern nochmals zusammenfasst, konkretisiert und im Ergebnis unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung feststellt, dass unter Berücksichtigung dieser Grundsätze von einem Prospektfehler in den von ihm entschiedenen Fällen nicht gesprochen werden kann.


Beitragsnummer: 18330

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