Donnerstag, 4. November 2021

Step-in Risk – Identifizieren und Messen

Dominik Leichinger, Prüfungsleiter, Referat Bankgeschäftliche Prüfungen 2, Hauptverwaltung in NRW, Deutsche Bundesbank

 

Die in dieser Publikation vertretenen Auffassungen geben die persönliche Meinung des Autors wieder und sind nicht notwendigerweise Positionen der Deutschen Bundesbank oder einer anderen Bankenaufsichtsbehörde.

Grundsätzlich könnten Institute einen Anreiz haben, mit ihnen verbundene und in Schieflage geratene Unternehmen oder andere Geschäftspartner, auch ohne vertraglich bestehende Verpflichtung, finanziell zu unterstützen. Diese Form des Unterstützungsrisikos wird im Baseler Rahmenwerk für Bankenaufsicht als sogenanntes „Step-in Risk“ bezeichnet. Als einen Hauptgrund für das Step-in Risiko sieht das BCBS die Vermeidung von Reputationsrisiken an, denen ein Institut bei Versagung der Unterstützung eines Geschäftspartners ausgesetzt sein könnte.

Die in der Säule-I verankerten Kapital- oder Liquiditätsanforderungen berücksichtigen bisher keine Step-in Risiken. Gleichwohl finden sich in Art. 18 (8) der CRR II Ansatzpunkte, um diesen zu begegnen. Demnach können die zuständigen Aufsichtsbehörden eine Vollkonsolidierung vorschreiben, wenn unter Stressbedingungen das Risiko einer nicht vertraglich verpflichteten Unterstützungsleistung besteht.

Um zu vermeiden, dass Step-in Risiken einen „weißen Fleck“ auf der Risikolandkarte eines Instituts darstellen, sollten diese im Rahmen der Risikoinventur (im Kontext der Säule II) regelmäßig auf ihre Wesentlichkeit hin analysiert werden. Mit seinen Leitlinien zur Identifizierung und zum Management von Step-in Risiken (BCBS 423) formuliert der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht seine aufsichtsrechtliche Erwartungshaltung gegenüber den Instituten zum Umgang mit diesen. Mit Blick auf die Identifizierung von Step-in Risiken stehen insbesondere Geschäftspartner im Fokus,

  • die nicht Teil des aufsichtlichen Konsolidierungskreises des Instituts sind,
  • mit denen eine bestimmte Geschäftsbeziehung seitens des Instituts besteht (z. B. Sponsor oder Halten von Schuld- oder Eigenkapitalinstrumenten),
  • die bestimmten Geschäftsaktivitäten nachgehen (z. B. Versicherungsunternehmen oder Kapitalverwaltungsgesellschaften).

Zur Beurteilung von Relevanz und Wesentlichkeit von Step-in Risiken sollten verschiedene Risikoindikatoren betrachtet werden. Bspw. die Wahrscheinlichkeit für eine implizite Haftung. Hierbei geht der Markt von einer Haftungsübernahme durch das Institut aus, auch wenn hierfür keine vertragliche Verpflichtung besteht. 

Einen weiteren gemäß den Verlautbarungen des BCBS zu betrachtenden Risikoindikator stellt das Branding/Cross-Selling dar. Im Kontext dieses Indikators könnten z. B. Reputationsrisiken aus dem Bestehen einer „Branded-House“-Strategie resultieren oder im Zusammenhang mit Cross-Selling Aktivitäten innerhalb der gleichen Institutsgruppe bzw. des gleichen Finanzverbunds bestehen. Darüber hinaus werden in den Leitlinien (BCBS 423) weitere Risikoindikatoren aufgeführt, die allerdings nicht als abschließende Liste zu interpretieren sind.

Im Anschluss an die Identifizierung von Step-in Risiken sind die potenziellen Auswirkungen auf die Kapital-, Liquiditäts- und Ertragslage, auch unter Berücksichtigung von Risikokonzentrationen, eines Instituts abzuschätzen. Wesentlichen Step-in Risiken ist innerhalb der Risikotragfähigkeitsermittlung entsprechend Rechnung zu tragen. 

Zwar enthalten die BCBS 423-Leitlinien keine konkreten methodischen Anforderungen zur Risikoquantifizierung. Gleichwohl werden praktische Implementierungshilfen zur Begegnung von Step-in Risiken formuliert.

Einerseits könnte für Risikomesszwecke der aufsichtliche Konsolidierungskreis um diejenigen Unternehmen erweitert werden, bei denen relevante Indikatoren für ein Step-in Risk identifiziert wurden. Eine weitere Möglichkeit besteht andererseits in der Ableitung von Umrechnungsfaktoren. Diese würden auf die Risikopositionen des identifizierten Unternehmens angewandt, um die Auswirkungen (kapital- und liquiditätsseitig) eines Unterstützungsfalls abzuschätzen. 

Unter Berücksichtigung des Leitfadens der Aufsicht zur Beurteilung institutsinterner Risikotragfähigkeitskonzepte von 2018 sind wesentliche Step-in Risiken grundsätzlich sowohl innerhalb der ökonomischen als auch der normativen Perspektive aufzugreifen. Neben der Risikotragfähigkeitsrechnung (ökonomische Perspektive) ist im Rahmen des adversen Szenarios (normative Perspektive) potenziellen Auswirkungen von Unterstützungsleistungen innerhalb der Kapitalplanung Rechnung zu tragen.

Auch die BCBS 423-Leitlinien sehen eine Integration von Step-in Risiken in das Stresstestprogramm der Institute vor.

 

PRAXISTIPPS

  • Aufsetzen eines Self-Assessments zur Identifizierung von Step-in Risiken im Rahmen des Risikoinventurprozesses
  • Erarbeitung von methodischen Vorgaben zur Quantifizierung von Step-in Risiken innerhalb der Risikotragfähigkeitsbeurteilung
  • Definition und Überwachung relevanter Risikoindikatoren zur Beurteilung von Step-in Risiken und deren Materialität im Zeitverlauf
  • Ableitung von Trigger-Prozessen/Maßnahmen bei Überschreiten von definierten Warngrenzen für steuerungsrelevante Risikoindikatoren

Beitragsnummer: 18315

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