Donnerstag, 4. November 2021

Kapitalplanung und normative Sicht – ein kritischer Blick

Zusammenspiel von Anforderungen und Prüfungserfahrungen

Henning Riediger, Prüfungsleiter, Referat Bankgeschäftliche Prüfung, Deutsche Bundesbank Hannover

 

Die normative Perspektive ist als Gesamtheit der regulatorischen und aufsichtlichen Anforderungen sowie der darauf basierenden internen Anforderungen zu verstehen. Relevante Steuerungsgrößen der normativen Perspektive sind demnach insbesondere die Kapitalgrößen

•           Kernkapital und Eigenkapital,

•           Mindesteigenkapitalanforderung gemäß CRR (8 %),

•           SREP-Eigenkapitalanforderung (P2R),

•           die kombinierten Pufferanforderungen und

•           die Eigenmittelzielkennziffer (P2G)

sowie sämtliche Strukturanforderungen der Säule 1, wie beispielsweise die Höchstverschuldungsquote und Großkreditgrenzen. Mit dem Bezug auf die Strukturanforderungen wird insbesondere den Punkten aus Risikokonzentrationen Rechnung getragen, die in der reinen Solvenzbetrachtung nicht einbezogen werden.

Grundlagen der normativen Perspektive sind die regulatorischen und aufsichtlichen Kennzahlen sowie deren Berechnungslogik. Vereinfachend gegenüber internen Verfahren ist die Berechnungslogik für zukünftige Perioden im Rahmen der Kapitalplanung bereits aufsichtlich determiniert. Es verbleibt lediglich die Variation der Parameter, welche vom Institut in verschiedenen Szenarien (Planszenario (Basisszenario) und zumindest ein adverses Szenario) zu bestimmen sind. Darüber hinaus sind aufsichtliche Kapitalfestsetzungen für wesentliche Risiken zu verwenden und plausibel fortzuschreiben. Diese geforderte plausible Fortschreibung sollte für die Institute möglich sein, da die grundlegenden Informationen und Verwaltungspraktiken bezüglich der Erhebung von Kapitalzuschlägen bekannt sind. Das bedeutet für die Praxis, dass auf Basis der Plandaten ebenso die weitere Entwicklung der Kapitalzuschläge für Zinsänderungsrisiken im Bankbuch plausibel abgeschätzt werden können. Eine geradlinige Fortschreibung ohne entsprechende Verprobung mit den geplanten Geschäftsaktivitäten wäre somit nicht ausreichend. Hier zeigt sich eine wichtige Prüfungsschnittstelle: die Überleitung der Geschäfts- in die Kapitalplanung.

 

Veränderungen im adversen Szenario sinnvoll ausgestalten

Ein zentrales Element in der Kapitalplanung bzw. der normativen Sicht ist die Einbeziehung von Plangewinnen der zukünftigen Perioden. Gerade dem Ausweis des Plangewinns kommt in den adversen Betrachtungen eine bedeutende Rolle zu. Von daher sind in den adversen Betrachtungen sämtliche bedeutenden Faktoren des Jahresergebnisses zu berücksichtigen. Hierzu zählen beispielsweise mindestens:

  • Abweichungen im Zinsergebnis durch ungünstig abweichende Zinsentwicklung,
  • Verschlechterung der Kreditqualität und Erhöhung von Ausfällen (erhöhte Risikovorsorge bzw. steigende KSA-Risikogewichte) und Bewertungsänderungen bei Beteiligungen,
  • das Verfehlen von Wachstums-, Geschäfts- und Provisionszielen sowie
  • das negative Verfehlen von Kostenzielen (Personal und Sachaufwand).

Die bei der Kapitalplanung zu betrachtenden adversen Entwicklungen müssen nicht die (maximale) Schwere der vom Institut durchgeführten Stresstests besitzen. Es wird aber vor dem Hintergrund des Vorsichtsprinzips erwartet, dass adverse Entwicklungen für das Institut widrige Entwicklungen widerspiegeln, die einen spürbaren Einfluss auf die zukünftige Kapitalausstattung und Kapitalplanung des Instituts haben oder haben können, und insofern mit Auswirkungen einer Rezession oder einem für das Institut ähnlich schweren Szenarios vergleichbar sind.

Kritisch zu hinterfragen sind zudem adverse Szenarien bzw. angenommene Entwicklungen, bei denen am Ende der Betrachtungsperiode Verbesserungen in den Kapitalquoten gegenüber der Basisplanung auftreten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Annahme eines sinkenden Geschäftsvolumens unterstellt wird, da dies für gewöhnlich mit einer sinkenden Eigenkapitalforderung einhergeht.

 

Stolperfalle „Schwerer Konjunktureller Abschwung“

Unterstellt das Institut bereits bei dem adversen Szenario der normativen Sicht einen schweren konjunkturellen Abschwung, so sollten die Anforderungen des AT 4.3.3 Tz. 3 der MaRisk in Bezug auf den schweren konjunkturellen Abschwung in der normativen Sicht implizit erfüllt sein. Aber Achtung! Mit der alleinigen Verwendung des schweren konjunkturellen Abschwungs sind nicht zwingend alle für eine adverse Betrachtung relevanten Entwicklungen automatisch erfasst. Von daher ist es wichtig, vorab abzuklären, ob und wie sämtliche relevanten Einflussgrößen für die normative Sicht auch Bestandteil des schweren konjunkturellen Abschwungs sind oder inwieweit Adaptionen notwendig sind. Es sind schon einige Institute in Bankgeschäftlichen Prüfungen auf die Nase gefallen, die „einfach nur“ ihren schweren konjunkturellen Abschwung hergenommen haben, ohne eine Prüfung auf Konsistenz mit den Zielen und Aspekten der normativen Perspektive vorzunehmen.

 

Berichterstattung

Bei der Berichterstattung über die normative Sicht der Risikotragfähigkeit sind interne Warnschwellen, Managementpuffer oder vergleichbare strategische Vorgaben einzubeziehen. Ziel ist die Generierung von Steuerungsimpulsen und Frühwarnindikatoren. Hierzu ist es notwendig, dass für die Kapitalplanung eine ausreichende Granularität über die einzelnen Positionen (z. B. aggregierte/gegenläufige Positionen) und Maßnahmen sichergestellt ist. Die geplanten Maßnahmen sind nach Impact und Realisierbarkeit zu bewerten.

 

PRAXISTIPPS

  • Achten Sie auf die Auswirkungen der Annahmen. Es sollen im adversen Szenario Belastungen gezeigt werden.
  • Stellen Sie sicher, dass mindestens die wesentlichen GuV- und Kapitaltreiber in das adverse Szenario einbezogen werden.
  • Wählen Sie den Schweregrad des adversen Szenarios so, dass sich signifikante Änderungen der Ertragslage zeigen sowie ggf. das Durchschlagen auf die Substanzwerte simuliert wird.

Beitragsnummer: 18299

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