Frédéric Kirsch, Referent Bankaufsichtsrecht, Prüfung Genossenschaftsbanken, Genossenschaftsverband Weser-Ems e.V.
I. Rechtsgrundlagen und Anwendungsbereiche der Gruppe verbundener Kunden (GvK) im europäischen und nationalen Bankaufsichtsrecht
Mit Inkrafttreten der Kapitaladäquanzverordnung CRR (Capital Requirements Regulation) wurde im Jahr 2014 die sogenannte Gruppe verbundener Kunden (GvK) ins Leben gerufen. Die Tatbestände, nach denen Kunden zu einer GvK zusammenzufassen sind, finden sich in der CRR selbst (Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 a) und b) CRR) und werden konkretisiert durch das BaFin-Rundschreiben 14/2018 vom 31.10.2018. Das originäre Ziel besteht darin, zu gewährleisten, dass ein Institut mehrere Kunden wie einen einzelnen behandelt, sofern Kontrollverhältnisse oder wirtschaftliche Abhängigkeiten zwischen diesen bestehen, die es möglich machen, dass sich etwaige finanzielle Schwierigkeiten des einen auf den oder die anderen übertragen, um zu verhindern, dass sich im Ergebnis ein Klumpenrisiko bei der kreditgebenden Bank materialisiert.
Die Anwendungsbereiche von GvK sind inzwischen vielfältig und umfassen sowohl europäische Vorschriften wie das Eigenmittel- und Großkreditregime, als auch nationale Regularien, wie die Organkreditvorschriften nach § 15 KWG oder die Offenlegungspflichten im Hinblick auf Kreditunterlagen nach § 18 KWG (siehe Abb. 1).
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Beitragsnummer: 18280
Regelungsbereich | Verbindung zur GvK | Auswirkung | Norm |
Großkreditdefinitionsgrenze | Anrechnung auf die Definitionsgrenze erfolgt auf GvK-Basis | Ansteigender Meldeumfang: Je größer eine GvK, desto schneller wird die Großkreditdefinitionsgrenze i. H. v. 10 % des Kernkapitals erreicht, desto mehr Kredite sind in der Großkreditmeldung zu erfassen. | Art. 392 CRR |
Großkreditobergrenze | Anrechnung auf die Obergrenze erfolgt auf GvK-Basis | Begrenzung des Kreditierungsspielraums: Je größer eine GvK, desto schneller wird die Großkreditobergrenze (i. d. R. 25 % des Kernkapitals) erreicht, desto geringer ist der Kreditvergabespielraum gegenüber dieser Kundengruppe. | Art. 395 CRR |
Eigenmittel: Zuordnung zur Forderungsklasse Mengengeschäft im Kreditrisikostandardansatz | Überprüfung der in dieser Vorschrift enthaltenen Schwellenwerte erfolgt auf GvK-Basis | Geringere Eigenmittelprivilegierung: Je größer eine GvK, desto schneller wird die Zuordnungsobergrenze i. H. v. 1 Mio. EUR erreicht, desto weniger Kredite können dem Mengengeschäft mit dem privilegierten Risikogewicht i. H. v. lediglich 75 % zugeordnet werden. | Art. 123 CRR |
Eigenmittel: Anwendung des KMU-Faktors für kleine und mittlere Unternehmen im Kreditrisikostandardansatz | Überprüfung der in dieser Vorschrift enthaltenen Schwellenwerte erfolgt auf GvK-Basis | Geringere Eigenmittelprivilegierung: Je größer eine GvK, desto schneller wird die Obergrenze i. H. v. 2,5 Mio. EUR zur Anwendung des niedrigeren Teils des KMU-Faktors i. H. v. 0,7619 erreicht, desto geringer fällt die Eigenmittelentlastung aus. | Art. 501 CRR |
Organkreditvorschriften (§ 15 KWG) | Anwendungspflicht erfolgt auf GvK-Basis | Ausweitung des Organkredittatbestands: Ist ein Organ einer Bank Teil einer GvK, so gelten alle Kunden dieser GvK ebenfalls als Organ der Bank und die Organkreditvorschriften sind entsprechend anzuwenden, der prozessuale Aufwand steigt c. p. an. | § 19 Abs. 3 KWG |
Vorschriften über Kreditunterlagen (§ 18 KWG) | Anwendungspflicht erfolgt auf GvK-Basis | Ausweitung des Offenlegungsumfangs: Je größer eine GvK, desto schneller wird die Offenlegungsschwelle nach § 18 KWG erreicht, der prozessuale Aufwand steigt c. p. an. |
Abb. 1: Wesentliche Anwendungsbereiche der GvK gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR.
Obenstehende Übersicht verdeutlicht, dass die GvK essentielle Bereiche einer Bank beeinflusst. Der Kreditvergabespielraum, maßgeblicher Parameter des Wachstumspotentials eines Instituts, wird gleich über zwei Kanäle durch den Umfang einer GvK beeinflusst. Zum einen sind die Risikopositionen gegenüber den verschiedenen Kunden innerhalb einer GvK in einer Summe auf die Großkreditobergrenze anzurechnen, so dass dieses aufsichtsrechtliche Kreditierungslimit mit zunehmendem GvK-Umfang für die betroffene Kundengruppe schneller erreicht wird. Zum anderen gibt es bei der Anwendung des Kreditrisikostandardansatzes (KSA) für die Inanspruchnahme gewisser Erleichterungen bei der Eigenmittelunterlegung, wie der Zuordnung von Kreditnehmern zum Mengengeschäft mit seiner reduzierten Risikogewichtung oder der Anwendbarkeit des Entlastungsfaktors für kleine und mittlere Unternehmen (KMU-Faktor) bestimmte Maximalwerte, die mit zunehmender Größe einer GvK schneller überschritten werden, so dass eine Nutzung ausscheidet und die Mindestanforderung an die Eigenmittel für diese Kundengruppe c. p. ansteigt, weshalb in letzter Konsequenz weniger Eigenmittel für weiteres Neugeschäft zur Verfügung stehen.
Auch die prozessualen Lasten einer Bank erhöhen sich mit steigender Größe einer GvK. So gelten die Organkreditvorschriften nach § 15 KWG, die zusätzliche Beschlussfassungspflichten auf Vorstands- und Aufsichtsratsebene sowie ergänzende Dokumentationspflichten hinsichtlich der Marktgerechtigkeit der zugrunde liegenden Konditionen bei der Durchführung von Geschäften mit den Organen einer Bank erfordern, auch für solche Kunden, die zwar selbst keine Organstellung innehaben, sich jedoch in einer GvK mit einem Organ des jeweiligen Instituts befinden. Ähnliches gilt für die Offenlegungsvorschriften nach § 18 KWG, die ebenfalls unter Berücksichtigung etwaiger GvK anzuwenden sind.
II. Bestandsanalyse zur Hebung von Optimierungspotentialen
1. Motivation: Warum eine Bestandsanalyse der Einheitenbildung lohnenswert ist
Aus bankaufsichtsrechtlicher Perspektive existieren im Wesentlichen drei Kundeneinheiten. Neben der in diesem Beitrag im Vordergrund stehenden Gruppe verbundener Kunden (GvK) besteht nach wie vor auf nationaler Ebene die Kreditnehmereinheit (KNE) nach § 19 Abs. 2 KWG, deren Anwendungsbereich das Millionenkreditmeldewesen nach § 14 KWG umfasst. Darüber hinaus fordern die MaRisk die Berücksichtigung von Konzentrationen im Kundenkreditgeschäft in den Risikosteuerungs- und Controllingprozessen (AT 4.3.2 Tz. 1 MaRisk) sowie bei der Umsetzung einer sachgerechten Ermittlung der Adressenausfallrisiken (BTR 1 Tz. 1 und Tz. 2 MaRisk) und machen auf diese Weise die Bildung einer weiteren Art von Kundeneinheit erforderlich.
Diese dritte Kreditnehmergruppe aus der internen Risikosteuerung wird in der Bankpraxis häufig bezeichnet als wirtschaftliche Einheit oder Risikoeinheit. Vor Einführung der GvK mit Erstanwendung der CRR im Jahr 2014 galt für die in Abb.1 genannten Regelungsbereiche im Wesentlichen die Anwendung auf Basis von Kreditnehmereinheiten, sofern vorhanden. Die GvK nach europäischem Recht hat die KNE nach nationalem Recht also in vielen bedeutsamen aufsichtsrechtlichen Belangen ersetzt. Dies herauszustellen ist deshalb so bedeutsam, da der Umfang einer GvK in Bezug auf eine bestimmte Kreditnehmerkonstellation typischerweise geringer ausfällt als der einer KNE, da die Zusammenfassungstatbestände einer KNE nach § 19 Abs. 2 KWG von denen einer GvK nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR in Teilen signifikant voneinander abweichen (siehe Abb. 2 und 3).
In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass hinsichtlich eines bestimmten Engagements eine GvK vom zuständigen Bankmitarbeiter identisch zur KNE gebildet wird oder einzelne Zusammenfassungstatbestände aus dem Bereich der KNE unnötigerweise auf die GvK-Bildung übertragen werden. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, nicht zuletzt mit Blick auf die oben skizzierten spürbaren Folgen für eine Bank, zumindest bei den größten Kreditengagements die vorgenommene GvK-Bildung kritisch zu hinterfragen und ggf. ganz grundsätzlich den Prozess der Bildung von GvK nachzuschärfen und vom Prozess der KNE-Bildung zu separieren.
Als Arbeitshilfe werden im Folgenden die am häufigsten vorzufindenden Fehler bei der Bildung einer GvK in Abgrenzung zur KNE-Bildung vorgestellt.
Tatbestand | Norm |
Beherrschung: Nach § 290 Abs. 2 HGB konsolidierte Unternehmen | § 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 lit. a) KWG |
Beherrschung: Gewinnabführungsvertrag (ganzer Gewinn muss abgeführt werden) | § 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 lit. b) KWG |
Beherrschung: Stimmrechts- oder Kapitalanteil ab 50 %, auch treuhänderisch | § 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 lit. c) KWG |
Personenhandelsgesellschaften und jeder persönlich haftende Gesellschafter | § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 KWG |
Kapitalgesellschaften und jeder persönlich haftende Gesellschafter |
Partnerschaften und jeder Partner |
Unterordnungskonzern nach § 18 Abs. 1 AktG | § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 KWG |
Gleichordnungskonzern nach § 18 Abs. 2 AktG |
Abb. 2: Die Zusammenfassungstatbestände für eine KNE nach § 19 Abs. 2 KWG
Tatbestand | Beschreibung | Konsequenz | Norm |
Konzernabschluss | Verhältnis von Mutter- und Tochterunternehmen: EU-Konzernabschluss nach BilanzRL 2013/34/EU oder IFRS-Konzernabschluss nach IAS-Verordnung 1606/2002. | Zwingende Bildung einer Kontroll-GvK | Tz. 13 Uabs. 1 BaFin-RS 14/2018 |
Stimmrechtsmehrheit | Halten der Mehrheit der Stimmrechte (nicht Kapitalanteile) der Aktionäre oder Gesellschafter an einem Unternehmen. | Tz. 13 Uabs. 2 Nr. i BaFin-RS 14/2018 |
Bestellungs-/Abberufungsrecht | Recht oder Fähigkeit, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans eines Unternehmens zu bestellen oder abzuberufen. | Tz. 13 Uabs. 2 Nr. ii BaFin-RS 14/2018 |
Beherrschender Einfluss | Recht oder Fähigkeit, gem. Vertrag oder Satzung beherrschenden Einfluss auf ein Unternehmen auszuüben. | Tz. 13 Uabs. 2 Nr. iii BaFin-RS 14/2018 |
Strategie und Tätigkeiten | Befugnis, über die Strategie eines Unternehmen zu entscheiden oder die Tätigkeiten eines Unternehmens zu lenken. | Kontrollindiz: Einzelfallprüfung auf etwaiges Kontrollverhältnis. Sofern positiv, Bildung einer Kontroll-GvK. | Tz. 13 Uabs. 3 Nr. iv BaFin-RS 14/2018 |
Wichtige Transaktionen | Befugnis, über wichtige Transaktionen zu entscheiden, z. B. die Verlagerung von Gewinnen und Verlusten. | Tz. 13 Uabs. 3 Nr. v BaFin-RS 14/2018 |
Abstimmung der Geschäftsführung mit anderen Unternehmen | Recht oder Fähigkeit, die Geschäftsführung eines Unternehmens mit derjenigen eines anderen Unternehmens abzustimmen, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen, z. B.: Personengleichheit in der GL, im Vorstand von zwei oder mehr Unternehmen vertretene identische Person. | Tz. 13 Uabs. 3 Nr. vi BaFin-RS 14/2018 |
Kapitalmehrheit | Halten von mehr als 50 % der Kapitalanteile (nicht bereits ab 50 %). | Tz. 13 Uabs. 3 Nr. vii BaFin-RS 14/2018 |
Garantieübernahme | Ein Kunde hat vollständig oder teilweise eine Garantie für die Risikoposition eines anderen Kunden übernommen, und die Risikoposition ist für den Garantiegeber so bedeutend, dass der Garantiegeber wahrscheinlich in finanzielle Schwierigkeiten gerät, wenn ein Garantiefall eintritt. | Indiz einer wirtschaftlichen Abhängigkeit: erforderlich. Sofern positiv, Bildung einer GvK aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeit. Hinweis: Es existieren keine Kriterien, die zwingend eine GvK aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeit begründen. Alle Tatbestände sind indikativ und diese Liste aus dem BaFin-RS 14/2018 ist nicht als abschließend anzusehen. Sofern weitere Abhängigkeitsaspekte identifiziert werden, sind diese gleichermaßen zu berücksichtigen. | Tz. 25 Buchstabe a BaFin-RS 14/2018 |
Rechtsstellung als Gesellschafter | Ein Kunde haftet gem. seiner Rechtsstellung als Gesellschafter in einem Unternehmen, z. B. ein Komplementär in einer KG, und die Risikoposition ist für den Kunden so bedeutend, dass er wahrscheinlich in finanzielle Schwierigkeiten gerät, wenn ein Anspruch gegen das Unternehmen geltend gemacht wird. | Tz. 25 Buchstabe b BaFin-RS 14/2018 |
Abhängigkeit von einem bestimmten Kunden | Ein bedeutender Teil der (jährlichen) Bruttoeinnahmen (Bruttoaufwendungen) eines Kunden stammt aus Transaktionen mit einem anderen Kunden (z. B. der Eigentümer einer Wohn-/Gewerbeimmobilie, deren Mieter einen bedeutenden Teil der Miete zahlt), die nicht einfach ersetzt werden können. | Tz. 25 Buchstabe c BaFin-RS 14/2018 |
Abhängigkeit von einem bestimmten Abnehmer | Ein bedeutender Teil der Produktion/Leistung eines Kunden wird an einen anderen Kunden des Instituts veräußert, und die Produktion/Leistung kann nicht einfach an andere Kunden verkauft werden. | Tz. 25 Buchstabe d BaFin-RS 14/2018 |
Dieselbe Finanzierungsquelle | Zwei oder mehr Kunden haben voraussichtlich dieselbe Finanzierungsquelle für die Rückzahlung der Darlehen, und keiner der Kunden verfügt über eine andere unabhängige Einnahmequelle, aus der das Darlehen bedient und vollständig zurückgezahlt werden kann. | Tz. 25 Buchstabe e BaFin-RS 14/2018 |
Gesamtschuldnerische Haftung | Situationen, in denen die Kunden aufgrund eines Gesetzes oder Vertrags gesamtschuldnerisch für Verbindlichkeiten gegenüber dem Institut haften (z. B. ein Schuldner und sein Mitkreditnehmer). | Tz. 25 Buchstabe f BaFin-RS 14/2018 |
Bankkunde hat bedeutende Forderungen ggü. anderem Bankkunden | Ein bedeutender Teil der Forderungen oder Verbindlichkeiten eines Kunden bestehen gegenüber einem anderen Kunden. | Tz. 25 Buchstabe g BaFin-RS 14/2018 |
Gemeinsame Eigentümer, Aktionäre oder Gesellschafter | Z. B. horizontale Gruppen, bei denen ein Unternehmen mit einem oder mehreren anderen Unternehmen verbunden ist, da sie alle die gleiche Aktionärsstruktur ohne einen allein kontrollierenden Aktionär aufweisen oder da sie unter einheitlicher Leitung stehen. | Tz. 25 Buchstabe h BaFin-RS 14/2018 |
Abb. 3: Die Zusammenfassungstatbestände für eine GvK nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR i. V. m. BaFin-RS 14/2018.
2. Anknüpfungspunkte zur Optimierung der Größe einer GvK
a) Paritätische Beteiligungen
Gem. § 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 lit. c) KWG sind zwei oder mehr Kunden zwingend zu einer KNE zusammenzufassen, sofern ein Kunde einen Stimmrechts- oder Kapitalanteil von mindestens 50 % an dem oder den anderen hält. Eine GvK ist demgegenüber nur dann zwingend zu bilden, wenn eine tatsächliche Stimmrechtsmehrheit vorliegt, also mindestens „50 plus X“ (Tz. 13 Uabs. 2 Nr. i BaFin-RS 14/2018). Insbesondere bei Vorliegen sogenannter paritätischer Beteiligungen, also Situationen, in denen zwei Kunden, egal ob natürliche oder juristische Person, mit einem Anteil von 50 % an einem Unternehmen beteiligt sind, ergibt sich hieraus ein spürbarer Unterschied.
Sind die zwei Gesellschafter und das betrachtete Unternehmen allesamt Kunden der gleichen Bank, so muss dieses Institut zwei KNE bilden: Die beiden beteiligten Kunden sind jeweils mit dem Beteiligungsunternehmen in einer KNE zu vereinen. Eine GvK müsste in dieser Konstellation hingegen nicht gebildet werden, vorausgesetzt natürlich, dass keine anderen Zusammenfassungstatbestände zutreffen. Losgelöst vom Sachverhalt der paritätischen Beteiligung führen selbstverständlich auch alle anderen Gegebenheiten, bei denen ein Kunde lediglich mit maximal genau 50 % Kapital oder Stimmrechten an einem anderen Kunden beteiligt ist, zu keiner GvK-Zusammenfassungspflicht. Ein sinnvoller Baustein einer Bestandanalyse besteht demzufolge also darin, alle GvK zu selektieren, bei denen Beteiligungen i. H. v. 50 % zwischen den betroffenen Kunden bestehen. Sofern keine anderen Zusammenfassungstatbestände schlagend sind, ist es legitim, diese GvK wieder aufzulösen.
b) Der indikative Charakter der Kapitalmehrheit
Während eine Stimmrechtsmehrheit zwingend zu einer GvK-Bildung führt, handelt es sich bei der Kapitalmehrheit gem. Tz. 13 Uabs. 3 Nr. vii BaFin-RS 14/2018 lediglich um einen sogenanntes Kontrollindiz, das ein Institut bei der GvK-Bildung zwar grundsätzlich überprüfen muss, welches aber nicht zwingend zu einer solchen Kundenzusammenfassung führt. In der Praxis gehen Stimmrechts- und Kapitalmehrheit häufig Hand in Hand, hergestellt durch entsprechende Paragraphen im Gesellschaftsvertrag, die beispielweise jedem Euro Beteiligungskapital pauschal eine bestimmte Anzahl Stimmen auf der Gesellschafterversammlung zuordnen. Allerdings kann es auch vorkommen, dass Stimmrechts- und Kapitalanteile der Beteiligten nicht identisch sind und ein Gesellschafter zwar eine Kapital-, jedoch keine Stimmrechtsmehrheit besitzt. In diesen Fällen lohnt sich eine genaue Analyse der Gesellschaftsverträge. Eine Zusammenfassung zu einer GvK ist in solchen Fällen nur dann erforderlich, wenn sich aus der Kapitalmehrheit eine mittelbare Kontrolle des entsprechenden Gesellschafters herleiten lässt. Diese mittelbare Kontrolle ist dann gegeben, wenn der Mehrheitsbeteiligte durch Androhung des Abzugs seines Kapitalanteils seine Interessen auf der Gesellschafterversammlung trotz Fehlen einer Stimmrechtsmehrheit einseitig durchsetzen kann.
Der Mehrheitskapitalgeber müsste hierfür seine Einlage sehr kurzfristig abziehen können und das betroffene Unternehmen dürfte in dieser Zeit keinen anderen Eigenkapitalgeber ausfindig machen können, der diese Lücke schließt. Eine solche Konstellation sollte in der Praxis jedoch für gewöhnlich nur selten vorkommen. Häufig bestehen im Gesellschaftsvertrag längere Kündigungsfristen, so dass für die verbleibenden Gesellschafter ausreichend Zeit verbleibt, den Eigenmittelabzug auszugleichen. Gegebenenfalls hat einer der anderen Beteiligten sogar unmittelbaren Zugriff auf Kapitalersatz, z. B. in Form von hohem Privatvermögen, das er kurzfristig zumindest übergangsweise bereitstellen kann. Unter solchen Umständen läuft die Androhung des Kapitalabzugs ins Leere (sogenannter „cheap talk“) und es ist keine GvK aufgrund von Kontrolle nach Tz. 13 Uabs. 3 Nr. vii BaFin-RS 14/2018 zu bilden. Aus diesem Grund ist eine Analyse von GvK, denen verbundene Kunden ausschließlich aufgrund einer Kapitalmehrheit hinzugefügt wurden, sinnvoll. Treffen die oben ausgeführten entlastenden Argumente zu, können die Mehrheitskapitalgeber aus der betroffenen GvK wieder herausgelöst werden.
c) Der Tatbestand der persönlichen Haftung
Bei der Bildung von KNE stellt die persönliche Haftung einen zwingenden Zusammenfassungstatbestand dar. Gem. § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 KWG betrifft dies Kapital- und Personenhandelsgesellschaften und deren persönlich haftende Gesellschafter sowie Partnerschaften und deren Partner. In der Systematik der GvK-Bildung handelt es sich hierbei lediglich um ein Indiz, welches nach Tz. 25 Buchstabe b BaFin-RS 14/2018 eine GvK aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeit hervorrufen kann, aber nicht zwingend muss. In diesem Kontext gilt es Folgendes abzuwägen. Zu untersuchen ist, ob der persönlich haftende Gesellschafter, z. B. die Komplementärin einer KG, im Falle einer finanziellen Schieflage des betroffenen Unternehmens selber in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.
Hierbei ist in jedem Fall eine Einzelfallprüfung der zugrunde liegenden Verhältnisse erforderlich. Besitzt ein Komplementär beispielsweise sehr viel Vermögen, welches die Verbindlichkeiten der KG in Summe deutlich übersteigt, so ist regelmäßig keine GvK-Bildung vorzunehmen, vorausgesetzt natürlich, dass keine anderen Zusammenfassungstatbestände greifen. Demnach empfiehlt es sich für ein Institut, solche GvK näher zu betrachten, bei denen Kunden ausschließlich aufgrund ihrer persönlichen Haftung hinzugefügt wurden. Gegebenenfalls besteht die Möglichkeit, die wirtschaftliche Abhängigkeit, wie oben dargestellt, zu verneinen und den Umfang dieser GvK zu reduzieren.
3. Interdependenzen zur Einheitenbildung in der internen Risikosteuerung
Die GvK gem. CRR und die KNE nach KWG sind grundsätzlich losgelöst voneinander zu betrachten. Sowohl die Anwendungsbereiche als auch die Zusammenfassungstatbestände sind verschieden. Eine Verbindung zwischen diesen besteht in erster Linie darin, dass die GvK die KNE, wie oben ausgeführt, in wesentlichen Bereichen abgelöst hat. Dass sie die KNE in ihrem letzten verbliebenen Anwendungsfeld, dem Millionenkreditmeldewesen nach § 14 KWG, noch nicht ersetzt hat, liegt auskunftsgemäß darin begründet, dass die Aufsicht die Methodenkonsistenz der in dieser rein nationalen Meldung herangezogenen Einheitenbildung sicherstellen will, um eine statistisch saubere Vergleichbarkeit über den vergangenen und zukünftigen Betrachtungshorizont hinweg zu gewährleisten.
Zwischen der GvK und der wirtschaftlichen Einheit bzw. Risikoeinheit nach MaRisk hingegen besteht eine engere Verbindung, die vielen Bankpraktikern jedoch nicht bewusst ist. Da die GvK im Gegensatz zur KNE wirtschaftliche Abhängigkeiten berücksichtigt, erfüllt sie aus aufsichtsrechtlicher Perspektive auch die Anforderungen an eine sachgerechte Abbildung von Adressenausfallrisiken und kann demzufolge auch als Einheit nach MaRisk (AT 4.3.2. Tz. 1 i. V. m. BTR 1. Tz. 1 und Tz. 2) herangezogen werden.
Neben den aufsichtsrechtlichen Einheiten, zu deren Bildung sie ohnehin verpflichtet sind, unterhalten Banken häufig weitere interne Einheiten anhand institutseigener Kriterien. Dies umfasst beispielsweise Vertriebseinheiten oder sogenannte Familienverbünde. Da die Risikosteuerungs- und Controllingprozesse der Säule II des Baseler Rahmenwerks (national umgesetzt im Wesentlichen durch die Vorgaben der MaRisk) von deutlich mehr Freiheitsgraden geprägt sind als die Mindestanforderungen an die Eigenmittel und die Liquidität der Säule I und institutsindividuelle Spezifika hier eine deutliche größere Rolle spielen, umfassen die MaRisk-Einheiten in der Praxis häufig einen Mix aus GvK und weiteren Einheiten.
Die GvK-Zusammenfassungstatbestände stellen hierbei den Minimalumfang dar, der zur Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen ausreicht. Optional können diese ergänzt werden um weitere Zusammenfassungstatbestände, z. B. aus dem Bereich der internen Einheiten. Denkbar ist ebenso, dass eine Bank in diesem Kontext auch freiwillig auf Aspekte aus dem Bereich der KNE zurückgreift und z. B. paritätische Beteiligungen grundsätzlich in ihren Risikoeinheiten nach MaRisk berücksichtigt. In jedem Fall eröffnet sich aus der Klarstellung, dass die GvK als Risikoeinheit herangezogen werden kann, ein weiterer Ansatz für die Banken zur Verschlankung der internen Bearbeitungsprozesse.
PRAXISTIPPS
- Als Ergebnis einer sorgfältige Bestandsanalyse lässt sich der Umfang gebildeter Gruppen verbundener Kunden nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR in vielen Fällen reduzieren. Dies hat positive Auswirkungen sowohl auf die regulatorischen als auch auf die prozessualen Lasten eines Instituts, z. B. im Eigenmittel- und Großkreditregime oder bei der Umsetzung der Organkreditvorschriften nach § 15 KWG.
- Aufgrund der Berücksichtigung wirtschaftlicher Abhängigkeiten erfüllen Gruppen verbundener Kunden die Voraussetzungen einer Risikoeinheit bzw. wirtschaftlichen Einheit nach AT 4.3.2 Tz. 1 i. V. m. BTR 1 Tz. 1 und Tz. 2 MaRisk. Zur Vereinfachung der internen Prozesse kann für die sachgerechte Abbildung von Adressenausfallrisiken in den internen Risikosteuerungs- und Controllingprozessen demnach auf Gruppen verbundener Kunden abgestellt werden. Diese können dann optional um weitere institutsindividuelle Zusammenfassungstatbestände zur Berücksichtigung hauseigener Spezifika ergänzt werden.