Dienstag, 20. Juli 2021

Bilanzmanipulationen

Frühzeitiges Erkennen von Manipulationspraktiken

Thomas Kohlhase, Senior Credit Analyst, Fixed Income, Ampega Asset Management GmbH

 

Hintergrund

Immer wieder kommt es in regelmäßigen Abständen zu Bilanzskandalen, welche große mediale Aufmerksamkeit erzeugen. Aber gerade auch im kleinen Rahmen und Verborgenen spielt sich die Vielzahl der Fälle ab. Ebenso haben im Windschatten von Krisen, wo staatliche Hilfen in Fülle ausgeschüttet werden, Unternehmen und Privatpersonen erhöhte Anreize manipulativ zu agieren, um in den Genuss dieser Auszahlungen zu kommen. Leidtragende sind meist die Gläubiger oder in letztgenannten Fällen der Steuerzahler. Ebenso kommt es bei Unternehmen, wo die Anteile breit gestreut sind, insbesondere Aktiengesellschaften, zu Vermögensschädigungen der Gesellschafter, was zudem begünstigt wird, wenn Eigentum und Kontrolle nicht in einer Hand liegen (Moral-Hazard-Problematik). 

Die klassische Bilanzanalyse mit ihren Ansprüchen die zur Verfügung stehenden Unternehmensdaten adäquat aufzubereiten, um eine adäquate Bewertung bzw. Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens zu erhalten, stößt jedoch regelmäßig an ihre Grenzen. Denn die Rechenwerke des Jahresabschlusses (Bilanz, GuV, Kapitalflussrechnung) zeigen nicht zwingend eindeutig und von interessenbedingter Einflussnahme freie Informationen. Denn der Jahresabschluss ist ein Ergebnis subjektiver Wertungsprozesse bzw. bilanzpolitischer Maßnahmen. Gängige Problemfelder der Bilanzanalyse sind: Unvollständigkeit der Informationen; Verwendung von veraltetem Zahlenmaterial; Fehlen eines objektiven Vergleichsmaßstabes; Komprimierung der Sachverhalte.

Schwierig in der Praxis ist zudem die Abgrenzung zwischen Bilanzgestaltung und Bilanzmanipulation. Bei der Bilanzgestaltung bzw. auch Bilanzpolitik genannt geht es um die Ausnutzung eines nach den einschlägigen Bilanzierungsregelungen (z. B. HGB, IFRS) möglichen Handlungsspielraums. Demgegenüber steht die Bilanzmanipulation. Bei dieser Art der Beeinflussung des Rechnungswesens geht es darum, dass absichtlich gegen Gesetze, Standards oder vertragliche Vereinbarungen verstoßen wird. Es handelt sich hierbei immer um illegale Handlungen.

Die Möglichkeiten das Rechnungswesen zu manipulieren sind vielfältig. In der Praxis sind häufig folgende Konstellationen anzutreffen:

  • Fiktive oder nicht periodengerechte Umsätze (z. B. durch Scheinverkäufe)
  • Zeitlich versetzte Buchungen (z. B. notwendige Einzelwertberichtigungen auf zweifelhafte Forderungen werden erst nach dem Bilanzstichtag gebucht)
  • Verschleierte Verbindlichkeiten oder Aufwendungen (z. B. Ausgaben werden nicht erfolgswirksam gebucht, sondern als Investitionen aktiviert)

 

Hinweise zum Erkennen von Bilanzmanipulation

Doch es gibt Möglichkeiten, die Manipulation des Rechnungswesens zu erkennen. Nachfolgend sind exemplarisch Auffälligkeiten (sogenannte Red Flags) aufgeführt:

  • Unplausible Veränderung der Umsatzerlöse, insbesondere überdurchschnittlicher Anstieg in Geschäftsfeldern ohne starkes Wachstumspotenzial oder in einem schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfeld (Peer- und Branchenvergleich)
  • Hohe Stornoquoten zu Beginn eines Geschäftsjahres
  • Auffällige Altersstruktur von Forderungen oder Verbindlichkeiten
  • Plötzliche Zunahme der Profitabilität (im Vergleich mit Vorjahresdaten oder mit Branchendaten)
  • Negativer Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit bei gleichzeitiger Zunahme des Gewinns
  • Ungewöhnliche Veränderungen des Verhältnisses zwischen Anlagevermögen und Abschreibungen
  • Nicht zwingend notwendige Änderung der Unternehmensstruktur hin zu einer extrem komplexen Organisationsstruktur mit ungewöhnlichen rechtlichen Einheiten und nicht prüfungspflichtigen Gesellschaften

 

Faktor „Mensch“

Neben der klassischen Bilanzanalyse ist im traditionellen Kreditgeschäft zudem die persönliche Einordnung der handelnden Personen (Geschäftsführung, Management) elementar. Verschiedene Tätertypen (Visionär, Narzisst, Abhängige etc.) und ihre Motivationen (übersteigertes Selbstbild, ehrgeizig und zielstrebig etc.) müssen dazu in der Beurteilung mitberücksichtigt werden. Sich auf die Prüfung der internen Kontrollsysteme zu verlassen, falls diese je nach Unternehmensgröße überhaupt erfolgt, reicht nicht aus. Neben dem „Bauchgefühl“ sind zudem weitere Faktoren zu berücksichtigen: Existieren offensichtliche Gelegenheiten zu manipulativem, kriminellem Handeln? Besteht innerer (u. a. Ziel- und Bonuserreichung) oder äußerer Druck (Aktionäre, Banken wegen Covenants, Ratingverbesserung etc.)?

Zudem ist die Konzern- und oder Gruppenstruktur materiell. Wie komplex ist die Gruppe aufgestellt (Organigramm)? Passt die Struktur zum Geschäftsmodell und den Geschäftsfeldern? Wird auf die Erstellung einer konsolidierten Bilanz (bewusst) verzichtet? Existieren interne Darlehen?

PRAXISTIPPS

  • Analysieren Sie die Jahresabschlüsse selbst oder mit Hilfe externer Spezialisten. Vertrauen Sie nicht alleine auf Analysten – es besteht die Gefahr, dass diese eigene Ziele verfolgen könnten.
  • Scheuen Sie sich nicht, an Ihre Kreditnehmer kritische Fragen zu stellen, wenn Sie bei Ihrer Analyse der Jahresabschlüsse „Red Flags“ identifiziert haben.
  • Lassen Sie sich bei Antworten auf Ihre Fragen nicht mit allgemein gültigen Aussagen „abspeisen“; insbesondere dann wenn der Kreditnehmer versucht, wiederholt fehlerhafte Rechnungslegung mit dem Verweis auf die Wesentlichkeit zu rechtfertigen.

Beitragsnummer: 18259

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