Donnerstag, 17. Juni 2021

Umfang der Plausibilitätsprüfung bei Nachrangdarlehen

Prof. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 In seiner Entscheidung vom 20.02.2019, Az. 1 U 50/18 (WM 2021, 1071 ff.) hält das OLG Bremen zunächst fest, dass der Anlageberater im Rahmen einer Anlageberatung als Teil der anlegergerechten Beratung auch die Pflicht zur Plausibilitätsprüfung trifft und damit auch die Pflicht, die Anlage und deren Konzeption auf ihre Nachvollziehbarkeit und Vertretbarkeit zu überprüfen. Darüber hinaus sei der Anlageberater jedenfalls bei den in sein Anlageprogramm aufgenommenen Anlageprodukte verpflichtet, diese einer eigenen Prüfung zu unterziehen, auf deren Grundlage der Anlageinteressent davon ausgehen darf, dass der Anlageberater diese in sein Anlageprogramm aufgenommenen Kapitalanlagen selbst als gut befunden hat, was auch als Prüfung der Anlage mit branchenüblichem kritischen Sachverstand angesehen wird.

Dies zugrunde gelegt hält das OLG Bremen sodann fest, dass sich bei einer Anlage in ein festverzinsliches Nachrangdarlehen die Aufklärungs- und Beratungspflichten des Anlageberaters nicht auf die Umstände der Verzinsung und der Nachrangigkeit des Darlehens beschränken, sondern auch die Frage erfassen, inwieweit der Darlehensnehmer nach seinem Geschäftskonzept zur Rückzahlung und Verzinsung in der Lage sein wird. Insofern habe der Anlageberater bei einer Anlage in ein festverzinsliches Darlehen im Rahmen der Plausibilitätsprüfung auch zu prüfen, ob ein schlüssiges Gesamtkonzept aus zu erwartenden Kosten und Einnahmen des Darlehensnehmers dargetan ist, welches es nach nachvollziehbar zu erwarten erscheinen lässt, dass der Darlehensnehmer zu den vereinbarten Zahlungen in der Lage sein wird. Der bloße allgemeine Hinweis auf ein Totalverlustrisiko sei nicht genügend und ersetzte die geschuldete anlegergerechte Beratung und Plausibilitätsprüfung nicht.

Hieran anschließend führt das OLG Bremen u.H.a. KG Berlin (MDR 2015, 975) aus, dass die Kausalität der ursprünglichen Beratungsleistung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der verletzten Pflicht grundsätzlich dann nicht mehr vorliegt, wenn der Anleger nach einer auf die Beratung folgenden Zeichnung unabhängig davon noch ein weiteres Mal die Anlage zeichnet. Allerdings stellt das OLG Bremen gleichzeitig u.H.a. BGH, Urt. v. 22.06.1993 (WM 1993, 1457) klar, dass der Bundesgerichtshof auch entschieden habe, dass bei einer fortbestehenden Kundenbeziehung und weiteren Anhaltspunkten für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem auf Aufklärungsmängeln beruhenden Erstgeschäft und den Folgeaufträgen die Kausalität der ursprünglichen Beratungsleistung auch für nachfolgende Zeichnungen fortwirken kann. Dabei könne für eine solche Schutzzweck-Haftungserweiterung der ursprünglichen Beratung auch auf die späteren Folgegeschäfte sprechen, dass die Parteien auch vor den Folgegeschäften in Kontakt standen und der Anlageberater die Zeichnungsunterlagen auch für die neuen Anlagen übermittelte und sich dabei nicht auf eine bloße Botenrolle beschränkte. Demgegenüber könne von einer Kausalität der ursprünglichen Beratungsleistung des Anlageberaters auch für spätere Folgegeschäfte dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn die nachfolgende Anlage so wesensverschieden von der ursprünglichen Anlage ist, dass auch aus Sicht des Anlegers nicht mehr angenommen werden kann, dass die ursprüngliche Beratung auch für die nachfolgende Anlage von Bedeutung sein könnte.

 

PRAXISTIPP

Das ein Anlageberater die von ihm in sein Anlageprogramm aufgenommenen Anlageprodukte nicht nur einer Plausibilitätsprüfung, sondern auch einer Prüfung mit branchenüblichem kritischen Sachverstand zu unterwerfen hat, entspricht schon seit jeher der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und wurde vom OLG Bremen lediglich auf die Vermittlung eines Nachrangdarlehens als Kapitalanlage erweitert.

Entsprechend den Hinweisen des OLG Bremen zum Zurechnungszusammenhang hat auch der Bundesgerichtshof einige Monate nach Ergehen der Entscheidung des OLG Bremen ebenfalls entschieden, dass der Schutzzweck einer Auskunfts- oder Beratungspflicht im Rahmen der Anlageberatung nicht stets nur auf den ersten Erwerb einer Anlage nach dem Gespräch, in dem die Empfehlung ausgesprochen worden ist, begrenzt ist sondern dass sich eine Anlageberatung in bestimmten konkreten (Ausnahme-)Fällen auch auf nachfolgende, vom selben Anleger getätigten Kapitalanlagegeschäfte beziehen kann (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.2019, Az. III ZR 244/18, WM 2020, 119). Insofern sollte jeder Anlageberater darauf achten, solche von ihm dauerhaft beratene Anleger darauf hinzuweisen, dass sich seine Beratung in Bezug auf ein konkretes Kapitalanlageprodukt nicht auch auf nachfolgende Produkte bezieht oder fortwirkt. Diesen Hinweis sollte er vorsorglich auch zu Beweiszwecken dokumentieren. Denn ansonsten riskiert der Anlageberater wie in den Fällen des BGH sowie des OLG Bremen, auch für Folgeentscheidungen des Kapitalanlegers zu haften, auch wenn er in Bezug auf die „Nachfolge-Anlagenprodukte“ keine Anlageberatung erbracht hat.


Beitragsnummer: 18248

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