Donnerstag, 17. Juni 2021

EU-Rechtswidrigkeit der deutschen dreijährigen Verjährung (§ 195 BGB)?

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

In seiner Entscheidung vom 22.04.2021, Az. Rs. C-485/19, WM 2021, 973, gelangt der EuGH zum Ergebnis, dass eine nationale Vorschrift, nach welcher der Anspruch des Verbrauchers auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Entgelte auch dann innerhalb von drei Jahren verjährt, wenn der Verbraucher von der Missbräuchlichkeit der Klausel keine Kenntnis hat, gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz verstößt und daher unwirksam ist. Zur Begründung führt der EuGH aus, dass in einem solchen Fall dem Verbraucher die Ausübung seiner Rechte, die ihm von der Richtlinie 93/13 oder von der Richtlinie 2008/48 verliehen werden, übermäßig erschwert werden und demgemäß gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt (vgl. Rn. 60 bis 64).

 

PRAXISTIPP

Nachdem nach der deutschen Regelung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für den Beginn der Verjährung grundsätzlich allein die Kenntnis des Verbrauchers von den den Anspruch begründenden Umstände ausreichend ist und damit allein die Kenntnis von der Erhebung des Entgelts, eine zutreffende rechtliche Würdigung der Umstände i. S. der Kenntnis von der Unwirksamkeit der Klausel wiederum grundsätzlich nicht erforderlich ist, könnte aufgrund vorstehender Entscheidung des EuGH der Bundesgerichtshof im Wege der europarechtskonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu der Auffassung gelangen, dass auch die dreijährige Grundsatzverjährung nach deutschem Recht i. S. der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB gegen den Effektivitätsgrundsatz verstößt. Dies deshalb, da die dreijährige deutsche Verjährung grundsätzlich auch dann zu laufen beginnt, wenn der Verbraucher keinerlei Kenntnis von der etwaigen Unwirksamkeit des vereinnahmten Entgelts oder von der AGB-rechtlichen Unwirksamkeit der entsprechenden Entgelt-Klausel hat. Insofern könnte es durchaus sein, dass der Bundesgerichtshof im Wege einer europakonformen Auslegung der Norm des § 199 Abs. 1 BGB dazu übergeht, von der Kenntnis des Verbrauchers von den den Anspruch begründenden Umständen i. S. v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur dann auszugehen, wenn der Verbraucher Kenntnis von der Unwirksamkeit der Entgeltklausel hatte oder hätte haben können.


Beitragsnummer: 18246

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