Donnerstag, 17. Juni 2021

Verantwortlichenhaftung bei Schneeballsystem

Zur Darlegungslast des Geschädigten.

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

In seiner Entscheidung vom 04.02.2021, Az. III ZR 7/20 (WM 2021, 9/21) hält der Bundesgerichtshof zunächst fest, dass nach seiner Rechtsprechung Geschäftsführer, (faktische) Geschäftsleiter oder Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft dann nach § 826 BGB auf Schadensersatz haften, wenn das von ihnen ins Werk gesetzte Geschäftsmodell der Gesellschaft von vornherein auf Täuschung und Schädigung der Kunden angelegt ist, es sich mithin um ein „Schwindelunternehmen“ handelt. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn sich das Konzept als von vornherein chancenlos erweist und im Ergebnis nur dem eigenen Vorteil der maßgeblich damit befassten Personen dient (Rn. 16).

In diesem Zusammenhang weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass bei demjenigen, der in federführender Stellung an der Verwirklichung eines solchen Geschäftsmodells mitwirkt, das schwerpunktmäßig auf eine sittenwidrige Schädigung gerichtet ist, die praktische Lebenserfahrung dafür spricht, dass dies bewusst und unter Inkaufnahme von Schäden der Geschäftskunden, mithin zumindest bedingt vorsätzlich erfolgte, wobei in Fällen sogenannter Schneeballsysteme die Absicht des Täters, Anleger zu schädigen, so greifbar ist, dass der Sittenverstoß unmittelbar aus dem Gegenstand der Anlage selbst abgeleitet werden kann. Denn hier hänge die Rendite der Kapitalanleger davon ab, dass fortwährend neue Anleger für das System in einem Maße gefunden werden, das aufgrund der Marktverhältnisse vernünftigerweise nicht zu erwarten ist (Rn. 16).

Was wiederum die Substantiierungs- und Darlegungslast anbelangt, so erinnert der Bundesgerichtshof zunächst daran, dass ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs dann schlüssig und damit als Prozessstoff erheblich ist, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genüge das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, könne der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht mehr verlangt werden (Rn. 18).

Dieser Grundsatz gilt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs jedoch nicht uneingeschränkt. Vielmehr erfahre dieser Grundsatz unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit dann eine Einschränkung, wenn die primär darlegungsbelastete und geschädigte Partei keine nähere Kenntnis von den maßgeblichen Umständen und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während der Prozessgegner, der Schädiger, die wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. In diesen Fällen treffe den Schädiger wiederum die sekundäre Darlegungslast, in deren Rahmen es ihm auch obliegt, zumutbare Nachforschungen anzustellen (Rn. 19).

Ist es wiederum dem primär darlegungsbelasteten Geschädigten aufgrund Zumutbarkeitserwägungen nicht möglich und zumutbar, weiteren Vortrag zu bringen, dann ist es Sache des Schädigers, sich im Rahmen der ihn nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Komme der Schädiger dieser sekundären Darlegungslast nicht nach, würden die Behauptungen des Anspruchstellers/Geschädigten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten (Rn. 19).

Genüge wiederum der Schädiger/Anspruchsgegner seiner dahingehenden sekundären Darlegungslast, dann sei es wiederum Sache des Anspruchstellers/Geschädigten, für seine Behauptung entsprechende Umstände darzulegen und auch zu beweisen (Rn. 19).

 

PRAXISTIPP

In seinem vorstehenden Urteil bestätigt der Bundesgerichtshof seine bereits früher in seinen Entscheidungen vom 04.10.2018 und 07.06.2018 (WM 2018, 2175 u. 1252) aufgestellten Grundsätze zur Substantiierungs- und Darlegungslast der Parteien sowohl im Rahmen eines Anlageberatungsprozesses als auch bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach § 826 BGB. Dabei hebt der Bundesgerichtshof die vorinstanzlichen Urteile auf, weil diese nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die an einen geschädigten Anspruchsteller zu stellenden Anforderungen in Bezug auf die Substantiierungslast überzogen hätten. Anders als die Instanzgerichte meint der Bundesgerichtshof nämlich, dass der Geschädigte mangels näherer Kenntnis von den internen Vorgängen bei den betroffenen Unternehmen lediglich ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vortragen muss, welche eine durch den vermeintlichen Schädiger beeinflusste Weiterführung des Schneeballsystems als naheliegend erscheinen lassen, was der Geschädigte im konkreten Fall nach Auffassung des Bundesgerichtshofs getan hatte.

 


Beitragsnummer: 18244

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