Mittwoch, 19. Mai 2021

AG Köln zum neuen StaRUG

Andrea NeuhofRechtsanwältin und Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

Nach dem Inkrafttreten des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, kurz StaRUG, am 01.01.2021 liegen nun die ersten Entscheidungen hierzu vor. So hat sich das Amtsgericht Köln mit Beschluss vom 03.03.2021 – 83 RES 1/21 – (Beck RS 2021, 5571) unter anderem mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen die Zugangsvoraussetzung zum Restrukturierungsverfahren in Form der drohenden Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Fast noch interessanter erscheint jedoch der zweite Teil dieses Beschlusses betreffend die Möglichkeiten, beispielsweise einen Konsortialkreditvertrag sowie eine Sanierungsvereinbarung durch den Restrukturierungsplan zu ändern. Eine Beschränkung auf die für die Erreichung des Restrukturierungsziels zwingend erforderlichen Änderungen sei insoweit weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen.

Gegenständlich war bzw. ist die Frage der Plangestaltung eines Konsortialkredits. Mit seinem Beschluss vom 03.03.2021 fasst das Gericht, wie in § 9 StaRUG vorgesehen, das Ergebnis seiner diesbezüglichen Vorprüfung zusammen, wobei es sich allerdings zunächst lediglich um eine vorläufige Einschätzung handelt. 

 

Im ersten Teil des Beschlusses zeigte sich das Gericht nicht vom erforderlichen Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin überzeugt. Die Ausführungen des Gerichts zu den Voraussetzungen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit sind allerdings nicht StaRUG-spezifisch. Insoweit kann auf die bereits seit Jahren gefestigten Grundsätze im Zusammenhang mit der Regelung des § 18 Abs. 2 InsO zurückgegriffen werden.

Im zweiten Teil des Beschlusses führt das Gericht aus, dass sowohl ein Konsortialkreditvertrag als auch eine Sanierungsvereinbarung durch einen Restrukturierungsplan grundsätzlich umfassend und über die für die Erreichung des Restrukturierungsziels zwingend erforderlichen Änderungen hinaus geändert werden könnten. Eine Beschränkung auf für die Erreichung des Restrukturierungsziels zwingend erforderliche Änderungen sei weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich vielmehr, dass es für die Phase der Umsetzung der Restrukturierung zweckmäßig (nicht: erforderlich) sein könne, übermäßig restriktive Bedingungen und Nebenbestimmungen zu lockern oder an die Restrukturierungssituation anzupassen. Möglich seien damit auch Regelungen mit einer „überschießenden Tendenz“, da keine Erforderlichkeit, sondern nur eine Zweckmäßigkeit für eine Änderung vorliegen müsse.

Weiter befasst sich das Gericht unter anderem mit Fragen der Gruppenbildung i. S. v. § 9 StaRUG, mit der Schlüssigkeit der aufgestellten Vergleichsrechnung sowie mit der Frage einer etwaigen individuellen Begünstigung eines oder mehrerer Planbetroffener, i. S. v. § 63 Abs. 4 StaRUG.

 

PRAXISTIPP

Gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG ist die Bestätigung des Restrukturierungsplans von Amts wegen zu versagen, wenn der Schuldner nicht drohend zahlungsunfähig ist. Auf Grundlage dieser Formulierung spricht viel dafür, im Falle eines non-liquid im Zweifel von einer zu erteilenden Bestätigung des Restrukturierungsplans und nur im Falle einer Überzeugung des Gerichts vom Nichtvorliegen drohender Zahlungsunfähigkeit von einer Versagung der Bestätigung auszugehen (ähnlich wohl Thole, NZI 2021, 433). Diesen Punkt sieht das AG Köln jedoch offenbar anders, indem es umgekehrt darauf hinweist, sich bislang noch nicht vom positiven Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit überzeugt haben zu können.

Vor allem aus Bankensicht interessant ist die Feststellung des Gerichts, wonach durch einen Restrukturierungsplan sowohl Konsortial- als auch Sanierungsvereinbarungen grundlegend und sogar über das erforderliche Maß hinaus abgeändert werden können. Leider finden sich im Beschluss des AG Köln hierzu keine vertieften Sachverhaltsinformationen, insbesondere auch bezüglich der Frage, ob denn die Abänderung von Konsortial- und Sanierungsvereinbarung auf dem konsensualen Wunsch aller Beteiligten beruht oder ob etwa einzelne Konsortialbanken in diesem Zusammenhang gegen ihren Willen überstimmt und ggf. zu aus deren Sicht unter Umständen auch ungünstigen Vertragsänderungen gezwungen werden sollen. Dass letzteres vorliegend nicht der Fall gewesen sein könnte, lässt sich auf Grundlage dessen mutmaßen, dass sich in dem Beschluss keine Ausführungen zu etwaigen Zustimmungsfiktionen gemäß § 26 StaRUG oder zum Minderheitenschutz gemäß § 64 StaRUG finden. Künftig werden derartige Fragestellungen allerdings auch und gerade aus Bankensicht mit höchstem Interesse zu verfolgen sein.

Im Ergebnis lässt sich freilich festhalten, dass zu dem noch sehr jungen StaRUG naturgemäß in absehbarer Zeit noch nicht mit einer belastbaren Rechtsprechungslinie zu den äußerst zahlreichen wie auch zumindest teilweise erst im Rahmen der praktischen Handhabung im Detail zutage tretenden Problembereichen zu rechnen ist. So spannend diese neue juristische „Spielwiese“ sein mag, so unsicher mag sich diese für den ein oder anderen Praktiker derzeit darstellen. Wenngleich die StaRUG-Sanierung zudem die „klassische“ außergerichtliche Sanierung sicher nicht kurzerhand verdrängen wird, so ist in ihr doch eine gewisse Chance auf einen zusätzlichen Baustein im bereits jetzt durchaus umfangreichen Baukasten der Unternehmenssanierung zu sehen. Insoweit bleibt hier mit Spannung abzuwarten, was die künftige Entwicklung bringen mag.

 


Beitragsnummer: 18221

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