Montag, 10. Mai 2021

Corona-Forderungsbewertung

Prüfung der handelsrechtlichen Forderungsbewertung im Jahresabschluss durch die Interne Revision

Diplom-Kaufmann Andreas Gertz, Fachrevisor, Abteilung Kredit- und Vertriebsrevision, Sparkasse Essen.

Ausgangssituation 

Die anhaltende Corona-Pandemie und ihre starken Auswirkungen auf zahlreiche Branchen stellen auch die Banken und Sparkassen vor große Herausforderungen; so liegt es in der Verantwortung der Kreditinstitute, einen den handelsrechtlichen Vorgaben entsprechenden Jahresabschluss und Lagebericht aufzustellen und dabei den Corona-bedingten Besonderheiten angemessen Rechnung zu tragen.

Um die von der Corona-Krise betroffenen Unternehmen zu identifizieren, reichen die bisherigen Frühwarnsysteme kaum aus. Haben sie auch in der Vergangenheit hinreichend valide Ergebnisse geliefert, sind diese in der aktuellen Situation nur eingeschränkt nutzbar. So wird ein Gastronom oder Messebauer trotz erheblichen – möglicherweise vollständigen – Umsatzausfalls durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen (KfW-Mittel, Überbrückungshilfen, Kurzarbeit) im Frühwarnsystem häufig unauffällig sein. Die zahlreichen Warnsignale, die z. B. auf Liquiditätsproblemen, Lastschriftrückgaben, Rückständen oder sinkenden Kontosalden fußen, kommen aufgrund der hohen Liquiditätsbestände aktuell nicht zum Tragen; gleichwohl stellt sich das Unternehmen zumindest mittelfristig ausfallgefährdet dar. 

Durchführung der Forderungsbewertung

Um betroffene (bislang unauffällige) Kreditnehmer zu identifizieren, ist daher eine Erweiterung des bestehenden Frühwarnsystems erforderlich. Denkbar ist die Nutzung eines Auswertungstools, das z. B. neben der Branche des Kreditnehmers die Inanspruchnahme von Förderkrediten und/oder Moratorien sowie den Rückgang der „regulären“ (d. h. operativen) Habenumsätze zum Inhalt hat. 

Die so identifizierten Kreditnehmer sind einer tieferen Betrachtung zu unterziehen. In einem ersten Schritt ist zu klären, ob die Branche und das Geschäftsmodell zukünftig, d. h. nach Ende der Corona-Krise, die nachhaltige Kapitaldienstfähigkeit des Kreditnehmers (wieder) gewährleisten. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und ggf. welche Maßnahmen erforderlich sind, den Zeitraum bis zur Wiederherstellung der nachhaltigen Kapitaldienstfähigkeit zu überbrücken. 

In welcher Form die Analyse der identifizierten Kreditnehmer erfolgen soll, ist im Ermessen des Kreditinstituts. Empfehlenswert ist die Nutzung eines „Corona-Fragebogens“, der durch Vertreter der Bereiche Markt, Marktfolge und Problemkreditbearbeitung in Abstimmung mit dem Bereich Revision entwickelt werden könnte und – standardisiert – für alle Engagements angewandt werden kann. 

Dieser könnte beispielweise folgendermaßen strukturiert sein:

  1. Waren die wirtschaftlichen Verhältnisse vor Corona geordnet?
  2. Ist der Kreditnehmer von Corona betroffen?
  3. Hat der Kreditnehmer Maßnahmen ergriffen, um seine Zahlungsverpflichtungen trotz Liquiditätsengpässen weiterhin erfüllen zu können? (z. B. Bereitstellung von Krediten, Entlastung der Auszahlungen, staatliche Maßnahmen, betriebliche Maßnahmen)
  4. Gibt es konkrete Beobachtungen, die für eine tatsächlich nicht gegebene Kapitaldienstfähigkeit im Geschäftsjahr 202x sprechen?
  5. Wie bewerten Sie das Geschäftsmodell des Kunden nach der Corona-Krise?
  6. Welche Anpassungen hat der Kreditnehmer am Geschäftsmodell vorgenommen/eingeleitet, um nach dem Ende der Corona-Krise wieder nachhaltig kapitaldienstfähig zu sein?
  7. Ist davon auszugehen, dass in einem vertretbaren Zeitraum die nachhaltige Kapitaldienstfähigkeit auch unter Berücksichtigung der erforderlichen Maßnahmen wiedererlangt wird?
  8. Gibt es Hinweise darauf, dass der Kunde in der nahen Zukunft den Kapitaldienst nicht mehr erbringen kann, bzw. seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann?

Um bestehende Prozesse nutzen zu können, erscheint ein Vorgehen analog dem bisherigen Frühwarnsystem sinnvoll. In Abhängigkeit von Obligo und ggf. Blankoanteil kann die Erst-analyse (und „Votierung“) durch den Betreuer im Markt, die Zweitanalyse in der Marktfolge und die abschließende Engagementzuordnung in der Problemkreditbearbeitung erfolgen. In der Problemkreditbearbeitung erfolgt auch die Entscheidung über eine ggf. zu bildende Risikovorsorge. 

Prüfungsansätze

Die Revision wird die Forderungsbewertung im Rahmen der Jahresabschlussanalyse betrachten. In einem ersten Schritt sollte überprüft werden, ob sämtliche identifizierten Kreditnehmer durch Markt, Marktfolge und Problemkreditbearbeitung bearbeitet („votiert“) wurden. Sofern es zu einer hohen Zahl abweichender Voten kommen sollte, erscheint eine Ursachenanalyse erforderlich. 

Aus Basis einer Zufallsstichprobe und/oder einer bewussten Auswahl (z. B. in Abhängigkeit von Obligo oder Blankoanteil) sollten im Anschluss Engagements untersucht werden.

Der Fokus der Prüfung könnte auf folgende Sachverhalte gelegt werden:

  • Analyse der wirtschaftlichen Verhältnisse; Einschätzung der aktuellen und zukünftigen Kapitaldienstfähigkeit
  • Nachvollziehbarkeit der durch Markt, Marktfolge und Problemkreditbearbeitung durchgeführten Analysen und Votierungen sowie der (künftigen) Einstufung des Engagements in Normalbetreuung, Intensivbetreuung, Sanierung oder Abwicklung
  • Angemessenheit der gebildeten Risikovorsorge 

Als Fazit der vorgenannten Betrachtung ist die Interne Revision in der Lage, eine Einschätzung der handelsrechtlichen (Corona-bedingten) Forderungsbewertung im Jahresabschluss abzugeben. 

PRAXISTIPPS

  • Das bestehende Frühwarnsystem reicht zur Identifizierung solcher Kreditnehmer nicht aus, die in besonderem Maße von der Corona-Krise betroffen sind. Daher ist ein zusätzliches Auswertungstool zu entwickeln, das z. B. Branchenzugehörigkeit und/oder Inanspruchnahmen von Förderkrediten und Moratorien berücksichtigt.
  • Auf Basis eines standardisierten Fragebogens können die zukünftige Kapitaldienstfähigkeit eingeschätzt und erforderliche Maßnahmen abgeleitet werden.
  • Die Revision kann bei Identifizierung der betroffenen Kreditnehmer und Entwicklung des Fragebogens einbezogen werden; in der nachträglichen Prüfung kann die Angemessenheit der vorgenommenen Forderungsbewertung untersucht werden. 

Beitragsnummer: 18203

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