Montag, 10. Mai 2021

Erkennung von möglichen Compliance-Risiken bei M&A-Transaktionen

Stephan Zirch, Senior Manager, Forensic, Risk & Compliance, BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

 

Hintergrund

Unsere Erfahrung zeigt, dass es bei M&A-Transaktionen immer wieder vorkommt, dass mögliche Zielunternehmen versuchen, durch Bilanzmanipulation ihre Unternehmenszahlen in einem positiveren Licht darzustellen, als die aktuelle bzw. geplante wirtschaftliche Lage eigentlich ist. In solchen Fällen ist oftmals das Ziel der Unternehmensleitung bzw. Eigentümer, durch Manipulation der Rechnungslegung (z. B. unrichtige Angaben im Jahresabschluss) und interner Berichte den Käufer dazu zu verleiten, Entscheidungen auf Basis falscher Annahmen zu treffen. In der Regel führt die Manipulation von Unternehmensinformationen zu einem unrealistischen (zu hohen) Kaufpreis.

Dies kann für den potenziellen Käufer teuer werden. Im besten Fall entdeckt der Käufer die Manipulationen bereits in der Entscheidungsphase über eine mögliche Unternehmenstransaktion und spart sich unnötige Kosten für die Durchführung der Due Diligence. Aber auch wenn die Bilanzmanipulation während der eigentlichen Due Diligence-Phase identifiziert wird, werden Risiken aufgedeckt, aus denen erhebliche finanzielle und rechtliche Folgen sowie Reputationsschäden entstehen können. 

Vor diesem Hintergrund entsteht die Frage, inwieweit die durch geplante Unternehmenstransaktion potenziellen Risiken und Kosten während der einzelnen Phasen eines Mergers minimiert werden können. 

Die möglichen Phasen eines Mergers

Im Optimalfall umfasst ein Merger drei Phasen, um Compliance-Risiken zu minimieren:

  1. Screening-Phase
  2. Pre-Merger-Phase
  3. Post-Merger-Phase

Bereits bei der Auswahl von potenziellen Kaufobjekten (Screening-Phase) sollte das Augenmerk auf eine Beurteilung möglicher Compliance- und Fraud-Risiken bei Zielunternehmen sowie deren Schlüsselpositionen (vor allem im Bereich Compliance aber auch Rechnungswesen) gelegt werden. Somit werden im Vorfeld Risiken vermieden, aus denen erhebliche finanzielle und rechtliche Folgen sowie Reputationsschäden entstehen könnten. 

Der Schwerpunkt, während der Pre-Merger-Phase liegt meist in der Bewertung von finanziellen oder rechtlichen Risiken. Die Risiken hinsichtlich Non-Compliance oder wirtschaftskriminellen Handlungen werden jedoch in vielen Fällen nicht betrachtet.

Doch auch nach der Übernahme des Zielunternehmens (Post-Merger-Phase) sollten die potenziellen Risiken nicht außer Acht gelassen werden, vor allem wenn erste Hinweise auf mögliche wirtschaftskriminelle Handlungen bestehen (u. a. Umsatzeinbrüche, Forderungen sind nicht werthaltig). 

 

Vermindern der Risiken im Rahmen eines Mergers

a.  Screening-Phase

Während dieser Phase werden noch vor den ersten Verhandlungen mögliche Compliance- oder Fraud-Risiken des Zielunternehmens identifiziert. Diese Compliance Due Diligence beinhaltet u. a. Informationen im Hinblick auf Geschäftsgebaren, Reputation und Integrität von natürlichen und juristischen Personen sowie den Geschäftsführern und Gesellschaftern des Zielunternehmens.

Die Screening-Phase sollte u. a. folgende Schwerpunkte hinsichtlich des Zielunternehmens beinhalten:

  • Durchführen eines ausführlichen Compliance-Integritätschecks (Hintergrund-Recherchen) u. a.:
    • Darstellung potenzieller geschäftlicher, politischer oder krimineller Verflechtungen.
    • Identifikation potenzieller Gerichtsverfahren, Vorstrafen, Insolvenzen; insbesondere auch hinsichtlich der Geschäftsführung und der für das Rechnungswesen verantwortlichen Personen sowie ausgewählter Stakeholder bzw. Geschäftspartner.
  • Durchführung von Interviews mit dem Management und/oder leitenden Mitarbeitern sowie ausgewählter Fachbereiche (u. a. Rechnungswesen, Vertrieb).

 

b.  Pre-Merger-Phase

Während der Kaufverhandlungen sollte sich der Käufer u. a. einen Überblick über die Ausgestaltung des Compliance Management Systems des Zielunternehmens verschaffen und die internen Kontrollen zu besonders fraud-anfälligen Prozessen analysieren und bei Bedarf mögliche Bilanzmanipulationen identifizieren. 

Im Rahmen dieser Phase sollten nicht nur die üblichen Unterlagen analysiert, sondern auch Interviews mit den Entscheidungsträgern geführt werden, um ein Verständnis der Risikokultur hinsichtlich Compliance- und Fraud-Risiken des Zielunternehmens zu erhalten. Zusätzlich sollte mit einer kritischen Analyse typischer fraud-relevanter Bilanz- und GuV-Positionen mögliche Bilanzmanipulationen aufgedeckt werden.

Die Pre-Merger-Phase sollte u. a. folgende Prüfungen beinhalten:

  • Analyse der Effektivität u. a. des rechnungslegungsbezogenen internen Kontrollsystems sowie des bestehenden Compliance Management Systems.
  • Kritische Analyse des Rechnungswesens im Hinblick auf typische fraud-relevante Positionen (Gehälterstruktur, Boni, Rückstellungen, etc.) als auch ungewöhnlicher Positionen (auffällige Umsatzschwankungen, Ausreißerpositionen, Anstieg Beraterkosten, etc.); vor allem:
    • Unplausible Veränderung der Umsatzerlöse, insbesondere überdurchschnittlicher Anstieg in Geschäftsfeldern ohne starkes Wachstumspotenzial oder in einem schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfeld.
    • Auffällige Altersstruktur von Forderungen oder Verbindlichkeiten. 
    • Plötzliche Zunahme der Profitabilität (im Vergleich mit Vorjahresdaten oder mit Branchendaten).

 

c.  Post-Merger-Phase

Nach der Übernahme stehen dem Käufer alle Daten des gekauften Unternehmens zur Verfügung. Dies ermöglicht eine vertiefende Prüfung der Prozess- und Kontrollumgebung hinsichtlich identifizierter Risikobereiche sowie des Rechnungswesens. Der Käufer hat somit die Möglichkeit, weitere bis dahin verdeckte Risiken aufzudecken und ggf. kaufpreismindernde Ansprüchen aus Gewährleistungen und Garantien gegenüber der Verkäuferseite geltend zu machen.

Die Post-Merger-Phase sollte u. a. folgende Schwerpunkte beinhalten:

  • Validierung der wesentlichen Assets, die Grundlage der Kaufpreisbestimmung waren, hinsichtlich deren Werthaltigkeit unter Zugrundelegung aller verfügbarer Informationen.
  • Eine forensische Sachverhaltsaufklärung und ggf. Schadensbewertung sollten u. a. bei den nachfolgenden Auffälligkeiten vorgenommen werden, die nach Erwerb des Unternehmens identifiziert werden:
    • Hohe Stornoquoten. 
    • Steigende Anzahl von Kundenbeschwerden über nicht-gerechtfertigte bzw. überhöhte Rechnungen.
    • Auffällig sinkende Rentabilität.

 

PRAXISTIPPS

  • Nutzen Sie in der Pre-Merger-Phase Process- und Datamining-Tools, sofern hierfür die Voraussetzung im Zielunternehmen gegeben sind (u. a. Nutzen eines ERP-Systems und Verfügbarkeit der Daten), um auffällige Buchungen zu identifizieren (z. B. Buchung von Geschäftsvorfällen zum Stichtag der Transaktion und anschließende Stornierung).
  • Analysieren Sie in der Post-Merger-Phase die Unternehmensinformationen bzw. Jahresabschlüsse, die für die Kaufpreisfestlegung relevant waren, hinsichtlich der Werthaltigkeit u. a. der Vermögensgegenstände (wurden z. B. die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht und bestehen die Forderungen gegenüber Kunden in der angegebenen Höhe) und der Angemessenheit von Rückstellungen (sind z. B. alle notwendigen Rückstellungen in der korrekten Höhe gebildet worden, u. a. Rückstellungen für Urlaube und Überstunden bzw. Bonuszahlungen).
  • Lassen Sie sich während der ersten zwei Phasen von Experten in diesem Bereich unterstützen und nehmen Sie diese Unterstützung auch in der Post-Merger-Phase in Anspruch, falls Verdacht auf Bilanzmanipulation, unberechtigten Vermögensabfluss und Compliance-Risiken mit Auswirkung auf die Zukunft besteht. Setzen Sie bei Bedarf Ihre vertraglichen Ansprüche so schnell wie möglich durch. 

Beitragsnummer: 18193

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