Dienstag, 20. April 2021

Kein Direktanspruch bei nicht klassischem Anweisungsfall

Kein Direktanspruch gegen Zahlungsempfänger bei einem nicht klassischen Anweisungsfall.

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

In einem Fall, in welchem die Klägerin als Versicherungsmaklerunternehmen mit dem Ehemann der Beklagten als Zahlungsempfängerin einen Kooperationsvertrag abgeschlossen hatte und in welchem mit Einverständnis der Beklagten die von der Klägerin an den Ehemann aufgrund des Kooperationsvertrages geschuldeten Provisionszahlungen auf das Konto der Beklagten erfolgen sollten und auch erfolgt sind, ging es darum, ob das Versicherungsmaklerunternehmen rechtsgrundlos geleistete Provisionszahlungen über § 812 BGB direkt von der Beklagten als Zahlungsempfängerin zurückerhalten kann, was das Berufungsgericht, gestützt auf einen Nichtleistungskondiktionsanspruch i. S. v. § 812 Abs. 1 Fall 2 BGB, bejaht hatte.

 

In seinem Urteil vom 05.11.2020, Az. I ZR 193/19 (WM 2021, 383) bestätigte der Bundesgerichtshof zunächst die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die streitgegenständlichen Überweisungen der Klägerin auf das Konto der Beklagten nicht als Leistung an diese, sondern in Erfüllung der Verbindlichkeiten der Klägerin aus dem Kooperationsvertrag erfolgt seien (Rn 17). Zwar habe die Beklagte nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die streitgegenständlichen Zahlungen im Wege einer Leistung der Klägerin erhalten. Hierbei handle es sich bei objektiver Betrachtung nach der übereinstimmenden Vorstellung beider Parteien jedoch nicht um eine Leistung der Klägerin an die Beklagte, sondern um eine Leistung an eine andere Person, nämlich an die Person, die die Klägerin als ihren Vertragspartner ansah. Vor diesem Hintergrund könne eine solche Konstellation einen Bereicherungsanspruch gegen die Beklagte aus Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB nicht auslösen (Rn 18).

 

Sodann erinnert der Bundesgerichtshof an seine Grundsätze in Anweisungsfällen und führt aus, dass sich in den Fällen der Leistung kraft Anweisung der Bereicherungsausgleich zwar grundsätzlich innerhalb des jeweiligen fehlerhaften Leistungsverhältnisses vollziehe, also zum einen zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen im sogenannten Deckungsverhältnis und zum anderen zwischen dem Anweisenden und dem Zuwendungsempfänger im sogenannten Valutaverhältnis (Rn 20 u. 22). Ausnahmsweise könne allerdings der Leistende auch direkt gegen den Empfänger vorgehen. So habe der Angewiesene dann einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB (Nichtleistungskondiktion) gegen den Zuwendungsempfänger, wenn die Anweisung aus Sicht des Leistenden unwirksam und diese Anweisung dem Anweisenden auch nicht zuzurechnen ist (Rn 20 u. 23). In diesen Fällen habe nämlich der Angewiesene lediglich erfolglos versucht, eine Leistung an den Anweisenden zu erbringen, weswegen der Zuwendungsempfänger in einem solchen Fall in sonstiger Weise auf Kosten des Angewiesenen bereichert und deshalb dessen Anspruch aus Nichtleistungskondiktion direkt ausgesetzt ist. Dies gilt wiederum unabhängig davon, ob der Zuwendungsempfänger das Fehlen einer wirksamen Anweisung im Zeitpunkt der Zuwendung kannte oder nicht (Rn 23).

 

SEMINARTIPP

Aktuelle Praxisprobleme in Kontoführung & Zahlungsverkehr, 04.11.2021, Zoom.

 

In Abgrenzung zu diesen in Anweisungsfällen geltenden Rechtsprechungs-Grundsätzen hebt der Bundesgerichtshof hervor, dass die Anweisungsfälle im Sinne dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung sich dadurch auszeichnen, dass bei ordnungsgemäßem Verlauf der Dinge in Folge einer Anweisung durch eine einzige Zuwendung zwei Verpflichtungen erfüllt werden sollen und zwar einmal die Verpflichtung des Zuwendenden gegenüber dem Anweisenden im Deckungsverhältnis und zum anderen die Verpflichtung des Anweisenden gegenüber dem Zuwendungsempfänger im Valutaverhältnis. Damit diese bereicherungsrechtlichen Grundsätze zur Anwendung gelangen können, bedürfe es daher nach Auffassung des Bundesgerichtshofs zwingend der Feststellung, dass zwei derartige Leistungsbeziehungen vorliegen, innerhalb welcher jeweils eine Leistung geschuldet ist, wobei die beiden geschuldeten Leistungen aufgrund einer Anweisung an den Angewiesenen durch eine einzige Zuwendung an den Zuwendungsempfänger erfüllt werden sollen (Rn 26).

 

BUCHTIPP

Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 3. Aufl. 2020.

 

Nachdem im konkreten Fall der Gläubiger (Vertragspartner des Kooperationsvertrages) seinen Schuldner (hier die Klägerin als Vertragspartner des Kooperationsvertrages) angewiesen hatte, die Zahlung zur Erfüllung einer einzigen Leistungsverpflichtung auf das Konto eines Dritten (hier die Beklagte als Zahlungsempfängerin) vorzunehmen, welchem er – der Gläubiger – wiederum nichts schuldete, mit der Zahlung der Klägerin als Versicherungsmaklerunternehmen somit nur eine einzige Verpflichtung erfüllt werden sollte und zwar die Verpflichtung der Klägerin gegenüber ihrem Vertragspartner, lehnte der Bundesgerichtshof das Vorliegen eines „klassischen“ Anweisungsfalls im Sinne vorstehend dargestellter Grundsätze ab mit der Konsequenz, dass ein Direktanspruch der Klägerin als Angewiesene/Schuldnerin gegenüber der Beklagten als Zahlungsempfängerin aus Nichtleistungskondiktion im Sinne vorstehender Rechtsprechung abgelehnt wurde.

 

PRAXISTIPP

Im Ergebnis hält der Bundesgerichtshof mit seiner vorstehenden Entscheidung fest, dass von einem „klassischen“ Anweisungsfall im Sinne seiner Rechtsprechung nur dann auszugehen ist, wenn der Gläubiger/Anweisende seinen Schuldner/Angewiesenen anweist, die ihm, dem Gläubiger, zustehende Leistung an einen Dritten/Zuwendungsempfänger zu erbringen, weil er, der Gläubiger/Anweisende, wiederum seinerseits eine Leistung an den Dritten/Zuwendungsempfänger schuldet und daher erbringen möchte.

 

Weist demgegenüber – wie im konkret entschiedenen Fall – der Gläubiger/Anweisende seinen Schuldner/Angewiesenen an, die ihm zustehende Zahlung an einen Dritten/Zuwendungsempfänger zu erbringen, dem er, der Gläubiger, wiederum nichts schuldet, dann kann von einem „klassischen“ Anweisungsfall i. S. d. BGH-Rechtsprechung nicht mehr ausgegangen werden mit der Konsequenz, dass der Schuldner/Angewiesene in diesem Fall das von ihm Geleistete auch dann nicht im Wege der Nichtleistungskondiktion vom Dritten/Zuwendungsempfänger verlangen kann, wenn die Anweisung unwirksam und dem Gläubiger nicht zuzurechnen ist. In einem solchen Fall kann sich der Schuldner vielmehr nur an seinen Gläubiger direkt wenden.

 


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