Christian Hasenclever, Lehrbeauftragter Fakultät IV Wirtschaft und Informatik, International Corporate Finance, Hochschule Hannover und Treasury, Asset and Liability Management (ALM), Liquiditätsrisikomanagement, Norddeutsche Landesbank (NORD/LB) Hannover
I. Einleitung
Im Kern der Geschäftsmodelle von Kreditinstituten steht das Management unterschiedlicher Arten von Risiken. Üblicherweise denkt man dabei zunächst an das Adressenausfallrisiko. Daneben zählt das Liquiditätsrisiko zu den wesentlichen Risikoarten eines Kreditinstitutes. Die Anlagebedürfnisse der Fremdkapitalgeber und die Finanzierungsnotwendigkeiten der Kreditnehmer eines Instituts stimmen nicht zwangsläufig überein. In der Folge resultieren aus den unterschiedlichen Geschäftsaktivitäten Diskrepanzen bei Volumen, Laufzeiten und Währungen sowie Unsicherheiten aus impliziten Optionen und dem Kundenverhalten. Um ihre jederzeitige Zahlungsfähigkeit sicherzustellen und um die Liquiditäts- und Refinanzierungsrisiken in der strategischen Liquiditätsposition in einer kostenschonenden und nachhaltigen Weise zu begrenzen und zu steuern, bedienen sich Kreditinstitute mittlerweile ausgeklügelter, interner Risikosteuerungsregime. Im Aufsichtsrecht (MaRisk AT 2.2) werden Liquiditätsrisiken als wesentliche Risikoart eingestuft. Im ILAAP (EZB 11/2018: internal liquidity adequacy assessment process) werden die bankaufsichtlichen Anforderungen an das interne Liquiditätsrisikomanagement zusammengefasst.
In den letzten Jahren hat das Thema Nachhaltigkeit erheblich an Bedeutung zugenommen. Risiken, die mit Nachhaltigkeit assoziiert werden (z. B. Risiken durch Klimawandel), stehen im Fokus betriebswirtschaftlicher, regulatorischer[1] und bankaufsichtlicher[2] Anforderungen. Erneut steht üblicherweise zunächst das Adressenausfallrisiko im Fokus. Allerdings können Nachhaltigkeitsrisiken nicht nur den Liquiditätsbedarf der Kunden wesentlich ändern. Sie können sich auf die Liquiditätsstruktur und das Refinanzierungspotenzial der Kreditinstitute auswirken und die Gesamtliquiditätsposition betreffen. Die Umstellung des Wirtschaftskreislaufs auf ein stärker an Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtetes Wirtschaften eröffnet vielfältige Geschäftspotenziale, zerstört aber gleichzeitig etablierte. Die Werthaltigkeit von Vermögensgegenständen sowie Liquiditätspräferenzen und -bedürfnisse können sich in der Folge ändern. Dies kann schleichend erfolgen oder abrupt. Nachhaltigkeit kann hierdurch einen bedeutenden und weitreichenden Einfluss auf die Risikosteuerung nehmen. Auch wenn der Charakter der Risikoart Liquidität und die zur Steuerung eingesetzten Instrumente sich (im Wesentlichen) nicht ändern – in diesem Sinne wird mit dem Thema Nachhaltigkeit keine eigenständige (aufsichtsrechtliche) Risikoart etabliert – haben Nachhaltigkeitsfaktoren mannigfaltige Auswirkungen auf die verschiedenen Komponenten des Liquiditäts(risiko)managements. Sie stellen eine neue Herausforderung für den internen Liquiditätssteuerungsprozess dar.
Im Gegensatz zu anderen Risikoarten (z. B. Marktpreisrisiken) ist beim Liquiditätsrisiko der Einfluss institutsspezifischer Faktoren größer. Ein Teil des Managementprozesses unterliegt einer stärker strategischen Ausrichtung. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es höchste Zeit, die Konsequenzen der Transformation des Wirtschaftskreislaufs und aus Nachhaltigkeitsfaktoren generell in der internen Geschäftsmodellentwicklung und Risikosteuerung zu berücksichtigen. Parallel erhält das Thema Nachhaltigkeit in der bankaufsichtlichen Praxis und Erwartungshaltung ein deutlich höheres Gewicht. NUR ALS ZITAT: HIER [...]
Beitragsnummer: 18159