Dienstag, 20. April 2021

Bilanzanalyse auf dem Prüfstand in Zeiten zunehmender Komplexität

Neue regulatorische Anforderungen • Ständige Veränderungen in der Rechnungslegung • Auswirkungen der aktuellen Krise auf die Kapitaldienstfähigkeit des Firmenkunden

Christoph Hoeren, Senior Risk Manager, KfW DEG Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft

 

Aktuelle Herausforderungen an die Bilanzanalyse im Kundenkreditgeschäft.

 

In den letzten Jahren wachsen die Herausforderungen an die Bilanzanalyse im Mittelstands- und Großkundenkreditgeschäft aufgrund neuer regulatorischer Anforderungen, ständiger Veränderungen in der Rechnungslegung und letztlich der aktuellen Rezession bei äußert fragilen Rahmenbedingungen. Gerade jetzt kommt es darauf an, dass Mitarbeiter in der Bilanz-/Unternehmensanalyse diese Komplexität beherrschen. 

 

Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren in der Kreditbearbeitung und -analyse zu deutlichen Effizienzsteigerungen geführt. Auf der anderen Seite führten neue regulatorische Anforderungen via MaRisk-Novellen und EBA-Guidelines zu Änderungen (wie z. B. Anforderungen an die Analyse der Kapitaldienstfähigkeit; tiefergehende Analysen bei „leveraged“ Transaktionen). 

 

Die Komplexität hat aber vor allem durch Veränderungen in der Rechnungslegung im HGB und im internationalen Umfeld bei den IFRS (wie z. B. Leasingbilanzierung) zugenommen und im Zuge der durch Corona ausgelösten Rezession und Krise für viele Branchen ihren Höhepunkt erreicht. Der Know-how Aufbau bzw. Wissenstransfer bei den Mitarbeitern in der Kreditanalyse bei gleichzeitig stabilen und konsistenten Kreditanalyseprozessen ist daher mit hoher Priorität zu verfolgen. 

 

Regulatorischer Hintergrund

 

Über MaRisk-Novellen in den letzten Jahren ergaben sich zusätzliche Anforderungen an die Kreditbearbeitung und -analyse. Hervorzuheben ist hier z. B. das Thema „Analyse der Kapitaldienstfähigkeit“ und die Anforderungen an Kreditprozesse z. B. im Bereich der Problemkreditbearbeitung. Im Rahmen der europäischen Bankenaufsicht wurden neue Standards über neue EBA-Guidelines, wie z. B. in 2020 die EBA-Guideline „Guidelines on loan origination and monitoring“ (EBA/GL/2020/06) mit neuen Vorgaben an Kreditprozesse und an die Dokumentation implementiert. 

 

So wird im Rahmen der Bilanzanalyse sehr detailliert auf die erforderliche Analyse der Kapitaldienstfähigkeit mit Abstufung der Analysetiefe nach Unternehmensgröße hingewiesen. Dies schließt erhöhte Informationsanforderungen an die Unternehmen mit ein. Die Vorschriften gelten unmittelbar für die beaufsichtigten nationalen Großbanken und werden kurzfristig komplett in das nationale Aufsichtsrecht (z. B. via MaRisk-Novelle) übernommen. Von daher ist bereits jetzt von allen Banken eine Gap-Analyse durchzuführen und ein Maßnahmen- und Umsetzungsplan zur Erfüllung der künftigen Anforderungen zügig zu implementieren. 

 

Änderungen in der nationalen und internationalen Rechnungslegung

 

Im HGB ergaben sich in den letzten Jahren im Rahmen von Modernisierungsnovellen (z. B. Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz) diverse wichtige Änderungen in den Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften. Exemplarisch sind hier die Vorschriften für Forschung und Entwicklung oder die Pensionsrückstellungen zu nennen. Einige der Änderungen sind mit den IFRS-Anforderungen vergleichbar und bestätigen die Annahmen einer zunehmenden Angleichung von HGB und IFRS in den nächsten Jahren und immer weiteren Entkopplung von Handels- und Steuerbilanz. Gerade im Großkundengeschäft sind besondere Anforderungen an die Bilanzanalyse aufgrund der fortlaufenden IFRS-Veränderungen erforderlich. Zuletzt ergaben sich durch die Änderungen in der Leasingbilanzierung (grundsätzlich keine außerbilanzielle Erfassung mehr) zum Teil deutliche Verwerfungen in den Finanzkennzahlen. Im Rahmen der Bilanzanalyse sind dann die Treiber der Veränderungen detailliert herauszuarbeiten, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. 

 

Kapitaldienstfähigkeit, Working Capital- und Liquiditätsanalyse in der Krise

 

Die Rezession in 2020 und die bedingt durch Corona teilweise schwierigen Rahmenbedingungen für bestimmte Branchen stellen neue Herausforderungen in der Bonitätsanalyse dar. Erschwerend kommen neue regulatorische Vorgaben über die zuvor genannte EBA-Guideline hinzu, die für die Analyse der Kapitaldienstfähigkeit formale und inhaltliche Qualitätsanforderungen vorgibt. Eine in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße detaillierte Cashflow-Analyse ist sowohl historisch als auch zukunftsorientiert geboten.

 

Ungeachtet der (befristeten) Erleichterungen im Insolvenzrecht bezüglich der Insolvenzantragspflichten stellt sich für die Unternehmensanalyse die Frage, ob und wie in einer Krise die nachhaltige Kapitaldienstfähigkeit eingeschätzt werden kann. Hier kommt es auf eine Kombination von historischer, aktueller und zukunftsbezogener Bilanz- und Unternehmensanalyse an. So können Finanzkennzahlen aus der Vergangenheit (z. B. per 31.12.2019) als „Benchmark“ für die mittelfristige/langfristige Prognose herangezogen werden. 

 

Eine besondere Bedeutung hat die fundierte Analyse von Zwischenzahlen/BWAs, um neben der Beurteilung der Ertragslage insbesondere die aktuelle Liquiditätslage verifizieren zu können. Aber gerade bei den Zwischenzahlen/BWAs ist es wichtig, die Einschränkungen in der Aussagekraft zu kennen und wichtige Korrekturen durchzuführen, um zu korrekten Ergebnissen zu kommen (Beispiel: Umgang mit Warenbestandsveränderungen, fehlende Abgrenzung, keine Verbuchung von z. B. Abschreibungen, Aktualität der Sachkontenverbuchung. Bei den Planzahlen kommt es vor allem auf eine ausreichende Plausibilitätsprüfung und – je nach Bedarf – auf die Erstellung von Sensitivitäten an. 

 

Bei der Beurteilung der Kapitaldienstfähigkeit in Krisenzeiten ist es wichtig, sich auf Chancen und Risiken im Working Capital Management zu fokussieren. Über bestimmte Working Capital Kennzahlen (Debitoren-/Kreditorenziel und Lagerumschlagshäufigkeit) lassen sich Trends sowie Stärken- und Schwächenprofile identifizieren. Über ein gutes Working Capital Management lassen sich ggf. enorme Liquiditätspotentiale schaffen; gleichwohl können die Maßnahmen auch an Ihre Grenzen kommen (z. B. muss die Lieferfähigkeit gewährleistet sein).

 

 

PRAXISTIPPS

  •  Die Komplexität in der Bilanzanalyse hat gerade in Krisenzeiten deutlich zugenommen. Von daher ist die Sicherstellung eines ausreichenden Know-how und Wissenstransfers für Mitarbeiter in der Kredit- und Unternehmensanalyse geboten.
  • Die klassische Bilanzanalyse mit Fokus auf die Historie hat „ausgedient“. Gerade in Krisenzeiten ist eine kombinierte Analyse von Historie, Aktualität und Planzahlen notwendig.
  • Frühzeitige Gap-Analyse bezüglich neuer EBA-Guidelines und neuer MaRisk-Novellen.


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Die Sicherstellung eines ausreichenden Know-how und Wissenstransfers für Mitarbeiter in der Kredit- und Unternehmensanalyse ist gerade in der aktuellen Zeit geboten und sicherzustellen. In unserem neuen, sehr praxisorientierten Zertifikatsprogramm „Kredit-Analyse“ erhalten Sie das notwendige Rüstzeug, um zielsicher die Jahresabschlüsse Ihres Kreditkunden zu verstehen und zu interpretieren. Welches sind die wesentlichen risiko-/bonitätsrelevanten Bilanzpositionen der Aktiv- und Passivseite und der GuV? Wo sollten Ihre ersten Blicke hinführen? Welche neuen regulatorischen Anforderungen müssen zwingend in der Analyse berücksichtigt werden? Wie wirkt sich die aktuelle Krise auf die Kapitaldienstfähigkeit Ihres Firmenkunden aus und welche Branchenspezifika sind für die eigene Bonitätseinschätzung wichtig? 

 

Mit unserem neuen Zertifikatsprogramm bieten wir Ihnen in nur vier halben Tagen in Form einer Online-Qualifizierung das erforderliche Fachwissen im Bereich der Kreditanalyse aufzubauen oder auch aufzufrischen und somit auch den notwendigen Sachkundenachweis zu dokumentieren. Die interaktive, digitale Lernumgebung ermöglicht den gewohnten und direkten Referenten-Teilnehmer-Austausch. Ein sehr erfahrener Kreditanalyst und Referent macht Sie mit einer Fülle von Praxistipps und Interpretationshilfen fit für die Jahresabschlussanalyse.

 

Das Zertifikatsprogramm setzt sich aus den folgenden vier Seminarbausteinen zusammen:

 

  • Tag 1: Bilanzanalyse Kompakt: u. a. wesentliche risiko-/bonitätsrelevanten Bilanzpositionen & Kennzahlenanalyse, 
  • Tag 2: Analyse der Kapitaldienstfähigkeit: zentrales Instrument der Bilanzanalyse, neue aufsichtliche Vorgaben aus EBA-Kredit-Leitlinie
  • Tag 3: Bilanzanalyse Spezial: u. a. BWA, Branchenspezifika, Umgang mit Sonderkreditformen (z. B. Factoring), Überblick & Gegenüberstellung HGB/IFRS
  • Tag 4: Bilanzanalyse im Krisenmodus: Erkennen von Liquiditätschancen & -risiken, Working Capital, Analyse-Checklisten, Planzahlen & Plausibilitätsprüfungen

 

Am Ende der Seminarreihe erhalten die Zertifikats-Teilnehmer 20 Multiple-Choice-Kontrollfragen aus den vier halben Seminartagen und bei erfolgreicher Beantwortung ein FCH-Zertifikat als dokumentierten Qualifizierungsnachweis. Bei Einzelbuchungen von Modulen erhalten die Teilnehmer ein Teilnahmezertifikat. 

 

Die Aufwendungen für die Zertifizierung belaufen sich auf 1.200 € zzgl. MwSt., hierin sind die Seminargebühren (vier halbe Seminartage) und die Kosten der Prüfung bereits enthalten.

 


Bei fachlichen und organisatorischen Fragen steht Ihnen unser Bereichsleiter Kreditgeschäft, Jürgen Blatz, Tel.: +49 6221 99898-25, E-Mail Juergen.Blatz@FCH-Gruppe.de gerne zur Verfügung.


Ausführliche Informationen und Anmeldemöglichkeiten unter www.FCH-Gruppe.de 


Beitragsnummer: 18153

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