Freitag, 19. März 2021

Kein Anspruch auf Negativzinsen bei Schuldscheindarlehen

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

Wie bereits in BTS 2020, S. 123 f. berichtet, hatte das LG Düsseldorf in einem Fall, in welchem es darum ging, ob dem Land NRW als Darlehensnehmer gegenüber der Pfandbriefbank als Darlehensgeber aus einem Schuldscheindarlehen aus dem Jahre 2007 ein Anspruch auf Zahlung von Negativzinsen zusteht, der keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthielt, dass der Zins nach dem Willen der Parteien auch negativ sein kann, in seinem Urteil vom 11.03.2020, Az. 13 O 322/18 (ZIP 2020, 1954 m. zust. Anm. Rodi, EWiR 19/2020, 579 f.) entschieden, dass diese Klausel bei hinreichendem Absinken des Referenzzinssatzes zu einem rechtlich nicht zu beanstandenden negativen Nominalzins und damit zu einer Umkehr der Zahlungsströme führen kann, mit der weiteren Folge, dass dem klagenden Land gegenüber der darlehensgebenden Pfandbriefbank ein Anspruch auf Zahlung von Negativzinsen zugesprochen wurde. Zur Begründung hatte das LG Düsseldorf ausgeführt, dass der BGH in seinem Urteil v. 13.04.2010, Az. XI ZR 179/09 (NJW 2010, 1742, 1744, Rn. 27) entschieden habe, dass eine Negativzinsklausel in Darlehensverträgen der AGB-rechtlichen Kontrolle standhält. Hiervon ausgehend hat das LG Düsseldorf seiner Auslegung die Sichtweise und die Interessenlage institutioneller Kapitalgeber zu Grunde gelegt und gelangte so zum Ergebnis, dass aus Sicht eines solchen Kapitalgebers, welcher sich selbst kongruent refinanziert und keine Eigenmittel einsetzt, das Äquivalenzverhältnis auch dann typischerweise gewahrt bleibt, wenn die Verzinsung negativ wird (ZIP 2020, 1954, 1955). Dies obwohl sich die betroffene Pfandbriefbank als Darlehensgeber im konkreten Fall unstreitig nicht kongruent, sondern inkongruent refinanziert hatte.

 

SEMINARTIPPS

21. FCH-Bankrechts-Tage, 11.–12.10.2021, Frankfurt/M.

Kredit-Jahrestagung 2021, 01.–02.12.2021, Berlin.

 

In einem nahezu identischen Fall betreffend dieselben Parteien und betreffend ebenfalls ein Schuldscheindarlehen aus dem Jahre 2004 gelangte eine andere Kammer des LG Düsseldorf einige Monate später im Urteil v. 24.06.2020, Az. 2b O 254/18 (WM 2020, 2225 m. zust. Anm. Krupp, EWiR 3/2021, 67 f.) zu dem Ergebnis, dass zwar eine sog. Zinsgleitklausel im Rahmen der Vertragsfreiheit grundsätzlich wirksam abgeschlossen werden könnte. Allerdings gelangt das LG Düsseldorf ungeachtet dessen durch Auslegung der Zinsgleitklausel zum Ergebnis, dass die Parteien in dem für die Auslegung ihrer Vertragserklärung relevanten Zeitpunkt 2004 davon ausgegangen sind, dass nur für das klagende Land Zinszahlungsverpflichtungen aus dem Darlehensvertrag erwachsen sollten und nicht auch eine Zinszahlungspflicht der Pfandbriefbank als Darlehensgeber. Zur Begründung führt das LG Düsseldorf aus, dass der Zins bei einem Darlehensvertrag i. S. v. § 488 BGB stets nur von demjenigen zu entrichten ist, der über das Kapital verfügen kann und dass jede andere Wertung dem gesetzlichen Leitbild des Darlehensvertrags i. S. v. § 488 BGB und den darin definierten Vertragspflichten der Parteien widersprechen würde. 

 

BUCHTIPP

Nobbe (Hrsg.): Kommentar zum Kreditrecht, 3. Aufl. 2018.

 

Ähnlich entschied das LG Hamburg im Urteil v. 04.12.2020, Az. 318 O 367/19 (ZIP 2021, 456). Denn ausgehend davon, dass es sich bei dem Schuldscheindarlehen mit Zinsgleitklausel um ein Darlehen i. S. v. § 488 Abs. 1 BGB handelt, gelangte auch das LG Hamburg, dem LG Düsseldorf in seinem vorstehend zitierten Urteil v. 24.06.2020 folgend, durch Auslegung zum Ergebnis, dass die streitgegenständliche Zinsgleitklausel dahingehend zu verstehen ist, dass die Untergrenze des Darlehenszinses und damit der implizierte Mindestzins von den Vertragsparteien stillschweigend auf Null festgelegt wurde, weswegen eine Pflicht zur Zahlung von Negativzinsen nicht in die Zinsgleitklausel hinein interpretiert werden könnte. Andernfalls würde dies nach Auffassung des LG Hamburg zu einer Umkehr der Zahlungsströme und zu einer Zahlungsverpflichtung des Darlehensgebers führen, was mit dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 BGB unvereinbar und auch nicht interessengerecht wäre. Vor diesem Hintergrund konnte das LG Hamburg offenlassen, ob die vereinbarte Zinsgleitklausel auch als überraschend bzw. mehrdeutig i. S. d. § 305 c. BGB anzusehen ist und zu einer unangemessenen Benachteiligung führt.

 

PRAXISTIPP

 

Wie bereits in BTS 2020, S. 123 f. dargelegt, vertritt die weitaus überwiegende Meinung entgegen dem LG Düsseldorf im vorstehend zitierten Urteil v. 11.03.2020 die Rechtsauffassung, dass Negativzinsen bei bereits bestehenden Darlehensverträgen nicht mit dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 BGB zu vereinbaren sind. Dies deshalb, weil die Bejahung einer Pflicht zur Zahlung von Negativzinsen zu einer mit § 488 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbarenden Umkehr der Zahlungsströme und zu einer Zahlungsverpflichtung des Darlehensgebers an den Darlehensnehmer führen würde (vgl. hierzu Suendorf-Bischof, BKR 2019, 279 ff.; Edelmann, BB 2018, 394 ff.; derslb. in WuB 2018, 248 m.j.w.N.). Entgegen der Auffassung des LG Düsseldorf im Urteil vom 11.03.2020 hat der BGH in seiner Entscheidung vom 13.04.2010, Az. XI ZR 197/09 Rn. 27 gerade nicht festgestellt, dass Negativzinsen i. S. der Umkehr der darlehensvertraglichen Zahlungspflichten mit dem Leitbildgedanken des § 488 Abs. 1, S. 2 BGB zu vereinbaren sind. Erst recht nicht hat der BGH in seinem Urteil v. 13.04.2010 festgestellt, dass bei solchen in den Jahren 2004, 2006 und 2007 abgeschlossenen Darlehensverträgen die Parteien davon ausgegangen sind oder ausgehen mussten, dass die Zinszahlungspflicht des Darlehensnehmers sich in eine Zinszahlungspflicht des Darlehensgebers umkehren würde/könnte.

 

Insofern bleibt mit Spannung abzuwarten, wie sich die Berufungsgerichte des OLG Düsseldorf sowie des OLG Hamburg und hieran anschließend der BGH zu der Frage der Negativverzinsung bei Schuldscheindarlehen aus den Jahren 2004 bis 2007 positionieren werden. Insbesondere bleibt abzuwarten, ob der BGH die vom LG Düsseldorf im Urteil v. 11.03.2020 vertretene Auffassung zur Wirksamkeit der Negativzinszahlungspflicht des Darlehensgebers im Rahmen eines Schuldscheindarlehens mit Zinsgleitklausel akzeptieren wird, woran aufgrund vorstehender Ausführungen ganz erhebliche Zweifel bestehen. Vieles spricht nämlich dafür, dass der BGH entsprechend der Entscheidung des LG Düsseldorf v. 24.06.2020 sowie entsprechend der vom LG Hamburg in seinem Urteil vom 04.12.2020 vertretenen Auffassung zum Ergebnis gelangen wird, dass in Darlehensverträgen aus den Jahren 2004 bis 2007 eine Negativzinszahlungspflicht des Darlehensgebers an den Darlehensnehmer in der Zinsgleitklausel nicht hineininterpretiert werden kann.

 


Beitragsnummer: 18122

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