Dienstag, 23. Februar 2021

Gefahrstoffe: Rechtssichere Unterweisung in der Zahnarztpraxis

Grundlagen Chemikaliengesetz, Gefahrstoffverordnung und GHS/CLP-Verordnung

Prof. Dr. Patrick Rösler, Rechtsanwalt, Vorstandsvorsitzender FCH Gruppe AG und Geschäftsführer FCH DentCompliance GmbH

 

Dieser Beitrag behandelt die Inhalte, welche als Grundlage für die vorgeschriebene Mitarbeiterunterweisung in der Zahnarztpraxis dienen können, sollten und letztlich auch müssen. Wichtig dabei ist, den Mitarbeitern die Grundzüge der Regelung und die Systematik der Schutzmechanismen beizubringen. Dabei ist ihnen klarzumachen, dass dies dem Schutz ihrer eigenen Gesundheit, dem der Patienten, aber auch der Umwelt insgesamt dient. Ob die Unterweisung persönlich durch den Zahnarzt erfolgt oder dazu moderne Medien, wie z. B. die Filmwelt FCH DentFlix der FCH DentCompliance genutzt werden, bleibt dem Zahnarzt überlassen. Aus aufsichts- und haftungsrechtlicher Sicht sind die Unterweisungen jedoch regelmäßig (jährlich/halbjährlich) durchzuführen. 

Rechtliche Grundlage ist das Chemikaliengesetz (ChemG), das Mensch und Umwelt vor gefährlichen Stoffen schützen soll. Es beruht zu weiten Teilen auf EU-Recht. Gefahrstoffe sind Stoffe oder Gemische, die bei der Herstellung oder Verwendung eine schädigende Wirkung für Mensch und Umwelt darstellen können.  

In Verordnungen wie der Gefahrstoffverordnung werden die genauen Einzelheiten der Schutzmaßnahmen festgelegt. Diese Schutzmaßnahmen müssen auch in der Zahnarztpraxis umgesetzt werden, wenn mit gefährlichen Stoffen hantiert wird. 


 


I. Gefahrstoffe in der Zahnarztpraxis und ihre Kennzeichnung

In der Zahnarztpraxis tauchen regelmäßig zahlreiche Gefahrstoffe auf. Sei es für die Behandlung, Desinfizierung, Ätzungen oder Reinigung, es kommen sehr schnell dutzende Gefahrstoffe zusammen. 

Beispiele: 

Kavo Rota Spray 2

Omnipur 

Omnizid Sprühdesinfektion

Dentafix

Omnisept Instrumentendesinfektion

Secumatic FK

Secumatic FNP

Mucadont AS

T1 Spray

Tray cleaner

Stammopur Z

Praxispolish Plus

Elastoclean Spray 2

Kavo Spray

Silispray Haftlacklöser

Silispray Haftlack

Superlube/Profilectric

Ultra Orange

Kigas, Gas Universel

Palavit L Flüssigkeit

Palavit L Pulver

Wundbenzin

IPS Ceramik Refill Ätzgel

Monobond S

Opalescence Xtra boost

Multicore HB

Opal Dam

Polaoffice

Unigloves Polar

H2O2 3%, 5%, 30%

Alkohol 70%

Fokaldry

Hanel Occlutop

Prime & Bond

Omnizid Sprühdesinfektion

Omni Etch 37%

Harvard Zement Flüssigkeit

Formalin 4%

Ihdentalloy No Gama 2

Polyether Adhesive 3M ESPE

Wofasept AHA

H2O2 3%, 5%, 30%

Alkohol 70%

Fokaldry

Omni Dent Okklu Spray

Polyether Adhesive 3M ESPE

Wofasept AHA

Omnizid Sprühdesinfektion

Pastenhärter für Shera-Silikonmassen

Prime & Bond

Omni Etch 37%

Harvard Zement Flüssigkeit

Ihdentalloy No Gama 2

Bleichmittel für Wurzeltote Zähne

Calciumhydroxid

Unigloves Polar

Gluma Etch 20 Gel

Omni Etch 37%

Alloy Primer

IPS Ceramik Refill Ätzgel

Prime & Bond

H2O2 3%, 5%, 30%

Alkohol 70%

Fokaldry

Unigloves Polar

Wofasept AHA

Prime & Bond

Ihdentalloy No Gama 2

Harvard Zement Flüssigkeit

Dürr- Automat XR

W5 Kalkreiniger

Adritt power cleaner

Dan Klorix

Drano

 

Gefahrstoffe sind nach ihren physikalischen Wirkungen nach der GHS/CLP-Verordnung gekennzeichnet. GHS bezieht sich auf das global harmonisierte System zur Kennzeichnung von Chemikalien. Die CLP-Verordnung (Classification, Labelling and Packaging of Chemicals) aus 2009 überführt dieses System in europäisches Recht. EU-Verordnungen und damit auch die CLP-VO gelten unmittelbar und direkt auch in Deutschland.

 

 

 

 

II.   Wirkungsweise der Stoffe

 

Gefährliche Stoffe können über verschiedene Wege in den menschlichen Körper gelangen und diesen schädigen: 

  • Einatmen von Staub, Gasen, Dämpfen und Aerosolen.
  • Verschlucken von Flüssigkeiten, Feststoffen und Stäuben. 
  • Aufnahme über die Haut von Flüssigkeiten, Dämpfen und Stäuben.

Neben dieser akuten Giftigkeit können auch folgende Wirkungen auftreten: 

  • Ätz-/Reizwirkung auf die Haut 
  • Schwere Augenschädigung/Augenreizung 
  • Keimzellmutagen (Keimzellenveränderungen)
  • Krebserzeugend
  • Reproduktionstoxisch (Fruchtbarkeitsschädigend)
  • etc. 

 

 III. Schutzmechanismen beim Einsatz von Gefahrstoffen 

 

Zunächst sind über das Sicherheitsdatenblatt Informationen über den Gefahrstoff zu ermitteln. Danach ist eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Daraufhin sind Schutzmaßnahmen festzulegen und deren Wirksamkeit zu prüfen. Es ist ein Gefahrstoffverzeichnis zu erstellen und eine Betriebsanweisung, wie mit den Gefahrstoffen umgegangen werden muss. Die Mitarbeiter sind darüber zu schulen. 

 

  1. Sicherheitsdatenblatt

Das Sicherheitsdatenblatt kann bei dem Händler/Depot kostenlos angefordert werden, von dem der Gefahrstoff in die Praxis geliefert wird. Derjenige, welcher den Gefahrstoff in den Verkehr bringt, ist für die korrekten Angaben im Sicherheitsdatenblatt rechtlich verantwortlich. 

Es enthält u. a. Angaben

  • zum sicheren Umgang mit dem Produkt, 
  • zu produktspezifischen Gefährdungen sowie 
  • Schutzmaßnahmen, die zu treffen sind. 
  • Außerdem Vorgaben zur Lagerung und 
  • zum Verhalten im Brandfall und 
  • Notfall/Erste Hilfe

 

2. Gefährdungsbeurteilung

Vor Einführung eines neuen Schadstoffs in die Praxis muss eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden. Diese wird regelmäßig der Zahnarzt (oder ein Praxismanager) selbst erstellen. Es muss also die Frage beantwortet werden, wer in welchem Arbeitsablauf in welchem Umfang mit dem Gefahrstoff zu tun hat und was sich daraus für eine Gefährdungslage ergibt. Dies ist zu dokumentieren. Zur Dokumentation gehören auch die aus der Gefährdung abgeleitete Schutzstufe und die daraus resultierenden Schutzmaßnahmen. 

Für jeden Schadstoff muss diese Gefährdungsbeurteilung separat durchgeführt werden. Wechsel- und Kombinationswirkungen mit anderen Gefahrstoffen sind dabei jedoch zu berücksichtigen.

 

3. Schutzmaßnahmen

Schutzmaßnahmen werden vom Zahnarzt oder dem Praxismanager aufgesetzt, sind aber von jedem Mitarbeiter zu beachten. Sie erfolgen nach dem STOP-Prinzip: 

 

S

Substitution 

T

Technische Schutzmaßnahmen

O

Organisatorische Schutzmaßnahmen

P

Persönliche Schutzmaßnahmen

 

a) Substitution

Bei der Substitutionsüberlegung ist immer folgende Frage zu stellen: Kann für diesen Zweck ein weniger gefährlicher Stoff eingesetzt werden? Wenn ja, ist dieser einzusetzen. Konsequente Substitution reduziert die Gefahrstoffe deutlich in einer Praxis. Die Substitutionsüberlegungen müssen dokumentiert werden. 

 

b) Technische Schutzmaßnahmen

  • Absaugen gefährlicher Dämpfe
  • Kapselung von Maschinen

Für Zahnarztpraxen weniger relevant. 

 

c) Organisatorische Schutzmaßnahmen

  • Begrenzung des Umgangs mit Gefahrstoffen auf möglichst wenig Mitarbeiter und zeitlich möglichst begrenzt. 
  • Jugendliche und Schwangere sind vor Gefahrstoffen zusätzlich zu schützen. 
  • Hygienemaßnahmen wie Reinigung des Arbeitsplatzes in der Betriebsanweisung vorschreiben.
  • Gefahrstoffe immer kennzeichnen, auch die Aufbewahrungsbehälter/Schränke. 
  • Umfüllen nur in andere geeignete, hygienisch einwandfreie sowie verschließbare Behälter. 
  • Verbot, Gefahrstoffe in Lebensmittelbehältern aufzubewahren.
  • Lagerungskriterien beachten: Möglichst geringe Mengen lagern, Gefahrstoffe trennen, wenn nötig und von Lebensmitteln immer strikt getrennt lagern. 
  • Sachgerechte Entsorgung von leeren Behältern oder Restmengen festlegen. 

 

d) Persönliche Schutzmaßnahmen

So lange die Gefährdung besteht, muss die Persönliche Schutzausrüstung (PSA) getragen werden. Konkrete Informationen zum Schutz von Händen, Körper, Augen/Gesicht oder gar Atemschutz finden sich im jeweiligen Sicherheitsdatenblatt des Gefahrstoffes. 

Beispiele: 

  • Medizinische Einmalhandschuhe in der Patientenbehandlung
  • Flüssigkeitsdichte und widerstandsfähige Handschuhe bei der Instrumentenaufbereitung
  • Augen-, Nasen-, Gesichtsschutz, wenn mit Spritzern oder Sprühnebel zu rechnen ist.
  • Flüssigkeitsdichte Schutzschürze oder komplette Schutzkleidung, wenn mit gefährlichen Flüssigkeiten etc. hantiert wird.  

 

Die PSA muss sachgerecht aufbewahrt, gereinigt und geprüft werden. Bei Schäden ist die PSA zu reparieren oder auszutauschen. 

 

4. Gefahrstoffverzeichnis und Betriebsanweisung

Das Gefahrstoffverzeichnis muss alle in der Praxis vorhandenen Gefahrstoffe enthalten und den Mitarbeitern zugänglich gemacht werden. 

Inhalte: 

Bezeichnung des Produkts/
 Gefahrstoffes

Hazard-Sätze

Benötigte Menge des Produkts, nicht mehr als einen Jahresbedarf lagern! 

Arbeitsbereich, wo wird es gelagert und wo eingesetzt? 

Gefahrensymbole

Sicherheitsdatenblatt vorhanden und wo? 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Umgang mit den Gefahrstoffen ist in einer Betriebsanweisung niederzulegen, welche für die Mitarbeiter verbindlich und jederzeit zugänglich ist. Der Einsatz von Mustern z. B. der LZK ist zulässig, die Muster müssen aber auf die Zahnarztpraxis passen und als Anweisung des Chefs verbindlich gemacht werden. 

Regelmäßige Unterweisungen der Mitarbeiter sind zwingend vorgeschrieben. 

 

Zusammenfassung

  • Gefahrstoffe sind für Mensch oder Umwelt gefährliche Stoffe. 
  • Grundlagen des Gefahrstoffrechts sind Chemikaliengesetz und Gefahrstoffverordnung.
  • Gefahrstoffe müssen nach den Vorgaben der GHS/CLP-Verordnung gekennzeichnet sein.
  • Die Aufnahme von Gefahrstoffen durch Mund, Nase oder Haut kann verschiedenste toxische Wirkungen beim Menschen auslösen.
  • Von jedem Gefahrstoff ist ein Sicherheitsdatenblatt vom Hersteller/Verkäufer zu verlangen. 
  • Für jeden Gefahrstoff ist eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. 
  • Für jeden Gefahrstoff sind Schutzmaßnahmen festzulegen.
  • Für alle Gefahrstoffe ist ein Gefahrstoffverzeichnis zu erstellen. 
  • Für den Umgang mit Gefahrstoffen ist eine Betriebsanweisung zu erstellen. 
  • Für den Umgang mit Gefahrstoffen sind für Mitarbeiter regelmäßig Schulungen durchzuführen. Zur Einhaltung der Fristen empfiehlt sich, mindestens entsprechende Prozesse aufzusetzen oder noch besser, eine Software hierfür zu nutzen. 

Beitragsnummer: 17084

Beitrag teilen:

Produkte zum Thema:

Produkticon
Coaching des Datenschutzbeauftragten im Gesundheits- und Dentalbereich
Produkticon
Dental Regulatorik – Beratung für Zahnärzte
Produkticon
Dental Regulatorik – Unterweisungen Ihrer Mitarbeiter

Beiträge zum Thema:

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.