Donnerstag, 18. Februar 2021

Abtretung von Kapitallebensversicherungsansprüchen als Drittsicherheit

Zeitpunkt der Zuwendung bei Abtretung von Kapitallebensversicherungsansprüchen zur Sicherung einer fremden Darlehensschuld.

Andrea Neuhof, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

Im Rahnem eines Insolvenzanfechtungsrechtsstreits hat der BGH mit Urteil vom 17.12.2020, Az. IX ZR 205/19, klargestellt, dass im Falle der Abtretung sämtlicher Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung an ein Kreditinstitut zur Sicherung einer fremden Darlehensschuld die Zuwendung der Sicherheit an den persönlichen Schuldner mit der Abtretung vorgenommen ist. Der vorliegenden Anfechtungsklage eines Insolvenzverwalters war aufgrund der demgemäß außerhalb der einschlägigen Insolvenzanfechtungsfristen liegenden Rechtshandlungen des Schuldners der Erfolg zu versagen. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Im Dezember 1997 schloss der Ehemann der Beklagten (künftig: Schuldner) eine Kapitallebensversicherung ab, welche bei seinem Tod, spätestens jedoch am 01.12.2012, fällig werden sollte. Bezugsberechtigt für den Todesfall war die Beklagte. Im November 2001 nahm diese bei ihrer Bank einen Kredit über 120.000 DM auf. Zur Sicherung der Rückzahlungsansprüche der Bank trat der Schuldner seine Rechte aus der Lebensversicherung an diese ab. Die Abtretung wurde dem Versicherer am 09.11.2001 angezeigt. Das Bezugsrecht wurde widerrufen. Nach Eintritt des Sicherungsfalls zog die Bank im Oktober 2007 einen Betrag in Höhe von 13.206,91 € aus der Lebensversicherung ein, der dem Schuldsaldo der Beklagten gutgeschrieben wurde.

 

Der Schuldner verstarb am 17.05.2010. Auf einen im März 2011 beim Insolvenzgericht eingegangenen Antrag wurde am 09.05.2012 das Insolvenzverfahren über seinen Nachlass eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser verlangt von der Beklagten die Rückgewähr des deren Kreditkonto gutgeschriebenen Betrages. Das Landgericht hat seiner diesbezüglichen Zahlungsklage stattgegeben, das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte keinen Erfolgt.

 

Die Zuwendung der Sicherheit durch den Schuldner für den durch die Bank gewährten Kredit sei nicht nach § 134 Abs. 1, § 129 InsO anfechtbar, da diese außerhalb der Anfechtungsfrist von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sei, nämlich bereits im Jahre 2001.

 

Dahinstehen könne, ob die Stellung der Sicherheit im Verhältnis zur Beklagten unentgeltlich erfolgte. Denn die Anfechtung der darin liegenden Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO scheitere jedenfalls daran, dass die anfechtbare Rechtshandlung außerhalb des Zeitraums von vier Jahren vor dem im März 2011 gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sei, auf den § 134 Abs. 1 InsO die Anfechtbarkeit beschränke. Mit Recht habe das Berufungsgericht den Zeitpunkt der Sicherungsabtretung zwischen dem Schuldner und dem Kreditinstitut im Jahr 2001 als maßgeblich für die Vornahme der Leistung erachtet.

 

BUCHTIPP

Cranshaw (Hrsg.): Drittschuldnerkommentar Kreditwirtschaft, 2021.

 

Zur Begründung verweist der BGH insoweit zunächst auf seine bisherige Rechtsprechung: Wann eine Leistung im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO als vorgenommen gilt, bestimme sich nach § 140 InsO. Maßgeblich sei nach dessen Absatz 1 der Zeitpunkt, in dem die rechtlichen Wirkungen einer Rechtshandlung eintreten. Dies sei der Fall, sobald die gesamten Erfordernisse vorliegen, an welche die Rechtsordnung die Entstehung, Aufhebung oder Änderung eines Rechtsverhältnisses knüpfe (BGH, Urteil v. 27.09.2012 – IX ZR 15/12). Bei mehraktigen Rechtshandlungen träten die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung mit dem letzten zur Erfüllung ihres Tatbestandes erforderlichen Teilakt ein (BGH, Urteil v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03; Beschluss v. 18.03.2010 – IX ZR 111/08). Bei der Vorausabtretung einer (künftigen) Forderung sei dies das Entstehen der zedierten Forderung. Zwar sei das Verfügungsgeschäft mit der Forderungsabtretung abgeschlossen, doch erwerbe der Zessionar die vorausabgetretene Forderung erst, wenn sie entstanden sei. Für die Anfechtung sei nur die Entstehungszeit der vorausabgetretenen Forderung entscheidend; denn das haftende Vermögen des Schuldners, auf dessen Beeinträchtigung es für die Anfechtung ankommt, werde durch den Abtretungsvertrag noch nicht geschmälert, weil die abgetretene Forderung als Vermögenswert zur Zeit des Vertragsschlusses noch gar nicht existiere. Das gelte auch für die Sicherungsabtretung (BGH, Urteil v. 29.11.2007 – IX ZR 30/07).

 

Anders sei dies jedoch bei der Abtretung einer aufschiebend bedingten Forderung, wenn der Zessionar bereits eine gesicherte Rechtsposition an der abgetretenen Forderung erlange. Diese Forderung entstehe dann nicht erst mit dem Eintritt der Bedingung. Allerdings befinde sich während des Schwebens der Bedingung das vollwirksame unbedingte Recht noch nicht im Vermögen des bedingt Berechtigten, wohl aber die bedingte Forderung, die rechtlich gesicherte und geschützte, abtretbare und pfändbare Anwartschaft auf das Recht. Eine solche Anwartschaft bilde einen Vermögensgegenstand, der schon mit der Abtretung und nicht erst mit dem Eintritt der Bedingung aus dem Vermögen des Leistenden ausscheide (RGZ 67, 425, 430; BGH, Urteil v. 05.11.1976 – V ZR 5/75; v. 19.07.2018 – IX ZR 296/17).

 

Bezogen auf den Streitfall führt der BGH sodann aus, dass nach diesen Maßstäben die rechtlichen Wirkungen der Sicherungsabtretung bereits mit der Abtretung eingetreten seien und der Schuldner mithin die Leistung bereits im Jahr 2001 erbracht habe.

 

Bei einer Lebensversicherung sei der Anspruch des Versicherungsnehmers auf die Versicherungsleistung bereits mit Abschluss des Versicherungsvertrags begründet, jedoch aufschiebend bedingt durch den Eintritt des Versicherungsfalls. Der Versicherer schulde die vertragliche Leistung im Versicherungsfall mit Abschluss des Versicherungsvertrags. Der Anspruch auf das Deckungskapital nach § 176 Abs. 1 VVG aF, § 169 Abs. 1 VVG sei ebenfalls ein bedingter Anspruch auf Auszahlung einer bestimmten Geldsumme; Bedingung sei ein Rücktritt, die Kündigung oder die Anfechtung.

 

Jedenfalls unter der Voraussetzung, dass der Schuldner sämtliche Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag (einschließlich des Anspruchs auf Auszahlung des Rückkaufwerts nach § 176 Abs. 1 VVG aF und des Kündigungsrechts) unter gleichzeitigem Widerruf des Bezugsrechts der Beklagten auf die Todesfallleistung an die Bank abgetreten habe, habe diese eine gesicherte Rechtsposition erhalten, welche weder der Schuldner noch ein Dritter ihr entziehen könnte. Selbst die Einstellung der Prämienzahlungen hätte nicht dazu geführt, dass die Ansprüche entfielen, sondern allenfalls, dass der Versicherer den Vertrag hätte kündigen können und die Lebensversicherung sich so in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt hätte (§§ 166, 165, 38 VVG nF; §§ 174, 175, 39 VVG aF). Dies habe zur Folge, dass die Versicherungsansprüche bereits mit der Sicherungsabtretung vollständig aus dem Vermögen des Schuldners ausgeschieden seien. 

 

Die Rechtsposition der Bank sei auch nicht gefährdet gewesen, wenn über das Vermögen des Schuldners oder der Beklagten vor der Verwertung der Sicherheit im Jahr 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet worden wäre. In beiden Fällen sei gegenüber der Bank die Sicherungsabtretung nicht nach dem allein in Betracht kommenden § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar gewesen. Denn die Leistung des Schuldners an die Bank sei entgeltlich gewesen, weil diese als Sicherungsnehmerin für die Zuwendung des Schuldners eine ausgleichende Gegenleistung an die Beklagte erbracht, nämlich den Kredit an diese ausgezahlt habe. In der Insolvenz der Beklagten hätte es bereits an einer für jede Anfechtung erforderlichen Gläubigerbenachteiligung nach § 129 Abs. 1 InsO gefehlt. 

 

Der Verwertung der Sicherheit durch die Bank und die Gutschrift des eingezogenen Betrages auf dem Kreditkonto der Beklagten im Oktober 2007 seien für den Zeitpunkt der Leistungsvornahme nicht relevant, da die Gläubigerbenachteiligung bereits aufgrund der Sicherungsabtretung eingetreten sei. 

 

Nach § 134 Abs.1 InsO anfechtbar könnten allenfalls die in den letzten vier Jahren vor Stellung des Insolvenzantrags erfolgten Beitragszahlungen oder die dadurch bewirkte Mehrung der Versicherungsleistung sein, wenn durch die Beitragszahlungen der Rückkaufswert und die beitragsfreie Versicherungssumme erhöht worden sei. Allerdings sei dies im Streitfall nicht ersichtlich gewesen.

 

Im Übrigen stünden dem Kläger auch keine Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit etwaigen Regressansprüchen des Schuldners gegen dessen beklagte Ehefrau wegen der Verwertung der Sicherheit zu, da ein solcher jedenfalls verjährt sei.

 

PRAXISTIPP:

 

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Sie setzt die bisherige Rechtsprechungslinie des Bundesgerichtshofs konsequent fort. Überdies bringt sie nicht nur der Kreditnehmerseite Rechtssicherheit, dem seine Darlehensaufnahme durch die Drittsicherheit ermöglicht wird, sondern auch und insbesondere den finanzierenden Banken. Ein Restrisiko verbleibt allerdings bezüglich etwaiger im Anfechtungszeitraum noch erbrachter Beitragszahlungen.

 


Beitragsnummer: 17072

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