Montag, 8. März 2021

Die Feuertaufe für Flexible "Office Spaces"

Linda Neumann, KENSTONE Real Estate Valuers, Qualitätsmanagement/Research

Ob nun „schwarzer“ oder „weißer Schwan“, klar ist, dass uns Covid-19 nach wie vor sehr eindrucksvoll vor Augen führt, wie verwundbar auch stabil geglaubte Wirtschafts- und Gesundheitssysteme gegenüber solch weitreichenden Ereignissen sein können. Erste Auswirkungen auf die Immobilienmärkte zeichnen sich schon seit einer Weile ab; wie nachhaltig und wie vollständig diese sind, ist jedoch weiterhin ungewiss. Mit Blick auf den Büromarkt, der nun einige Jahre des Aufschwungs hinter sich hat, ist wohl neben den Veränderungen durch die voranschreitende Digitalisierung und der künftigen Rolle von Homeoffice eine der spannendsten Fragen, wie sich Flexible Offices Spaces in der Krise schlagen (werden).

Flexible Office Spaces sind ein noch relativ junges Konzept, das im Hinblick auf Flächenumsatz und Anzahl der Standorteröffnungen in den letzten Jahren weltweit eine rasante Entwicklung hinlegte. In der zweiten Jahreshälfte 2019 zeichneten sich in Deutschland jedoch erste Tendenzen eines schwächeren Wachstums ab (gemäß JLL ging der Flächenumsatz von Flexible Office Spaces in Q4 2019 um rd. 50 % ggü. dem Vorjahreszeitraum zurück). Viele Marktbeobachter erwarteten nicht zuletzt seitdem eine Konsolidierung des stark fragmentierten Marktes, spätestens im Zuge der nächsten Wirtschaftskrise. Diese kam dann doch schneller als erwartet. Und vor allem anders als gedacht.

Welche Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Flexible Office Space-Markt sind mittlerweile ablesbar?

Mit gut einem Jahr Covid-19 im Rücken lassen sich zumindest für den ersten Lock-Down und den anschließenden Lock-Down light erste Erfahrungswerte aus verschiedenen Umfragen ableiten. [German Coworking Federation/deskmag: Coworking Corona Befragung 2020; deskmag: 2019 Global Coworking Survey; workthere: Flexible Office Sentiment Survey April, July, October; The Instant Group: How have flexible workspace providers weathered the Covid-19 storm so far?]

  • Wie entwickelte sich die Nachfrage? 

Im April 2020 hatten 17 % der von deskmag befragten deutschen Flexible Office Spaces [Hinweis: deskmag verwendet den Begriff Coworking, meint aber nicht das Coworking im klassischen, engeren Sinne] normal und 60 % eingeschränkt oder mit reduziertem Service geöffnet, 22 % waren komplett oder mit Ausnahmen für einzelne Personen geschlossen. Europaweit belief sich der Anteil der Anfragen nach Plätzen am für April üblichen Niveau gemäß workthere auf 16 %, im Oktober immerhin wieder auf 60 % (bzw. 74 % in Deutschland).

  • Wie entwickelte sich die Geschäftslage?  

In den zwölf Monaten vor Pandemiebeginn waren gemäß deskmag 46 % der befragten Flexible Office Spaces profitabel. Gemäß der Umfrage sind aber 75 % aller deutschen Flexible Office Spaces auf Profiterzielung ausgerichtet. Schätzten für Januar 2020 acht Prozent der Befragten ihre Geschäftslage als schlecht ein, waren es im April/Mai ganze 66 %. Im gleichen Zeitraum erreichten auch einschlägige Wirtschaftsindizes ihre Tiefstände. Bis Juni verbesserte sich die Geschäftslage, erreichte aber bei Weitem noch nicht den Stand von Januar. Im Juni/August schätzten sich knapp 70 % der befragten Flexible Office Spaces bei Fortbestand der aktuellen Situation als finanziell gefährdet ein. 

  • Was wurde nachgefragt?

Frequentiert wurden die Flexible Offices Spaces im Befragungszeitraum (April–Oktober 2020) im Wesentlichen von Großnutzern. 28 % der befragten europäischen Anbieter registrierten laut workthere im Oktober dabei Nachfrage vor allem nach Büroflächen in Stadtrandlagen. In Deutschland waren es sogar 33 %. Diese Entwicklung wurde begünstigt durch strategische Entscheidungen vor allem großer Unternehmen für kürzere Büromietverträge, was von 24 % der Befragten attestiert wurde. Neben strategischen Überlegungen spielen hierbei sicher aber auch split-office-Vorgaben und die Verkürzung von Arbeitswegen für die Mitarbeiter eine Rolle.

Gemäß The Instant Group war zudem die Nachfrage nach privaten Flächen deutlich größer als nach großen Gemeinschaftsflächen, was vor allem reine Coworking-Anbieter belastete.


 


  • Wie reagierten die Mitglieder?

Gemäß workthere hatte 34 % der Mitglieder europäischer Flexible Office Spaces im April Anfragen auf Mieterleichterungen gestellt, im Oktober waren es noch 17 %. Laut The Instant Group kündigten bei den Anbietern mit reinem Coworking-Modell 38 % der Mitglieder, demgegenüber waren es „nur“ 15 % bei Anbietern, die stärker auf die Vermietung privater Büros setzen. Von Kündigungen betroffen waren gemäß workthere zudem vor allem flexible Verträge.

Welche Erwartungen lassen sich aus diesen Erfahrungswerten für die künftige Entwicklung des Flexible Office Space-Markts ableiten? 

Es ist davon auszugehen, dass sich die Nachfrage nach Flexible Office Space nach Ende der derzeitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verwerfungen nicht nur erholen, sondern noch weiter ansteigen wird. JLL rechnet bis 2030 mit einem Flexible Office Space-Anteil von 30 % an allen Büroflächen. Homeoffice wird künftig eine größere Rolle spielen als bisher, aber es wird dabei nicht der zentrale, sondern nur einer von mehreren Bausteinen flexibler Arbeitskonzepte sein, in deren Fokus vor allem auch das wohnortnahe Arbeiten steht. Dieses wiederum dürfte zu mehr Nachfrage nach Flexible Office Space-Angeboten in Stadtrandlagen sowie in B- und C-Städten führen. Für die Anbieter bietet sich hier – zusätzlich zu einer zu erwartenden besseren Flächenverfügbarkeit – durch ein besseres Einahmen-/Ausgaben-Verhältnis auch die Aussicht auf höhere Renditen.

Seminartipps

Es wird zudem einen fortschreitenden Konsolidierungsprozess geben, der sich vor allem zu Gunsten finanzstarker Hybridmodell-Anbieter mit diversifiziertem Standortnetz entwickelt. Der Büromarkt war die letzten Jahre stark von Flächenknappheit geprägt. Kapitalkräftige Betreiber haben im Zuge der derzeitigen wirtschaftlichen Belastungsprobe nun die Möglichkeit, Standorte schwächerer Anbieter zu übernehmen. Gerade Flexible Office Spaces mit hohem Anteil reiner Coworkingflächen, deren Mitgliederklientel i. d. R. von kleinen Unternehmen und Freiberuflern mit überlicherweise sehr kurzen Vertragslaufzeiten dominiert wird, spüren die Pandemiebedingten Nachfrageeinbrüche besonders stark. Zudem haben sich große offene Arbeitsflächen auch aus Hygienegesichtspunkten als nachteilig erwiesen.

Auch eine Änderung der Mitgliederklientel ist zu erwarten. Lag der Nachfrageschwerpunkt bisher im Bereich von Freiberuflern und kleinen Unternehmen, werden nicht zuletzt aufgrund der rückläufigen Existenzgründungen und dem Trend zu kürzeren Büromietvertragslaufzeiten vor allem Groß- und mittelständische Unternehmen als Nachfrager deutlich stärker in den Fokus rücken.

Inhousetipp

Ferner ist mit dem Eintritt neuer Konzepte in den deutschen Markt zu rechnen, insbesondere von Management- bzw. White Label-Modellen, die auch in flexiblen Arbeitswelten ein Corporate Branding ermöglichen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Pandemie die ohnehin erwartete Marktbereinigung beschleunigen wird, aber keineswegs das oft beschworene Ende von Flexible Office Spaces bedeutet. Auch wenn nicht jeder Anbieter und jeder Standort die Krise überleben wird, bietet diese dem Konzept die Chance, seine Widerstandsfähigkeit und seine Daseinsberechtigung zu beweisen und sich mit krisenbewährten Modellen am Markt – auch bei den bisher eher skeptischen Investoren und Vermietern – zu etablieren.

PRAXISTIPPS

  • Wirklich Coworking oder doch eher Flexible Office Space? Das Begriffsverständnis hat sich im Laufe der Zeit ausdifferenziert, wird aber nicht einheitlich verwendet. Es empfiehlt sich daher, beim Research die Begriffsdefinition von Quellen zu prüfen.
  • Der deutsche Flexible Office Space-Markt ist nach wie vor sehr intransparent. Für die Einschätzung grundlegender Trends kann zur Orientierung ein Blick auf die europäischen und weltweiten Entwicklungen hilfreich sein. 
  • Coworking Spaces sind von der Pandemie tendenziell stärker betroffen als andere Flexible Office Space-Konzepte. Das bedeutet aber nicht, dass sie per se schlechter sind. Standort- und Objektqualität sowie der lokale Markt sind entscheidend.

 


Beitragsnummer: 16063

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