Freitag, 25. Juni 2021

Mobile Sicherheiten strukturiert bewerten

Ganzheitlicher Ansatz über den gesamten Kreditlebenszyklus.

Frank Schottenheim, Director Financial Institutions, Risikomanagement, PS Team GmbH

 

Die Leitlinien der EBA für die Kreditvergabe und Überwachung (EBA/GL/2018/06 und EBA/GL/2020/06) zielen darauf ab, Schäden von Finanzierern und damit von der europäischen Wirtschaft insgesamt abzuwenden. Allerdings erfordert es einen Kraftakt von Banken und Leasinggesellschaften, diese umzusetzen. Im Bereich der Bewertung mobiler Sicherheiten gelingt das mit einem ganzheitlichen, strukturierten Ansatz über den gesamten Kreditlebenszyklus.

 

I. Mobilien-Bewertung im Kreditlebenszyklus

Bereits die EBA/GL/2018/06 (EBA NPE-Guidelines) forderten eine qualifizierte Bewertung von Sicherheiten bei der Sanierung und Abwicklung von Kredit- oder Leasinggeschäften. Die EBA/GL/2020/06 erweitern die Anforderungen inhaltlich noch einmal, besonders hinsichtlich:

  • der Datenhaushalte,
  • der Historisierung,
  • der Bewertungssystematik/statistischen Modelle,
  • der Gutachter-Qualifikation
  • und des Backtestings. 

Was bedeutet das für die Finanzierung von fahrbaren oder stationären Mobilien und wie lassen sich die Regularien umsetzen? Dazu gilt es zunächst, zwischen drei Bereichen zu unterscheiden, in denen die Richtlinien greifen.

 

1. Kreditvergabe: Netto-Risiko beeinflusst Beurteilung der Kapitaldienstfähigkeit

Die Risikoanalyse bei der Kreditvergabe splittet sich auf in die Bonitätsbeurteilung des Kunden und die Bewertung von Sicherheiten. Der Finanzdienstleister muss die Wertentwicklung der Mobilie prognostizieren, die das Grundgeschäft besichert, und dabei die gesamte Zeit von der Betriebsübernahme beziehungsweise Abnahme des Gegenstandes bis über das geplante Finanzierungsende hinaus einbeziehen. Legt man diese Entwicklung gegen die Amortisation aus dem Kredit- oder Leasing-Verlauf, erhält man das Netto-Risiko, das die Kundenbonität abdecken muss. Insofern beeinflusst die Objektbewertung mittelbar die Beurteilung der Kapitaldienstfähigkeit.

 

2. Kreditlebenszyklus: ohne Engagement-Überwachung keine Sicherheit

Während des Kreditlebenszyklus sollen Banken und Leasing-Gesellschaften die Werte der Sicherheit schätzen – „regelmäßig, adäquat und unabhängig“, wie die EBA vage formuliert. Als Untergrenze fordert sie, einmal jährlich die Werthaltigkeit der Sicherheit und damit wiederum die Netto-Risiko-Position zu validieren. Informationen des Kunden zum Zustand und zur Nutzung des Objekts ermöglichen, den Zeitwert genauer zu bestimmen als in der anfänglichen Risikoanalyse. Versäumt das Finanzinstitut, das Engagement zu überwachen, wird die Sicherheit nicht länger anerkannt und es muss seine Eigenkapitalunterlegung erhöhen.

 

3. Sanierung oder Abwicklung: Wertminderungen und Abschreibungen

Bei der Sanierung oder Abwicklung des Vertrages muss das Objekt noch einmal bewertet werden. Gefordert sind adäquate und konsistente Verfahren zur Identifikation der Wertminderungen und der sich daraus ergebenden Abschreibungen, wobei unterschiedliche Ansätze aktueller Rechnungslegungsstandards (HGB, IFRS, US-GAAP usw.) berücksichtigt werden müssen.

 

II. Herausforderungen Expertenwissen und Datenmanagement 

Finanzdienstleister sind gefordert, eine umfassende Methodik und Richtlinien zur Bewertung von Sicherheiten zu implementieren. Das können statistische Modelle, indexierte Bewertungen oder Sachwertverfahren sein. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bandbreite der Objekte vom Ackerschlepper über den Turmdrehkran oder ein Bearbeitungszentrum in der Metallverarbeitung bis hin zu Produktionsanlagen reicht. Während Leasing-Gesellschaften in aller Regel über ein funktionales Asset Management verfügen, gelingt es Banken kaum, die richtigen Gutachter einzubinden und deren Expertise und Erfahrung nachzuweisen. Hinzu kommt, dass die Gutachter idealerweise rotieren sollen, um die Unabhängigkeit und Objektivität der Bewertung sicherzustellen. Das lässt sich bei Immobilien noch recht gut realisieren, bei mobilen Sachsicherheiten – besonders im Bereich der stationären Technik – sind Experten mit Spezial-Knowhow allerdings Mangelware. 

Für die geforderte kontinuierliche Überwachung empfiehlt es sich, Schwellenwerte und Trigger zu definieren. Sie zeigen an, wann und unter welchen Bedingungen nachbewertet werden muss, beispielsweise wenn das Finanzierungsgeschäft als NPE (Non-performing Exposure) eingestuft wird. Der gesamte Prozess basiert auf der vergleichenden Analyse von aktuellen und historischen Daten. Letztere sind jedoch nur schwer zugänglich, denn eine Integration in die Bewertungssystematik scheitert oft am Migrationsaufwand. Um hier pragmatisch Abhilfe zu schaffen, entwickelte PS Team das Tool Valuation. Es lässt sich über offene Schnittstellen gut ins bestehende Backend integrieren und generiert Datensätze für die Portfolio- oder Einzelbewertung sowie zum Backtesting eigener Wertansätze. Auch an das in den Instituten unterrepräsentierte Expertenwissen ist gedacht, indem Informationen ausgewählter Daten-Lieferanten hinterlegt wurden. Außerdem besteht die Option, individuelle Bewertungen erstellen zu lassen sowie ein Gutachten mit Vor-Ort-Besichtigung zu beauftragen.

 

III. Mobilien-Bewertung in der Praxis

1. Verlaufsprognose mit Worst-Case-Ansatz

Die Verlaufsprognose als Grundlage der Geschäftsentscheidung sollte dem Worst-Case-Ansatz folgen, also den Wert zugrunde legen, der sich im Insolvenzfall realisieren lässt. Banken und Leasing-Geber müssen ihn unter Zeitdruck verhandeln, da die Aufsicht eine schnelle Vermarktung fordert und eine Hold-Strategie nicht zulässt. In die Prognose fließen die geplante Nutzungsart und -intensität, die Beeinträchtigungen des Marktwerts durch die technologische Entwicklung und anderen bewertungsrelevante Faktoren wie Einsatzgebiet, Service und Maintenance ein. Außerdem sind theoretisch anfallende Kosten für Sicherstellung und Verwertung zu berücksichtigen (Gone Concern). Ein Vergleich der Worst-Case-Kurve mit der Amortisation aus dem Kredit- oder Leasing-Vertrag ergibt das Netto-Risiko, das durch die Bonität des Kunden gedeckt werden muss.

 

2. Bewertungsmatrix im Breitengeschäft

Für Objekte, die häufig finanziert werden, empfiehlt sich eine Bewertungsmatrix, die nach bestimmten Parametern gehoben oder gesenkt werden kann. Wird das Objekt überdurchschnittlich genutzt, sinkt die Werte-Kurve, während eine unterdurchschnittliche Nutzung sie anhebt. Finanzierer müssen die Matrizen sowie sämtliche Wertekurven mindestens jährlich mit eigenen Verwertungsdaten und mit Daten Dritter überprüfen (Backtesting). Wichtig ist in diesem Zusammenhang, nachvollziehbar zu definieren, bis zu welchen Grenzen die Standards gelten. Das unterscheidet sich von Institut zu Institut. Erfahrungsgemäß liegen die Schwellenwerte beim standardisierten Breitengeschäft je nach Objektsegment zwischen 100.000 und 250.000 Euro Kaufpreis. Höhere Anschaffungskosten entstehen häufig durch Zubehör, eine höhere technische Komplexität, Customizing und so weiter. Auch im Flächengeschäft kommt man daher kaum ohne Spezialwissen aus. Bei NPEs ist es ohnehin gefordert. 

 

3. Risikoklassen als Grundlage

Am besten gelingt es, für jedes Engagement die passende Methode anzuwenden, wenn Kreditgeber die Mobilien innerhalb von Objektsparten verschiedenen Risikoklassen zuordnen. Sie können dann für jede Klasse die geeigneten Bewertungsmethoden festlegen – automatisiert über ein digitales Tool, hybrid mittels Tools und Validierung durch fachkundige Mitarbeiter oder externe Dritte und – sozusagen High End – durch einen externen Gutachter. 

 

IV. Wertminderungen und Abschreibungen

Sowohl der einheitliche Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) der EZB als auch die EBA-NPE-Richtlinie zielen darauf ab, Werte notleidender Engagements zeitnah und angemessen zu berichtigen oder uneinbringlicher Exposures abzuschreiben. Die regulierten Institute müssen dafür Richtlinien erstellen, welche unter anderem genaue Vorgaben enthalten sollen:

  • zur Bewertungsmethodik,
  • zu den Kriterien für Going-Concern- und Gone-Concern-Szenarien,
  • zur Definition der Uneinbringlichkeit einer Forderung,
  • zu Triggern für die Teil- oder Voll-Abschreibung
  • sowie zur Kontrolle der Maßnahmen.

Sie lassen sich aus den oben beschriebenen Grundsätzen ableiten und belegen. Abschließend bleibt festzuhalten: Finanzierungsgesellschaften kommen zwar um die regulatorischen Anforderungen nicht herum. Die Umsetzung lässt ihnen jedoch einen großen Handlungsspielraum, den es intelligent auszuschöpfen gilt, um möglichst ressourcenschonend eine effektive Risikokultur einzuführen und mit Leben zu füllen.

 

PRAXISTIPPS

  • Verfolgen Sie in der Bewertung mobiler Sicherheiten einen hybriden Ansatz: So viel Automatisierung und Datenintelligenz wie möglich – so viel Manpower wie nötig.
  • Führen Sie für häufig finanzierte Objekte eine Bewertungsmatrix ein und legen Sie Schwellenwerte für deren Gültigkeit fest.
  • Definieren Sie Trigger und Schwellenwerte für die Nachbewertung.

Beitragsnummer: 16038

Beitrag teilen:

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Dead companies walking – Identifikation von „Zombieunternehmen“

Auch eher unauffällige Unternehmen können ein großes Risiko für Kreditinstitute darstellen. Vor allem, wenn diese Unternehmen vom Substanzverzehr „leben".

07.02.2024

Beitragsicon
8. MaRisk Novelle – Herausforderungen für Finanzinstitute

Die BaFin hat eine Neufassung der MaRisk vorgestellt, die insb. die Umsetzung der EBA-Leitlinien zu IRRBB und CSRBB in deutsches Aufsichtsrecht überführt.

01.03.2024

Beitragsicon
Aufbau- und ablauforganisatorische Unabhängigkeit der Gutachter

Neue verschärfte EBA/MaRisk-Vorgaben im Bereich der aufbau- und ablauforganisatorischen Unabhängigkeit von Gutachtern bei der Immobilienbewertung

30.06.2022

Beitragsicon
Die besondere Bedeutung der Bankbuchbewertung im aktuellen Zinsumfeld

Analyse der Zinsentwicklung auf die Bankbuchbewertung nach IDW RS BFA 3, Herausforderungen für Kreditinstitute und Anpassungsstrategien .

11.12.2023

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.