Mittwoch, 13. Januar 2021

Kein Anspruch auf Auszahlung von Guthaben und Zinsen bei Altsparbuch

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

 

In einem sog. Altsparbuchfall, in welchem nicht der noch lebende Sparbuchinhaber sondern ein Dritter aus vermeintlich abgetretenem Recht aus einem ungelochten Sparbuch einen Anspruch auf Auszahlung des im Sparbuch noch ausgewiesenen Guthabens einschließlich Zinsen geltend gemacht hatte, gelangt das OLG Zweibrücken in seinem Urteil vom 25.11.2020, Az. 7 U 82/18 (WM 2020, 2424) unter Berücksichtigung aller Indizien des Einzelfalles sowie unter Berücksichtigung der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme zum Ergebnis, dass dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung des im nicht gelochten Sparbuch ausgewiesenen Guthabens einschließlich Zinsen nicht zusteht. Dies deshalb, weil es dem beklagten Kreditinstitut zur Überzeugung des Gerichts gelungen sei, die geschuldete Rückzahlung der Spareinlage gem. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB und damit die Erfüllung i. S. v. § 362 Abs. 1 BGB zu beweisen. 

 

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Zur Begründung führt das OLG Zweibrücken aus, dass zwar allein der Ablauf der handelsrechtlichen Aufbewahrungspflicht für sich genommen keine Umkehr der Beweislast rechtfertige und dass die Unrichtigkeit des Sparbuchs nicht allein mit bankinternen Unterlagen nachgewiesen werden kann. Allerdings weist das OLG Zweibrücken auch darauf hin, dass bankinterne Unterlagen ein anderes, größeres Gewicht dann gewinnen, wenn weitere Umstände hinzutreten, zu denen auch ein erheblicher Zeitablauf gehören kann. 

 

Nachdem seit der letzten Eintragung im Sparbuch ca. 20 Jahre lang keine weiteren Eintragungen mehr erfolgt waren, der Sparbuchinhaber wiederum trotz des ihm vom beklagten Kreditinstitut im Jahr 2008/2009 erteilten Hinweises, dass das Sparkonto/Sparbuch nicht mehr existieren würde und damit auch das darin ausgewiesene Guthaben, der Sparbuchinhaber über viele weitere Jahre hinweg nichts unternahm, um den aus seiner Sicht angeblich gegebenen Anspruch durchzusetzen, die Beklagte wiederum durch Vorlage interner, laut Aussage des angehörten Zeugen die tatsächlichen Buchungsvorgänge bei der Beklagten widerspiegelnden internen Unterlagen sowohl die Auszahlung des auf dem Sparbuch vorhandenen Guthabens als auch die sich hieran anschließende Löschung des Sparbuchs nachgewiesen und zudem belegt hatte, dass der identische Betrag am selben Tag auf ein weiteres Sparbuch des Sparbuchinhabers eingezahlt worden war und weder der in erster Instanz als Zeuge vernommene Sparbuchinhaber noch der aus abgetretenem Recht vorgehende Kläger dem schlüssigen und ein geschlossenes Bild aufzeigenden Vortrag der Beklagten substantiiert entgegengetreten waren, sah das OLG Zweibrücken den Nachweis der Erfüllung durch die Beklagte als erbracht an und wies, anders als die erste Instanz, die Klage auf Auszahlung von Guthaben und Zinsen ab. 

 

PRAXISTIPP:

 

Das OLG Zweibrücken hat mit überzeugender Begründung aufgrund der Umstände des Einzelfalles sowie unter Zugrundelegung der Rechtsprechungsgrundsätze zu Altsparbuchfällen die Erfüllung der Auszahlung des auf dem ungelochten Sparbuch noch ausgewiesenen Guthabens einschließlich Zinsen und damit die Erfüllung gem. § 362 Abs. 1 BGB als durch die Bank nachgewiesen angesehen. 

 

Da es hierauf nicht mehr ankam, wurde in der Entscheidung des OLG Zweibrücken nicht mehr thematisiert, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fall nicht um den klassischen Fall der sog. Altsparbuchfälle handelt, in welchen jahrelang nach Versterben des Sparbuchinhabers irgendwelche Erben das nicht gelochte Altsparbuch auffinden und hieraus Ansprüche gegenüber dem das Sparbuch ausstellenden Kreditinstitut gelten machen, sondern um einen Fall, in welchem der noch lebende Sparbuchinhaber selbst (über einen vermeintlichen Abtretungsgläubiger) die Ansprüche geltend macht, weswegen dieser problemlos in der Lage gewesen wäre, dem in sich schlüssigen, widerspruchsfreien und ein geschlossenes Bild ausweisenden Vortrag des beklagten Instituts substantiiert entgegenzutreten und einen anderen ebenso schlüssigen Sachverhalt darzulegen. Nachdem dies wiederum im Verfahren vor dem OLG Zweibrücken nicht nur in keinster Weise durch den vermeintlichen Anspruchsinhaber geschah, der Sparbuchinhaber vielmehr (angeblich) keinerlei konkrete Erinnerung mehr an die Vorgänge hatte und der Sparbuchinhaber zudem nach dem Eindruck des Richters erster Instanz einen völlig wirren Eindruck hinterließ, hätte das OLG Zweibrücken, wie andere Gerichte auch (vgl. nur OLG Hamburg, Urteil v. 31.05.1998, Az. 5 U 74/89, WM 1989, 1681; OLG Köln, Urteil v. 09.07.2003, Az. 13 U 133/02, BeckRS 2004, 2970; AG Hamburg, Urteil v. 18.01.1993, Az. 7 C 1755/92, WM 1993, 1086), auf den konkreten Sachverhalt die Rechtsprechungsgrundsätze zu den klassischen Altsparbuchfällen gar nicht oder nur eingeschränkt anwenden dürfen und an die sekundäre Darlegungslast des noch lebenden Sparbuchinhabers höhere Anforderungen stellen müssen.

 


Beitragsnummer: 15023

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