Montag, 25. Januar 2021

Krisenfeste Sicherheiten-Bewertung

Notwendiger Aufbau einer Infrastruktur zur Erfassung, Abruf und Anpassung von Mobiliendaten über den gesamten Kreditlebenszyklus.

Frank Schottenheim, Director Financial Institutions, Risikomanagement, PS Team GmbH

 

Notleidende Kredite bleiben häufig unerkannt, bis es zu spät ist. Um diesem Risiko vorzubeugen, verschärft die EBA (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) die Anforderungen an die Bewertung mobiler Sicherheiten. Dank einer Release-Erweiterung unterstützt das etablierte Asset-Register PS DataCollect die Institute dabei, die Werte über den gesamten Kreditlebenszyklus realistisch zu definieren.

 

I. Offene Flanke Sicherheiten-Bewertung 

Noch vor dem hinter uns liegenden Corona-Jahr 2020 gab die EZB an, dass 99,8 % aller EU-Firmen kleine und mittelständische Unternehmen sind, die 60 % der Wertschöpfung des Wirtschaftsraums generieren. Da sie nicht verpflichtet sind, regelmäßig Finanzberichte zu veröffentlichen, können Finanzdienstleister deren Kreditrisiken besonders schwer einschätzen. Die BKS (Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing) ermittelte im „NPL-Barometer 2020“, dass die Pandemie einen Höchststand notleidender Firmen- und Privatkredite zur Folge haben wird. Wie die Befragung von Risikomanagern deutscher Kreditinstitute nahelegt, wird sich deren Volumen im Jahr 2021 auf 60 Mrd. € verdoppeln.

 

Auf europäischer Ebene sieht es nicht besser aus. So äußerte die niederländische Christdemokratin und Abgeordnete des europäischen Parlaments Esther de Lange im Rahmen eines NPL-Roundtables der EU-Kommission die Befürchtung, dass die NPL-Quote auf zehn Prozent steigen könne. Längst hat die EBA (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) das Bedrohungspotenzial fehlender oder falscher Sicherheiten-Bewertungen für die gesamte Wirtschaft erkannt. Deshalb erhöht sie in den Richtlinien zur Kreditvergabe und -überwachung (EBA/GL/2020/06) die Anforderungen in diesem Bereich. Für die Erst- und Folgebewertung von besicherten Krediten, die nach dem 30.06.2021 abgeschlossen werden, gelten verbindliche Kriterien für die Qualifikation, Qualität und Unabhängigkeit der Gutachter. Das Finanzinstitut muss dafür Sorge tragen, dass die Sicherheiten-Bewertung stets aktuell ist, und veraltete Bewertungen überwachen und kennzeichnen.

 

II. Knackpunkt Objektdaten

Sowohl in den Richtlinien zur Kreditvergabe und -überwachung als auch in denen zu notleidenden Risikopositionen (EBA/GL/2018/06) ist die Bereitstellung zeitnaher und qualitätsgesicherter Daten und Informationen für Monitoringzwecke als Querschnittaufgabe definiert. Bis Mitte 2024 müssen alle fehlenden Daten zur Überwachung von Krediten erhoben werden, die vor dem 30.06. dieses Jahres abgeschlossen wurden. Allerdings fiel die Evaluierung der EBA-NPL-Templates ernüchternd aus: Die Institute sind nicht in der Lage, alle nach ihrer Wichtigkeit als „critical“, „important“ oder „moderate“ gerankten Felder auszufüllen. Zwischen 35 und 40 % gelten als „difficult to collect“, zwischen neun und 18 % fehlen ganz.

 

1. Umfassende Infrastruktur gefordert

Banken und Leasinggesellschaften kommen nicht umhin, eine Infrastruktur zu schaffen, die es ihnen ermöglicht, Mobiliendaten über den gesamten Kreditlebenszyklus zu erfassen, abzurufen, zu vergleichen und anzupassen. Nur so lassen sich die aus regulatorischer Sicht monierten Defizite nachhaltig beheben und die Institute können ihrer Pflicht nachkommen, die Bewertungsergebnisse rückblickend mit den tatsächlich am Markt realisierten Werten zu vergleichen. Außerdem erschließen sie sich die Möglichkeit, einzelne Schritte zu automatisieren, indem sie statistische Modelle einbeziehen.

 

2. Ausbaufähiges Monitoringtool

Mit dem Asset-Register PS DataCollect bietet PS Team eine Grundlage für die Sicherheiten-Bewertung an. Marktführende Banken und Leasinggesellschaften in Europa nutzen die Plattform, um mobile Assets zu überwachen und Betrugsversuche frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Aus dem Einsatzzweck ergibt sich von vornherein eine hohe Datenqualität. Um Kreditgeber dabei zu unterstützen, regulatorische Vorgaben umzusetzen, wurde die Datenbank um das Release „Valuation“ erweitert. Hinterlegt sind Standard-Wertverläufe, sodass auch Desktop-Bewertungen, also eine Festlegung nach Aktenlage ohne Besichtigung, möglich sind. Alternativ können Risikomanager direkt über das Tool einen Gutachter beauftragen.

 

3. Alle Phasen des Kreditlebenszyklus abgedeckt

Von der Erstbewertung für den Kreditantrag über die Folgebewertung bis zur Abwicklung notleidender Kredite und das Remarketing lassen sich die erforderlichen Werteverläufe und Zeitwerte über das Asset-Register generieren. Es ist auch möglich, Restwerte abzuleiten, regelmäßige Risikoprüfungen des Gesamtportfolios durchzuführen und Inhouse-Werte zu validieren. Berücksichtigt wurden zudem die Anforderungen an das Backtesting der institutsinternen Bewertungsmodelle und -ergebnisse, das in Form eines Vergleichs der potenziellen Risikobeträge mit hypothetischen Wertänderungen des Portfolios zu erfolgen hat.

 

4. Umfangreiche Datensammlung

Neben der Verwendung unterschiedlicher Wertansätze ist es möglich, auf Maschinendaten von z. B. NetBid, Lectura sowie weiterer Anbieter zuzugreifen. Generell wurden die Datensätze so angelegt, dass der Finanzdienstleister auf eine umfangreiche Datensammlung zurückgreifen kann mit Informationen zum Baujahr, dem Anschaffungs- und Verkaufspreis sowie Verkaufsdatum. Weitere Parameter lassen sich individuell definieren. Kreditgeber schaffen sich so eine weiter ausbaufähige Wissensbasis für die Bewertung beweglicher Sicherheiten, bepreisen Kredite realistischer und senken das Risiko in der Vergabephase. Mittelfristig tragen sie dazu bei, das Wirtschaftsklima zu stabilisieren.

 

III. Last Exit: Sekundärmarkt 

Die jüngst verabschiedeten Richtlinien können ihre Schutzfunktion für den Finanzmarkt erst in den kommenden Jahren entfalten. Für die heute in den Beständen schlummernden „faulen Eier“ wird es in diesem Jahr vielfach nur die Möglichkeit geben, sie mit so wenig Schaden wie möglich loszuwerden. Auch auf dem Sekundärmarkt steht und fällt der Erfolg im Geschäft mit besicherten Krediten mit der Qualität der Informationen, die über die Objekte vorliegen. Nicht nur aus regulatorischer Sicht ist es daher geboten, sich des leidigen Datenthemas schnell und mit der notwendigen Sorgfalt anzunehmen.

 

PRAXISTIPPS

  • Beginnen Sie jetzt, eine Infrastruktur für das Datenmanagement aufzubauen, das den Richtlinien zur Sicherheiten-Bewertung entspricht!
  • Berücksichtigen Sie in den Workflows die hohen Anforderungen an das Backtesting!
  • Nicht alles, was möglich ist, ist auch sinnvoll: Nutzen Sie das Instrument der Desktop-Bewertung defensiv! Es entstehen kaum Kosten, doch sie gehen ein sehr hohes Risiko ein.

 


Beitragsnummer: 15016

Beitrag teilen:

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Dead companies walking – Identifikation von „Zombieunternehmen“

Auch eher unauffällige Unternehmen können ein großes Risiko für Kreditinstitute darstellen. Vor allem, wenn diese Unternehmen vom Substanzverzehr „leben".

07.02.2024

Beitragsicon
EU-Richtlinie zur Harmonisierung des Insolvenzrechts

Wesentliche Inhalte des Richtlinienentwurfs der EU-Kommission (2022/0408)

25.08.2023

Beitragsicon
Die besondere Bedeutung der Bankbuchbewertung im aktuellen Zinsumfeld

Analyse der Zinsentwicklung auf die Bankbuchbewertung nach IDW RS BFA 3, Herausforderungen für Kreditinstitute und Anpassungsstrategien .

11.12.2023

Beitragsicon
8. MaRisk Novelle – Herausforderungen für Finanzinstitute

Die BaFin hat eine Neufassung der MaRisk vorgestellt, die insb. die Umsetzung der EBA-Leitlinien zu IRRBB und CSRBB in deutsches Aufsichtsrecht überführt.

01.03.2024

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.