Franz Wulz, Geschäftsführender Gesellschafter. Positionierung, Change-Management & HR-Experte, CAMPUS Security & Training Group GmbH
I. Einleitung
Die Fluktuationsraten in der Banken- und Finanzdienstleistungsbranche sind so hoch wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr, das zeigen aktuelle Studien. Zwei Drittel der Mitarbeiter*innen, die ihr Unternehmen verlassen, tun dies freiwillig. Die Generation der Digital Natives orientiert sich nicht mehr an monetären Strukturen, sie erwartet innovative Führungskultur, Vertrauen und Anerkennung. Der Krieg um die Top-Talente ist entbrannt, Humankapital wird zum wertvollsten Gut für die Unternehmen. Sind die Banken im Jahr 2021 diesen Herausforderungen gewachsen?
II. Arbeiten, um zu leben oder leben, um zu arbeiten?
Der abstrakte Begriff „Arbeit“ hat nach wie vor einen hohen Stellenwert im Leben der meisten Menschen. Daraus resultiert eine starke Affinität zu arbeitsbezogenen Tätigkeitsfeldern, zu den ausgeübten Positionen und zu individuellen Werten, gerade bei Führungskräften und Verantwortungsträgern. Viele Menschen definieren sich stark über ihre Position im Arbeitsleben.
In Zeiten zunehmender Arbeitslosigkeit und politisch angestrebter Arbeitszeitverkürzung widmen sich viele Forscher der Frage, ob sich die Gesellschaft von einer Arbeits- in eine Freizeitgesellschaft gewandelt hat. Freizeit erhält mehr Priorität, „Statussymbole“ (Eigentum, Besitz, u. ä.) verlagern sich in Richtung der „gelebten Selbstverwirklichung“, und das auf die Person bezogene Besitzdenken nimmt zugunsten der subjektiv erlebten Lebens- und Arbeitsqualität ab.
Unternehmerisches Wirtschaften und innerbetriebliches Banken-Management folgen heute anderen Gesetzmäßigkeiten als noch vor vielen Jahren. Unter der Parole „Change-Managements“ werden neue Generationen-orientierte Rahmenbedingungen geschaffen, die über Erfolg und Misserfolg in der neuen digitalen Branding- und Recruiting-Welt entscheiden.
Seminartipps
a) Change-Management
Die Arbeitswelt wandelt sich massiv. Veränderte gesellschaftliche, wirtschaftliche und soziale Parameter führen zu neuen Abhängigkeiten und damit zu Wechselwirkungen mit dynamischen Einflussfaktoren. Vor allem Systeme wie digitale Recruiting-Plattformen verändern den Zugang zur Wunsch-Zielgruppe und damit die daraus entstehenden Beziehungen. Diese Dynamik sorgt für ein hohes Maß an Komplexität, was zur Folge hat, dass mangelhaft geführte Systeme schnell an ihre Grenzen stoßen und der geplante Erfolgt ausbleibt[1].
Schlagwort „Change-Management“: Spitzenkräfte werden allgemein, und insbesondere in der Banken- und Finanzdienstleistungsbranche, zur Mangelware. Darum müssen gerade Fachabteilungen und die für Human Resources (HR) verantwortlichen Führungskräfte ganzheitlicher und vernetzter denken lernen.
Das Beratungsunternehmen Mutaree führte 2018/2019 eine Studie zum Change-Management (n=76) mit dem Titel „Maßnahmen, die Mitarbeiter in Hinblick auf das Changemanagement für sinnvoll halten“ durch[2]:
Abbildung 1 - Studie „Mutaree“ zum Change-Management
Quelle: eigene Darstellung, 2020
Speziell der Zugang zu akademischen Nachwuchsführungskräften (als Wunsch-Zielgruppe der HR-Expert*innen von Banken und Finanzdienstleister) muss sich verändern. Bei der vom Autor durchgeführten Studie zum „Employer Branding“ (die befragten HR-Expert*innen waren für insgesamt 371.700 Mitarbeiter*innen verantwortlich) in Banken und DAX-Unternehmen der D-A-CH Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) führt vor Augen, dass viele operative Maßnahmen der HR-Fachabteilungen bei der Wunschzielgruppe nicht mehr greifen, und mögliche künftige Kolleg*innen im War for talents für das eigene Unternehmen nicht mehr zu begeistern sind.
Wenn Banken und Finanzdienstleister eine starke Belegschaft aufbauen wollen, die ihr Unternehmen nachhaltig, wirtschaftlich und ökonomisch positioniert, ist es jetzt höchste Zeit, eine innovative und zeitgemäße Strategie zu entwickeln, um den Krieg um die Nachwuchstalente für sich zu entscheiden.
b) Neue Strategien – neue Aufgaben und Strukturen: Design for Change
Banken stehen im Zeitalter der digitalen Kommunikation vor vielen neuen, generationenbezogenen Herausforderungen. Das trifft hauptsächlich auf die Personalgewinnung zu und beeinflusst daher das Tagesgeschäft der HR-Fachabteilungen und der dahinterstehenden verantwortlichen Führungskräfte in hohem Maße. Altgediente analoge Konzepte der Personalentwicklung entsprechen nicht mehr den Erfordernissen der digitalen Welt und dem Nutzerverhalten der erwünschten Zielgruppe. Unternehmen stehen im Zeitalter der digitalen Kommunikation vor nie dagewesenen Herausforderungen. Die bisherigen Strategien wie Einsatz hoher Budgetmittel für das Recruitment, „Verantwortungsübergabe“ bei der Mitarbeiter*innen-Suche an Headhunter-Agenturen und die übliche Integration von Mitarbeiter*innen mit entsprechender Qualifikation zeigen nicht mehr den gewünschten Effekt wie in der Vergangenheit[3].
Es ist eine aufregende Zeit für das Bankenmanagement, besonders bei der Gewinnung der Digital Natives. Die Top-Talents dieser Geburtskohorte werden voraussichtlich bis zum Ende des Jahres 2021 die Hälfte der Mitarbeiter*innen in den Unternehmen ausmachen. Die Veränderung im Medienverhalten der jungen Generationen erfordert, dass die Unternehmen ihr Employer Branding und ihre Online-Marketing-Konzepte ständig Generationen-abhängig anpassen müssen, um als potentieller Arbeitgeber entsprechend wahrgenommen zu werden[4].
Für den „Universum Student Survey 2018“ wurden im Zeitraum Oktober 2017 bis April 2018 34.697 Studierende an 205 Hochschulen in Deutschland befragt, bei welchen Unternehmen sie nach dem Studium arbeiten möchten und unter welchen Voraussetzungen sie sich eine Bewerbung vorstellen könnten. Erhoben wurden Kriterien für die Arbeitgeberbewertung vor der eigentlichen Bewerbung, die Gehaltsvorstellungen und die verfolgten Karriereziele der Studenten:
Abbildung 2 – Universum Student Survey 2018
Quelle: eigene Darstellung, 2020
Durch eine strategisch abgestimmte digitale Kommunikationsstrategie in Abstimmung mit einem zielgruppenorientierten Marketingmix aller Fachabteilungen wird der Führungsnachwuchs (die Digital Natives) im War for talents erreicht. Die vom Autor durchgeführte Studie (2019) zeigt klar: Printmedien-Einschaltungen und die Beauftragung von Headhunter-Agenturen treten massiv in den Hintergrund und haben kaum mehr strategische Bedeutung für diese Gruppe.
Die neuen Strategien konzentrieren sich auf die intensive und strategische Nutzung digitaler Medienkanäle und innovativer Technik wie z. B. einer unkonventionellen Zielgruppenansprache (Schlagwort: „Gamification“). Die Employer Branding-Maßnahmen der Banken müssen mit einer Generationen-orientierten Zielgruppen- und Themensteuerung für ein optimiertes Recruiting sorgen. Eine Herausforderung dabei ist, dass die Arbeitgebermarke mit der Unternehmensmarke korreliert und direkten Einfluss auf den Erfolg der Recruiting-Maßnahmen ausübt. Die Abb. 3 verdeutlicht die Abgrenzungen zwischen Marketing, Employer Branding und dem HR-Management:
Abbildung 3 – Abgrenzungen im Employer Branding
Quelle: eigene Darstellung, 2020
Am Vertrauenswert selbst, dem „guten Ruf“, hat sich durch die Digitalisierung nichts Grundlegendes verändert. Reputation versteht sich im gesellschaftlichen Leben als eine Grundvoraussetzung für ein sozial geprägtes Miteinander. Der gute Leumund eines anderen (auch eines Unternehmens) sorgt für einen Vertrauensvorschuss.
III. Digital Natives brauchen Vertrauen und Transparenz
Die Employer Branding Studie (2019) des Autors bringt es auf den Punkt: Vertrauen und Transparenz stehen bei den Mitarbeiter*innen von heute an oberster Stelle der Anforderungsliste, die sie von ihrem derzeitigen oder künftigen Arbeitgeber erwarten.
Soziologie und Ökonomie stellen forschungsrelevante Zusammenhänge zwischen Kontrolle und Arbeitszufriedenheit her: Vertrauen bildet die Basis jeder sozialen und ökonomischen Interaktion, es fördert darüber hinaus zwischenmenschliche Beziehungen und emotionale Stabilität. Gerade bei der Wunschzielgruppe des Banken-Managements, den akademischen Nachwuchsführungskräften aus den Geburtskohorten der Generationen Y und Z (ab 1999 geboren), führt ein Mangel an Vertrauen zwischen Mitarbeiter*innen und deren direkten Vorgesetzten zum Absinken des Engagements und zur Störung der Arbeitsmoral. Die nachhaltigen Folgen: hohe Fluktuationsraten und Verringerung von Human- und Wissenskapital der Banken.
Abbildung 4 – Sozio-ökonomisches Panel (2014)
Quelle: eigene Darstellung, 2020
Es herrscht damit kein Zweifel: Die Digital Natives, die künftigen Bank-Mitarbeiter*innen und Wunsch-Nachwuchsführungskräfte wollen mit Vertrauen und Transparenz geführt und gehört werden. Die Studie des Autors in Verbindung mit dem Line-Management macht deutlich: strategisch ausgerichtete Employer Branding-Konzepte beschäftigen sich zu wenig mit dem Anspruch ihrer Wunsch-Zielgruppe an Vorgesetzte. Die akademischen Nachwuchs-Führungskräfte der Studie (2019) gaben an, dass sich die meisten Schwierigkeiten bei zwei Gruppen von Vorgesetzten zeigen:
- Bei Führungskräften, die im mittleren Management Führungsverantwortung übernommen haben
- Bei Führungskräften ab einem Alter von 50 Jahren
Die Wunschzielgruppe fordert ein Umdenken bei Grundeinstellungen zugeordneter Führungskräfte. Akademische Nachwuchsführungskräfte benötigen ein auf ihre Generation abgestimmtes Führungskonzept, dadurch wird der betriebliche Kontext nachhaltig beeinflusst. Handlungsbedarf bei führungsbezogenen personalwirtschaftlichen Ansätzen in Bezug auf akademische Nachwuchsführungskräfte wird auch von den in der Studie befragten HR-Expert*innen geortet.
Im Leadership-Anspruch müssen ökonomische wie auch begleitende Formen der Change-Management-Prozesse greifen: Führungskräfte sind bereit, sich den Erwartungshaltungen der Transparenz und des „Gehörtwerdens“ ihrer Schützlinge zu stellen. Vorgesetzte der Generationen Y und Z sind oft sehr unsicher, wie sie den Prozess für Empfang und Umgang mit Feedback so gestalten können, dass er einerseits ins Tagesgeschäft integrierbar ist und andererseits diese Generation dort abholt, wo sie sich aufhält – in der digitalen Businesswelt. Innovative Technologien fördern auf einfache Art und Weise die Feedback-Schleifen: zum Beispiel durch Pulsumfragen, App-basierte Plattformen oder durch digitale 360° Feedback-Tools.
Wenn das Management in der Unternehmenskultur verankern will, dass Mitarbeiter*innen nicht nur „das Gefühl“, gehört zu werden erhalten sollen, sondern auch eine aufrichtige Bestätigung, dass ihre Meinungen ernst genommen werden, reicht es letztlich nicht mehr aus, sich mit dem Sammeln von Feedback zu begnügen. Zur Verfügung gestellte Plattformen ersetzen bei den Digital Natives niemals ein ehrliches und aktives Zuhören der Führungskraft. Digitalisierte Prozesse können dabei unterstützen, über die Plattformen können die richtigen Fragen gestellt und personalisierte Maßnahmen geliefert werden.
a) Vertrauen und Transparenz darf nicht an der Unternehmenskultur scheitern
Akademische Nachwuchsführungskräfte, als Generation der „Digital Natives“, sind „always online“. Die mobilen Zugänge zur digitalisierten Welt bilden Generationenverlaufend individuelle Befähigungen und eine subjektive Nutzungsverlagerung bzw. -erziehung heraus, indem „mundgerechte Portionen“ selektiert und über verschiedene Plattformen auf diese zugegriffen wird. HR-Abteilungen müssen ihre Talente dort ansprechen und abholen, wo sie sich aufhalten: auf der digitale Ebene. Durch die Einbindung von digitalen Recruitment-Plattformen und digitalen Führungsinstrumenten werden die Finanzdienstleister ihre Zielgruppe zielgerichtet ansprechen und schließlich nachhaltig für sich gewinnen können.
Der akademischen Nachwuchs missbilligt, wenn Vorgesetzte freie Zeiteinteilung und potenzielle Home-Office-Möglichkeiten ohne hinreichenden Grund ausschlagen, oder dies aus der Tradition einer obsolet gewordenen Führungskultur ablehnen. Die Führungskräfte „der alten Schule“ gehen davon aus, dass ihre Mitarbeiter*innen zu Hause nicht arbeiten. Studien belegen: Die Generation der Digital Natives ist verantwortungsbewusster, als so manche erwarten, sie arbeiten projektbezogen, wann und wo sie wollen – nicht ortsgebunden nach der Stempeluhr ihres Arbeitgebers. Sie stehen mit ihrem Arbeitgeber digital in Verbindung und nutzen ihre produktiven Zeitphasen (auch wenn dies bei so manchen dieser Generationskohorte mitten in der Nacht ist) neben den vereinbarten Kernarbeitszeiten. Wenn ein projektbezogener Ansatz an einer veralteten Controlling-Mentalität und der dahinterstehenden Unternehmenskultur scheitert, resultiert daraus die Talent-Flucht zum Mitbewerber.
Die Flexibilität in Arbeitszeitmodellen belegt eine Arbeitsmarktstudie (2015) von Robert Half. Mehr als 50 HR-Verantwortliche gaben an, dass Mitarbeiter*innen, die in einer ruhigen Wohlfühl-Umgebung (bspw. im Home-Office) ihre Projekte bearbeiten, nachweislich steigende Produktivität und Kreativität zeigen. Outgesourcte Arbeitsplätze wirken sich positiv auf die subjektive Effizienz aus, bringen aber natürlich auch Schattenseiten auf der Kommunikations- und sozialen Ebene mit sich.
Abbildung 5 – Flexibilität am Arbeitsplatz (2015)
Quelle: Half, R. (2015)
Die Banken und Finanzdienstleister müssen strategisch beginnen, ihre Unternehmensziele und -visionen sowie die positiven und negativen Ergebnisse mit ihren Mitarbeiter*innen zu teilen. Beim akademischen Nachwuchs muss sich das Management verpflichten, so transparent wie möglich mit dieser Gruppe umzugehen, um durch wertschätzende Maßnahmen einen nachhaltigen Beitrag zur Vertrauensbildung zu schaffen und eine Abwanderung von Humankapital zu verhindern.
b) Top-Talente im War vor talents benötigen Innovation und Internationalität
Die meisten Unternehmen aus der Bank- und Finanzdienstleistungsbranche haben es schwer, mit High-Tech-Unternehmen aus dem Silicon Valley zu konkurrieren. Wenn Banken in ihrer Unternehmenskommunikation auf Internationalität, Karrierewachstum und Innovationen setzen, führt dies bei der Wunsch-Zielgruppe der High Potentials zu Aufmerksamkeit. Es handelt sich um jene Aufmerksamkeit, welche Banken benötigen, um diese Gruppe für sich zu gewinnen. Damit Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden können, müssen sich die Arbeitgeber potenziellen Mitarbeiter*innen attraktiv präsentieren und Internationalität anbieten. Ein Experiment (2017) von Sommer, Heidenreich, und Handrich (n = 322) zeigt, dass für Mitarbeiter*innen Unternehmen mit innovativen Strategien und Internationalität besonders attraktiv erscheinen. HR-Abteilungen müssen ihre Innovationskraft besonders hervorheben, um die gewünschte Zielgruppe der High Potentials anzuziehen und für das Unternehmen zu begeistern bzw. zu gewinnen.
IV. Auswirkungen des War for talents
Der War for Talents wird zu einem Fokus-Thema im Personalmanagement. Der demografische Wandel, die Alterung der Gesellschaft, betrifft auch den Arbeitsmarkt, und die älteren leitenden Angestellten verfügen nicht zwingend über die relevanten Fähigkeiten zu Bewältigung von aktuellen Zukunftsthemen[5].
In einer Welt mit offenem Zugang zu (fast allen) Informationen hat die Gruppe der Top-Talente die Wahl und sucht über hochwertige Inhalte den Wunscharbeitgeber.
a) Generationenvielfalt formt eine starke Belegschaft
Das Bankenmanagement benötigt im Jahr 2021 wesentlich dringender als noch vor einigen Jahren Vielfalt im Denken und beim Aufbau ihrer Mitarbeiter*innen und Führungskräfte; dies ganz besonders im Hinblick auf die Kunden-Orientiertheit der Branche. Vielfältiges Denken und Handeln führt zu Innovation und stärkt den Zusammenhalt unter den verschiedenen Generationen der Belegschaft.
b) Studie des Autors zum Employer Branding
Ein strategisch geführtes Employer Branding spricht die Anspruchsgruppe der akademischen Nachwuchsführungskräfte an. Sie gelten als Individualisten und fordern gelebte unternehmerische Authentizität und Mitarbeiter*innenbezogene Werte (bspw. Work-Life-Balance). Die HR-Expert*innen erkennen den vorherrschenden Fachkräftemangel und setzen aktuelle Maßnahmen zur authentischen Kommunikation im War for talents, um als Employer of Choice entsprechend wahrgenommen zu werden.
Die Erhebungsgruppe der akademischen Nachwuchsführungskräfte bestätigte durchgängig (100 %) die digitalisierte Form der Suche nach ihrem Wunscharbeitgeber, den Printmedien wird keine relevante Aufmerksamkeit geschenkt.
Mit dieser Wahrnehmungs- und Nutzungsveränderung spielt für die Banken als Arbeitgeber der Gebrauch von Printmedien keine ernstzunehmende strategische Rolle mehr. Dieser Rückgang der Mitarbeiter*innensuche im Printsegment ist durchgängig als Muster und Trend der befragten Banken und DAX-Unternehmen erkennbar.
Die Studie belegt bei der Erhebungsgruppe „Akademische Nachwuchsführungskräfte“ vier Kernmerkmale bei der Suche nach ihrem „Employer of Choice“ (Wunscharbeitgeber):
- Die Beobachtung von Unternehmen erfolgt bereits während des Studiums.
- Die Anspruchsgruppe präferiert Internationalität vor Nationalität.
- Ein positiv geführtes Innovations-Management des Unternehmens muss von Beginn an (digital in deren Internet-Auftritt) transparent erkennbar sein.
- Ein möglichst früher Kontakt zum Unternehmen, im besten Fall während des Studium, bspw. durch die Begleitung bei Forschungsarbeiten oder durch Praktika, führt zu einer positiven Wahrnehmung des Wunsch-Arbeitgebers.
Die befragten HR-Expert*innen empfinden die Einbindung der akademischen Nachwuchsgeneration durch Forschungs- oder Praktika-Arbeiten als eines der effektivsten Rekrutierungsstrategien für künftige Arbeitnehmer*innen. Der frühe Kontakt zur Wunschzielgruppe kann sich im Zeitalter des Fachkräftemangels für die Banken und Finanzdienstleister als entscheidend im War for talents herausstellen.
V. Strategische Top 5 im War for talents
In der Schaffung einer Employee Value Proposition (EVP), eines Werte-Versprechens an ihre Mitarbeiter*innen, liegt die eigentliche Effektivität im War for talents. Die Ziele sind einfach definierbar: das Engagement zu steigern, die Effizienz zu verbessern und die Fluktuationsrate zu senken. Strategisch und prozessgesteuert bedeutet dies, die Substanz der Bank so darzustellen, dass es die Wunsch-Mitarbeiter*innen emotional anspricht. Mit anderen Worten: Employer Branding muss als führungsgesteuerter Prozess zur Schaffung eines positiven Images als präferierter Arbeitgeber strategisch und prozessgetragen installiert werden, um auf die Wahrnehmungsebene der Top-Talents zu gelangen bzw. bestehende Mitarbeiter*innen zu binden. Dafür müssen vorher für die Digital Natives als Wunschzielgruppe obsolet gewordene Unternehmenswerte überarbeitet und strategisch angepasst werden.
Mehr als 75 % der Top-Talente besuchen die Karriereseite eines Unternehmens, nachdem sie von einer ausgeschriebenen offenen Stelle erfahren haben. Die Wirkung des Unternehmens-Brandings beginnt nicht erst in der Onboarding-Phase, die Begeisterung muss schon auf der digitalen Ebene durch das Branding erreicht werden. Bei einer durchschnittliche Conversion Rate von etwa 18 % kann die Karriereseite durch Qualität einen direkten Einfluss auf potenzielle Bewerber*innen entfalten: Sie muss übersichtlich und benutzerfreundlich gestaltet sein, subjektive Entwicklungsmöglichkeiten (Aus- und Fortbildung u. ä. m.) sollen von Beginn weg erkennbar sein, Internationalität und Innovationsfreudigkeit müssen vom Wunscharbeitgeber bereits über die Grundinformationen transportiert werden. Daher der Rat: Kommunizieren Sie nicht zu viel über Ihr Unternehmen, sprechen Sie die Sprache Ihrer Wunsch-Zielgruppe und wecken Sie das Interesse, für Sie in der Bank zu arbeiten. Zeigen Sie Ihren Wunsch-Kandidat*innen, wie ein Tag an ihrem neuen Arbeitsplatz aussehen wird, welche Unternehmenswerte Ihre Bank vertritt und wie Ihre Unternehmenskultur ihr künftiges Leben bereichern wird.
Die strategische Einbindung sozialer Netzwerke schafft bei der Wunsch-Zielgruppe der Digital Natives eine neue Art der Verbindung. In der Unternehmenskommunikation systemisch verankerte digitalisierte Prozesse fördern den Aufbau von Beziehungen, welche im War for Talents von entscheidender Bedeutung für die Rekrutierung und Bindung der akademischen Nachwuchsführungskräfte ist. Das sogenannte „Mitmach-Web“ bildet einen wichtigen Grundstock für den Generationenorientierten Umgang mit den Top-Talenten. Das Phänomen der Wirkung sozialer Netzwerke in eine Frage gepackt: Wem vertrauen Sie eher? Einer fremden Bank oder einem „Freund“?
Die Studie des Autors belegt, dass Kandidat*innen den Mitarbeiter*innen 3x mehr vertrauen als dem künftigen Arbeitgeber selbst, wenn es darum geht, genaue Informationen über das Unternehmen zu erhalten. Mitarbeitergenerierter Content ist eine der wirksamsten Methoden, schon im Vorfeld Vertrauen aufzubauen und Ihre Arbeitgebermarke zu präsentieren bzw. sie entsprechend zu positionieren. Binden Sie aktuelle Mitarbeiter*innen in Ihre Unternehmens-Kommunikation ein und lassen Sie sie zu einem Teil Ihrer Employer-Branding-Strategie werden. Starke Kampagnen bringen Mitarbeiter*innen-Testimonials „vor den Vorhang“ und keine bezahlten Schauspiel-Profis, die für einen unehrlichen Content sorgen. Evaluieren Sie Ihre Konzepte: Ihre Mitarbeiter*innen sind Ihre Stärke und Ihr Humankapital. Diese Maßnahmen schaffen eine sofortige Verbindung mit der Person, die sich für Ihre Kampagnen und Ihre digitalen Medien interessiert, und die Bekräftigung der Arbeitgeber-Attraktivität durch aktuelle Mitarbeiter*innen sorgt für einen enormen Branding-Schub.
Gelten die Führungsinstrumente der Maslowschen Theorie von 1943 auch noch in der neuen digitalen Businesswelt, sind die operativ und führungsgesteuerten Instrumente zur Wertschätzung und Anerkennung sowie die Schaffung von Freiräumen zur Selbstverwirklichung der Mitarbeiter*innen erhebliche Erfolgsfaktoren für die Banken als Arbeitgeber der Digital Natives (vgl. Abb. 6):
Abbildung 6 – Unternehmensbezogene Bedürfnispyramide
Quelle: eigene Darstellung, 2020
Kurz: Die strategische Ausrichtung einer starken Arbeitgebermarke macht es einfacher, Ihre Wunsch-Kandidat*innen anzuziehen, hilft, den wirtschaftlichen Aufwand pro Einstellung zu senken und ermutigt die Talente schon während der Onboarding-Phase, eine starke Kraft mit Stimme und Gehör im Unternehmen zu werden. Dies erfordert einen strategisch ausgerichteten, kontinuierlich evaluierbaren Prozess, verankert in der Unternehmensmission und verantwortungsvoll getragen vom gesamten Line-Management. Banken, die sich digitaler Rekrutierungstechniken bewusst sind und diese Generationenorientiert und zielgerichtet einsetzen, erreichen auch jene Wunsch-Kandidat*innen, die Sie sich für Ihre Organisation nachhaltig wünschen.
Praxistipps
- Schaffen Sie Klarheit im Employer Branding als Spiegelbild Ihrer Employee Value Proposition (EVP).
- Entwickeln Sie im Rekrutierungsprozess eine digitale Karriere-Plattform als Abbild Ihrer Arbeitgebermarke.
- Holen Sie Ihre Top-Talente dort ab, wo Sie sich aufhalten, in den sozialer Medien.
- Bringen Sie Ihre Mitarbeiter*innen vor den Vorhang und lassen Sie diese für Ihr Unternehmen im strategisch abgestimmten Marketingmix sprechen.
- Passen Sie Ihr Führungsverhalten an die Generation der Digital Natives an, um sie ihrer Generation entsprechend zu entwickeln und nachhaltig zu binden.
[1] Vgl. Popp, R. (2019).
[2] Change-Fitness-Studie. Mutaree.com. (2019) [online] Available at: https://www.mutaree.com/content/change-fitness-studie-20182019 [Accessed 17.04.2020].
[3] Vgl. Hildebrandt et al., (2017).
[4] Vgl. Kumplangphaet, (2018).
[5] Vgl. Etzold et al., (2020).
Beitragsnummer: 15013