Thomas Wuschek, Rechtsanwalt, MBA, SanExpert-Rechtsanwalt
OLG Hamburg, Urt. v. 15.06.2020, AZ: 2 U 28/19:
Das OLG hatte folgenden Sachverhalt (verkürzt) zu entscheiden:
Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Arztes R (Schuldner). Das Insolvenzverfahren wurde aufgrund eines Insolvenzantrags der Finanzamts H wegen offener und z. T. bereits seit dem Jahr 2012 fälliger Steuerforderungen in Höhe eines Teilbetrages von € 57.226,34 und eines Eigenantrags des Schuldners gestellt.
Die Beklagte hat im Zeitraum von 02.01.2009 bis 04.06.2013 Vergütungen für anwaltliche Leistungen in einer Gesamthöhe von € 84.933,51 von dem Schuldner erhalten.
SEMINARTIPPS
Mit Schreiben vom 23.10.2008 beantragte das Finanzamt H wegen rückständiger Abgabenverbindlichkeiten des Schuldners in Höhe eines Teilbetrags von € 124.534,14 nach fruchtloser Einzelzwangsvollstreckung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen diesen.
Der Schuldner leistete im Oktober/November 2008 Teilzahlungen an das Finanzamt in Höhe von € 50.000,00 und erwirkte, unterstützt durch die Beklagte, eine Erklärung des Finanzamts vom 10.12.2008, aus der sich die Bereitschaft des Finanzamts ergibt, bei Vorlage von Erklärungen zweier weiterer Gläubiger des Schuldners, nämlich der Bank … und von S der damaligen Lebensgefährtin des Schuldners, dass deren Forderungen nicht fällig seien, die noch offenen Rückstände des Schuldners in Höhe von € 40.000,00 bis zum 31.12.2008 und den Rest bis zum 31.01.2009 zu stunden sowie den Insolvenzantrag für erledigt zu erklären.

Eine entsprechende Erledigungserklärung wurde vom Finanzamt am 18.12.2008 abgegeben.
Im Jahr 2009 entstand mit Unterstützung durch Wirtschaftsprüfer A ein Unternehmenskonzept für den Betrieb einer freiberuflichen Arztpraxis durch den Schuldner, das von einem erzielbaren Jahresergebnis vor Steuern ab 2010 von mehr als € 200.000,00 ausgeht.
Lösungsmöglichkeit
Das Oberlandesgericht urteilte, dass die Absicht zu einer entsprechenden Gläubigerbenachteiligung bei einem Schuldner, der – wie im vorliegenden Fall – seine Zahlungsunfähigkeit kennt, vermutet wird (BGH, Urt. v. 28.03.2019, Az.: IX ZR 7/18).
Gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO a.F. wird bei Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der die anderen Gläubiger benachteiligenden Wirkung der Rechtshandlung zugleich die Kenntnis des Gläubigers von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners ebenfalls vermutet.
Die Voraussetzungen des von der Rechtsprechung mit Blick auf die vorstehenden Vermutungen entwickelten Ausnahmefalls der Vornahme von Rechtshandlungen im Rahmen eines ernsthaften Sanierungsversuchs des Schuldners (BGH, Urt. v. 12.05.2016, Az.: IX ZR 65/14) liegen in diesem Fall jedoch nicht vor.
Die Vorlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts erfordert eine fachkundige Analyse der Verluste des Schuldners und der Möglichkeiten zu ihrer künftigen Vermeidung, eine Beurteilung der Erfolgsaussichten des Unternehmens und die Konzeption von Maßnahmen zur Beseitigung der Insolvenzreife.
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines schlüssigen Sanierungskonzepts trägt der Gläubiger, der sich darauf beruft. Die Beklagte konnte dies nicht in ausreichender Weise darlegen und sich somit nicht auf dem Ausnahmetatbestand eines ernsthaften Sanierungsversuchs berufen.
PRAXISTIPPS
- Die Bank sollte daher stets das erstellte Sanierungskonzept auf Schlüssigkeit und inhaltliche Vollständigkeit in Bezug auf die Anforderungskriterien des Bundesgerichtshofs prüfen.
- Das Ergebnis der Plausibilisierung ist zwingend zu dokumentieren.
Beitragsnummer: 13990