Mittwoch, 18. November 2020

RegE-StaRUG

Regierungsentwurf eines Gesetzes über d. Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- u. -restrukturierungsgesetz – StaRUG).

Andrea Neuhof, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

Am 14.10.2020 wurde der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsfortentwicklungsgesetz - SanInsFoG) vorgelegt. Dessen Art. 1 beinhaltet das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – RegE-StaRUG). Hierdurch soll u. a. die Restrukturierungsrichtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2019 umgesetzt werden. 

 

Ziel des StaRUG ist die Schaffung eines vorinsolvenzlichen Restrukturierungsrahmens zur Ermöglichung insolvenzabwendender Sanierungen mit der Möglichkeit für Unternehmen, sich auf der Grundlage eines von den Gläubigern mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplans zu sanieren. Erklärtermaßen soll hierbei eben jene Lücke geschlossen werden, die das geltende Sanierungsrecht zwischen dem Bereich der freien, dafür aber auf den Konsens aller Beteiligten angewiesenen Sanierung einerseits und der insolvenzverfahrensförmigen Sanierung mit ihren Kosten und Nachteilen gegenüber der freien Sanierung gelassen hat (vgl. Regierungsentwurf S. 1 lit. B Abs. 1).

 

BUCHTIPP

Cranshaw/Paulus/Michel (Hrsg.): Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2016.

 

Zugangsvoraussetzung soll eine drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sein, wobei weder eine tatsächliche Zahlungsunfähigkeit bestehen noch eine Überschuldung bereits eingetreten sein darf. Antragsberechtigt ist nur der Schuldner. Kernstück der Restrukturierung ist ein Restrukturierungsplan, der mit einer Mehrheit von mindestens 75 % jeweils innerhalb aller beteiligten Gläubigergruppen auch gegen den Willen nicht zustimmender Gläubigerminderheiten gerichtlich beschlossen werden kann. Voraussetzung für die Bindung der überstimmten Gläubigerminderheit ist, dass diese durch den Plan nicht schlechter gestellt wird als sie ohne Plan stünde. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) plant die – bislang noch ausstehende – Veröffentlichung einer insbesondere an die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen angepassten Checkliste für den Restrukturierungsplan auf der Website www.bmjv.bund.de

 

Als flankierende Maßnahmen kommt unter anderem ein Moratorium – die sog. Stabilisierungsanordnung nach § 56 RegE-StaRUG – in Betracht. Es beinhaltet eine Vollstreckungs- und Verwertungssperre gegenüber einzelnen, mehreren oder allen Gläubigern, soweit dies zur Wahrung der Aussichten auf die Verwirklichung des Restrukturierungsziels erforderlich ist. Bestimmte Forderungen – etwa von Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen sowie Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO – sind hiervon gemäß § 6 RegE-StaRUG ausgenommen. Geplant ist zudem eine Befristung auf bis zu drei Monate, die auf maximal acht Monate verlängert werden kann.

 

SEMINARTIPPS

PraxisDigital: NEUES vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren, 01.02.2021, Zoom.

Neue aufsichtsrechtliche Vorgaben für die Sanierungsbearbeitung, 19.04.2021, Frankfurt/M.

 

Überdies sieht § 97 Abs. 1 RegE-StaRUG eine Privilegierung von Sanierungsfinanzierungen mit Ausnahme von Gesellschafterdarlehen vor. Die Regelungen eines rechtskräftig bestätigten Restrukturierungsplans und Rechtshandlungen, die im Vollzug eines solchen Plans erfolgen, sind demnach bis zur nachhaltigen Restrukturierung einer Anfechtung nur zugänglich, wenn die Bestätigung auf der Grundlage unrichtiger oder unvollständiger Angaben des Schuldners erfolgte und dem anderen Teil dies bekannt war. 

 

Wenngleich während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache die Insolvenzantragspflichten gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 RegE-StaRUG ruhen, ist der Eintritt sowohl von Zahlungsunfähigkeit als auch von Überschuldung dem Gericht ohne schuldhaftes Zögern anzuzeigen (§ 44 Abs. 1 S. 1 RegE-StsRUG), wobei ein Unterlassen dieser Anzeige gemäß § 44 Abs. 3 StaRUG strafbewehrt ist. Das Gericht wird hierauf grundsätzlich die Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens anordnen. Ausnahmen gelten, soweit die Umsetzung des Restrukturierungsplans bereits so weit vorangeschritten sein sollte, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens offensichtlich nicht im Interesse der Gläubiger wäre – was bei Eintritt eines Insolvenzgrundes prima facie schwer vorstellbar erscheint – oder aber die Insolvenzreife aus der Kündigung oder Fälligstellung einer Forderung nach Anzeige der Restrukturierungssache beim Gericht resultiert und der Erfolg des Restrukturierungsplans überwiegend wahrscheinlich ist.

 

PRAXISTIPP:

 

Wenn man die Pressemitteilungen zu den Entwürfen des StaRUG verfolgt, könnte man zuweilen meinen, eine vorinsolvenzliche Unternehmenssanierung habe es in der Vergangenheit in Deutschland überhaupt noch nicht gegeben und eine solche werde nunmehr erstmals durch das angestrebte StaRUG ermöglicht. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Insbesondere die außergerichtliche Unternehmenssanierung durch Banken ist bereits seit Jahrzehnten gängige wie durchaus auch erfolgreiche Praxis. Allerdings basiert sie auf dem gegenseitigen Vertrauen und Konsens der Beteiligten sowohl auf Unternehmens- als auch auf Gläubigerseite. Soweit ein derartiger Konsens an der (unbegründeten) Sanierungsunwilligkeit einzelner Beteiligten scheitert, mag das StaRUG im Einzelfall durchaus eine sinnvolle Alternative zur aktuellen Sanierungspraxis darstellen. Inwieweit es sich allgemein durchsetzen kann, bleibt allerdings nach derzeitigem Sachstand fraglich.

 

So lassen die Zugangsvoraussetzungen zum Restrukturierungsverfahren durchaus gewisse Zweifel daran aufkommen, inwieweit das StaRUG in der Praxis überhaupt zum Zuge kommen wird. Dies gilt insbesondere für das Erfordernis der bereits drohenden Zahlungsunfähigkeit bei noch nicht eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Denn soweit innerhalb des neuen Prüfungshorizonts für die Überschuldungsprüfung von zwölf Monaten (vgl. Art. 5 Nr. 11 SanInsFoG zur Ergänzung von § 19 Abs. 2 InsO) drohende Zahlungsunfähigkeit eintritt, wird man regelmäßig nicht von einer positiven Fortführungsprognose ausgehen können, was dann in der Praxis aufgrund des hierauf erforderlichen Ansatzes von Zerschlagungswerten in der Überschuldungsbilanz in aller Regel zur Annahme von Überschuldung führen wird. Das Restrukturierungsverfahren wäre demgemäß lediglich in einem vergleichsweise frühen Krisenstadium eine Option, nämlich wenn der prognostizierte Eintritt der Zahlungsunfähigkeit noch mehr als ein Jahr entfernt liegt. Ansonsten schließen sich die positive Zugangsvoraussetzung der drohenden Zahlungsunfähigkeit und die negative Zugangsvoraussetzung der noch nicht eingetretenen Überschuldung gegenseitig aus.

 

Wenn man sich zudem vergegenwärtigt, in welchem Stadium Unternehmenskrisen aktuell regelmäßig als solche erkannt werden – nämlich allzu häufig leider erst, wenn eine mögliche Insolvenz bereits in greifbare Nähe gerückt ist – dann lässt dies kaum Hoffnung zu, dass das Restrukturierungsverfahren in der breiten Masse der Fälle überhaupt eine realistische Option darstellen wird. Krisen entwickeln sich häufig erst schleichend über längere Zeiträume. Der bekannt gewordene Kriseneintritt und die vermeintlich erst drohende Zahlungsunfähigkeit entpuppen sich dann bei näherem Hinsehen oftmals als bereits seit langem bestehende Krise samt eingetretener Zahlungsunfähigkeit, die als solche von den Beteiligten noch nicht bemerkt worden war.

 

Nach alledem bleiben die weitere Entwicklung sowie die tatsächliche Endfassung des StaRUG mit Spannung abzuwarten.

 


Beitragsnummer: 13988

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