Mittwoch, 18. November 2020

Keine Haftung des Anlagevermittlers bei P & R Containern

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner

 

In seiner Entscheidung vom 13.07.2020, Az. 8 U 2610/20, WM 2020, 1822, erinnert das OLG München zunächst daran, dass der Kapitalanleger grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen trägt und damit auch die Beweislast dafür, dass die vermittelte Anlage aufklärungsbedürftige Plausibilitätsdefizite hatte. Demgemäß gelte nichts anderes für solche Fallkonstellationen, in denen eine Prüfung der Plausibilität nicht stattgefunden hat. Auch hier müsse der Kapitalanleger darlegen und beweisen, dass bei einer hypothetisch unterstellten Plausibilitätsprüfung für den Anlagevermittler erkennbar geworden wäre, dass die Kapitalanlage Plausibilitätsdefizite aufweist (Rn. 2 u.H.a. BGH, WM 2017, 800, Rn. 15 f.). 

 

BUCHTIPP

Ellenberger/Clouth (Hrsg.): Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft 5. Aufl. 2018.

 

Sodann hält das OLG München unter Auflistung der für die Abgrenzung von Anlageberatung und Anlagevermittlung maßgeblichen Merkmale (Rn. 6) fest, dass vorliegend vom Abschluss eines einen Anlagevermittlungsvertrag kennzeichnenden Auskunftsvertrag auszugehen ist. In diesem Zusammenhang führt das OLG München in Abgrenzung zum OLG Nürnberg (Urteil v. 24.03.2020, Az. 3 U 2637/18) aus, dass dem Abschluss eines Auskunftsvertrages nicht entgegenstünde, dass der Anleger über die Zurverfügungstellung von schriftlichen Unterlagen hinaus vom Vermittler keine weiteren Auskünfte verlangt habe (Rn. 12). Etwas anderes könne nach Auffassung des OLG München nur dann gelten, wenn der Kapitalanleger auf eine Aufklärung über die Nachteile und Risiken wirksam verzichtet, was wiederum der Anlagevermittler oder Berater zu beweisen hat (Rn. 13). 

 

Sodann erinnert das OLG München daran, dass der Anlagevermittler nicht nur die wirtschaftliche Tragfähigkeit des von ihm angebotenen Produkts zu prüfen habe sondern darüber hinaus auch prüfen muss, ob der von ihm zur Grundlage seiner Anlagevermittlung gemachte Prospekt ein schlüssiges Gesamtbild über das Produkt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen sachlich richtig und vollständig sind (Rn. 31). In diesem Zusammenhang führt das OLG München aus, dass diese Plausibilitätsprüfung in einem gewissen Umfang auch Ermittlungspflichten miteinschließen kann und zwar dann, wenn es um Umstände geht, die Zweifel an der inneren Schlüssigkeit einer im Prospekt mitgeteilten Tatsache aufwerfen (Rn. 32). Allerdings hebt das OLG München auch hervor, dass an die Pflichten eines Anlagevermittlers keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen, weswegen auch der mit der notwendigen Überprüfung verbundene Aufwand stets dem Anlagevermittler zumutbar sein muss (Rn. 32 u.H.a. BGH, WM 2009, 739). Insofern müsse ein Anlagevermittler, anders als die Anlagegesellschaft/Emittentin, ohne besondere Anhaltspunkte schwierigen und ungeklärten Rechtsfragen nicht nachgehen, die er regelmäßig nur unter Inanspruchnahme sachkundiger Hilfe, wie z. B. durch die Einholung eines Rechtsgutachtens, abklären kann (Rn. 32 u.H.a. BGH, WM 2012, 24, Rn. 17). 

 

SEMINARTIPPS

(Neue) Haftungsrisiken im Wertpapiergeschäft: Anleihen und Zertifikate, 03.05.2021, Zoom.

(Neue) Haftungsrisiken im Wertpapiergeschäft, 04.10.2021, Frankfurt/M.

 

Dies zugrunde legend hält das OLG München dann fest, dass es sich bei der für die erfolgreiche Realisierung des Anlageproduktes ganz maßgebliche Frage, ob der prospektierte Eigentumserwerb der P & R Container überhaupt möglich ist/war, um eine schwierige und ungeklärte Rechtsfrage handelte, die ein Anlagevermittler regelmäßig nur unter Inanspruchnahme sachkundiger Hilfe hätte klären können, weswegen er hierzu im konkreten Fall nach Auffassung des OLG München nicht verpflichtet war (Rn. 44 ff.). 

 

Schließlich urteilt das OLG München, dass der Anlagevermittler bei dem Verkauf der P & R Container über das Totalverlustrisiko nicht aufzuklären brauchte. Dies deshalb, weil nach Auffassung des OLG München bei dem Anlageprodukt P & R Containern die Risiken für den Eintritt eines Totalverlustes deutlich geringer sind als bei einem Immobilienfonds mit ca. 50 % Fremdkapitalquote, für den der Bundesgerichtshof eine Aufklärung über das Totalverlustrisiko bereits abgelehnt habe (Rn. 43 u.H.a. BGH, WM 2009, 2303). 

 

PRAXISTIPP:

 

Auch wenn die Entscheidung des OLG München für Kapitalanleger, die ihr Geld in P & R Containern investiert haben, unbefriedigend sein dürfte, so hat das OLG München ungeachtet dessen unter Heranziehung der anerkannten Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesgerichtshofs zur Haftung eines Anlagevermittlers zurecht entschieden, dass dem Anlagevermittler im konkreten Fall ohne Hinzutreten besonderer Umstände eine Pflichtverletzung nicht vorgeworfen werden könne. 

 


Beitragsnummer: 13983

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