Freitag, 24. Juli 2020

Barwert(nahe)-Steuerung im neuen RTF-Leitfaden

Dominik, Leichinger, Prüfungsleiter, Referat Bankgeschäftliche Prüfungen 2, Hauptverwaltung in NRW, Deutsche Bundesbank

 

Die in diesem Beitrag vertretenen Auffassungen geben die persönliche Meinung des Autors wieder und sind nicht notwendigerweise Positionen der Deutschen Bundesbank oder einer anderen Bankenaufsichtsbehörde.

 

Am 24.05.2018 wurde seitens der Aufsicht eine Neuausrichtung ihres RTF-Leitfadens[1] zur aufsichtlichen Beurteilung von Risikotragfähigkeitskonzepten bei deutschen LSIs veröffentlicht. Im Sinne des Leitfadens ist die Risikotragfähigkeit eines Instituts aus zwei Perspektiven zu beurteilen – der sogenannten normativen Perspektive einerseits und der ökonomischen Perspektive andererseits. Während die normative Perspektive einen Fokus auf die Einhaltung regulatorischer Mindestanforderungen legt, steht in der ökonomischen Perspektive eine von Rechnungslegungsnormen losgelöste Beurteilung der Risikotragfähigkeit im Vordergrund, die grundsätzlich über eine barwertige bzw. barwertnahe Betrachtung erfolgt.

Beide Perspektiven zusammen sind in diesem Zusammenhang als ein integrativer Steuerungskreis zu verstehen[2].

Seminartipps

Anfang 2019 wurden von der Bundesbank in einem Range-of-Practise-Papier[3] zentrale Erkenntnisse zu den von deutschen Instituten eingesetzten Risikotragfähigkeitskonzepten zusammengetragen. Demnach basierte die Sicherstellung der Risikotragfähigkeit bei der überwiegenden Mehrheit der Institute ausschließlich auf einem Fortführungsansatz, in welchem Risikodeckungsmasse und Risikopotenzial GuV-orientiert abgeleitet werden[4].

In der Folge sind die meisten Institute mit ihrem Risikotragfähigkeitsansatz als sogenanntes „Annex-Institut“ einzustufen.

Vor diesem Hintergrund verfügt die Mehrheit der Institute über vergleichsweise geringe Erfahrungen mit der Ableitung barwertiger oder barwertnaher Risikodeckungsmassen bzw. Risikopotenziale.

 

Die Ausgangsbasis für eine barwert(nahe) Steuerung im Kontext der Risikotragfähigkeit stellt eine unter ökonomischen Gesichtspunkten durchgeführte Risikoinventur dar. Über diese ist sicherzustellen, dass sämtliche wesentliche Risiken vollständig identifiziert werden. 

 

Vor dem Hintergrund, dass im Sinne einer integrierten Gesamtbanksteuerung normative und ökonomische Perspektive eng miteinander verzahnt sind, sind aus Steuerungsgesichtspunkten stets beide Perspektiven einzubeziehen. So sind innerhalb der ökonomischen Perspektive als wesentlich eingestufte Risikopotenziale im Rahmen von adversen Szenarien der normativen Perspektive zu berücksichtigen.

Aufgrund der unterschiedlichen Blickwinkel in beiden Perspektiven (rechnungslegungsbasierte normative Perspektive und barwert(nahe) ökonomische Perspektive) können Risikopotenziale in der Regel nicht einfach von der ökonomischen in die normative Perspektive übertragen werden. Vielmehr sind von den Instituten plausible Annahmen für die Überführung von ökonomisch gemessenen Risiken in adverse Szenarien der normativen Perspektive zu treffen.



 

Um für die Gesamtbanksteuerung widersprüchliche Steuerungsimpulse zu vermeiden, bedarf es Steuerungsinstrumenten (z. B. Limite oder Kennzahlen), die Rückkopplungen bzw. Impulse aus beiden Perspektiven erhalten oder deren Ausprägung zumindest in die jeweils andere Perspektive transformiert werden kann.

 

Nicht zuletzt sollten die Steuerungsmechanismen zu einer stringenten Umsetzung der geschäfts- und risikostrategischen Ziele eines Instituts beitragen und im Einklang mit dem Risikoappetit des jeweiligen Hauses stehen.

 

PRAXISTIPPS

  • Konsequente Ausweitung der Risikoinventur auf die ökonomische Perspektive.
  • Plausible Überleitung barwertiger bzw. barwertnaher Risikopotenziale über den Kapitalplanungshorizont der normativen Perspektive (Fokus: adverse Szenarien).
  • Implementierung widerspruchsfreier Steuerungsmechanismen zur Ableitung von konsistenten Gesamtbanksteuerungsimpulsen, unter Berücksichtigung beider Perspektiven.


[1]  BaFin/Deutsche Bundesbank, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung (»ICAAP«) – Neuausrichtung, 24.05.2018.

[2]  Vgl. Ebenda, Tzn. 65 ff.

[3]  Deutsche Bundesbank (2019), Sicherstellung der Risikotragfähigkeit bei weniger bedeutenden Instituten (LSI) – Range of Practice 2015 bis 2017.

[4]  Vgl. Ebenda, S. 11.


Beitragsnummer: 12996

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