Donnerstag, 22. Oktober 2020

Kennzahlenanalyse in der Kreditportfolio-Steuerung

Dominik Leichinger, Prüfungsleiter, Referat Bankgeschäftliche Prüfungen 2, Hauptverwaltung in NRW, Deutsche Bundesbank

 

Die in diesem Beitrag vertretenen Auffassungen geben die persönliche Meinung des Autors wieder und sind nicht notwendigerweise Positionen der Deutschen Bundesbank oder einer anderen Bankenaufsichtsbehörde.

 

Nach Einschätzung der EZB-Bankenaufsicht stellen das Kreditrisiko und die nicht zu vernachlässigenden Bestände an notleidenden Krediten (Non Performing Loans, kurz: NPLs) weiterhin Hauptrisikotreiber für im Euroraum ansässige Banken dar. Vor diesem Hintergrund hat die EZB das in Verbindung mit notleidenden Krediten bestehende Kreditrisiko auch für 2020 als eine wichtige Priorität innerhalb der Bankenaufsicht eingestuft[1].

Nicht zuletzt bedingt durch den weltweiten Wirtschaftseinbruch im Kontext der Covid-19-Pandemie, hat sich die Solvenz zahlreicher Unternehmen verschlechtert und das Risiko für Kreditausfälle stark zugenommen[2].



Seminartipps


Über den Einsatz geeigneter Kennzahlen lässt sich nicht nur die Vulnerabilität eines (Teil)portfolios im Kreditgeschäft gegenüber der aktuell anhaltenden Pandemiesituation analysieren und verlässlicher beurteilen, vielmehr können derartige Kennzahlen auch als wirkungsvolles Instrument zur Umsetzung der strategischen Geschäftsausrichtung im Kreditgeschäft herangezogen werden.

 


Insbesondere mit Blick auf die zuletzt genannte Funktionalität hat es sich als hilfreich erwiesen, steuerungsrelevante Portfoliokennzahlen und Kreditvergabestandards eines Instituts aufeinander abzustimmen. Unter den Kreditvergabestandards eines Instituts werden allgemein die Rahmenbedingungen verstanden, unter denen ein Kreditinstitut üblicherweise bereit ist Kredite an Kunden herauszureichen. Insofern beinhalten auf oberster Ebene die Geschäfts- und Risikostrategie wesentliche Eckpfeiler der institutsindividuellen Kreditvergabestandards. Darüber hinaus materialisieren sich die Kreditvergabestandards regelmäßig in einer Vielzahl von Richtlinien und Anweisungen, über die ein Institut seine Kreditvergabepraxis regelt.

 

Übersichtlich zusammengestellt, eignen sich Kreditvergabestandards in Form von klar definierten Kreditvergabekriterien und Kennzahlen als ein zentrales Instrument zur Portfoliosteuerung und können maßgeblich zu einer konsequenten Umsetzung der geschäfts- und risikostrategischen Vorgaben beitragen.



Beratungstipps

Als Kriterien für die Kreditvergabe kommen beispielsweise neben der Vorgabe einer Mindestbonität und der maximal zulässigen Auslastung der Kapitaldienstfähigkeit auch Strukturmerkmale in Form von Vorgaben zur Laufzeit oder Losgrößenbeschränkungen sowie Vorgaben zur Besicherung (u. a. Art der akzeptierten Sicherheiten, Begrenzung von Beleihungsausläufen) in Frage. Darüber hinaus sind auch weitere Positiv- bzw. Negativabgrenzungen oder auch Kombinationen verschiedener Kriterien denkbar. In Abhängigkeit von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der von einem Institut betriebenen Kreditgeschäfte bieten sich weiterhin nach Kunden-, Geschäfts- oder Produktsegmenten differenziert ausgestaltete Portfolio-Steuerungskennzahlen an. Wichtig in diesem Zusammenhang ist eine konsistente Ausrichtung und Abstimmung der Steuerungskennzahlen aufeinander – insbesondere zur Vermeidung widersprüchlicher Steuerungsimpulse.

 

Vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie sollten Institute ihre Steuerungskennzahlen im Kreditbereich anlassbezogen überprüfen und im Bedarfsfall Änderungen oder auch ergänzende Kennzahlen hinzunehmen. Von Interesse könnte beispielsweise die Begrenzung der Risikoexponierung in besonders von der Pandemie betroffenen Branchen sein. Auch der „Puffer“ in der Kapitaldienstfähigkeit von Kreditnehmern rückt angesichts der ansteigenden Corona-Fallzahlen stärker in den Fokus und kann eine wichtige Entscheidungsgrundlage im Rahmen der Kreditvergabe darstellen.

 

Neben ihrem Einsatz als Werkzeug zur Portfoliosteuerung, können Kennzahlen und Kreditvergabestandards auch einen wichtigen Beitrag zur Verzahnung von normativer und ökonomischer Perspektive im Zusammenhang mit der Neuausrichtung von Risikotragfähigkeitskonzepten leisten.

 

Eine wesentliche Voraussetzung hierbei ist, dass Institute bei der Festlegung ihrer Steuerungskennzahlen beide Perspektiven im Blick haben. Während in der normativen Perspektive die Einhaltung aufsichtsrechtlich kodifizierter Mindestanforderungen im Vordergrund steht, fokussiert die ökonomische Perspektive vor allem auf interne Risiko- und Erfolgsgrößen.

 

PRAXISTIPPS

  • Definition und Etablierung von Steuerungskennzahlen im Kreditgeschäft sowohl für das Gesamtgeschäft als auch auf Teilportfolioebene, für eine stringente Umsetzung geschäftsstrategischer Vorgaben und Berücksichtigung von Rendite- und Risikogesichtspunkten.
  • Regelmäßige und anlassbezogene Evaluierung der Steuerungskennzahlen.
  • Prozessuale Sicherstellung, dass sämtliche Steuerungskennzahlen aufeinander abgestimmt sind, um widersprüchliche Steuerungsimpulse zu vermeiden.
  • Die Steuerungskennzahlen sollten in ihrer Gesamtheit sowohl der normativen Perspektive als auch der ökonomischen Perspektive angemessen Rechnung tragen.

[1]  Vgl. EZB, Aufsichtsprioritäten des SSM im Jahr 2020, 7. Oktober 2019.

[2]  Vgl. Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2020, S. 37 ff.


Beitragsnummer: 12959

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