Montag, 19. Oktober 2020

Negativzinsen bei Schuldscheindarlehen mit Zinsgleitklauseln wirksam?

Anspruch auf Negativzinsen bei einem an institutionelle Darlehensgeber adressierten Schuldscheindarlehen

In einem Fall, in welchem es um Zinszahlungspflichten aus einem Schuldscheindarlehen ging, entschied das LG Düsseldorf in seinem Urt. v. 11.03.2020, Az. 13 O 322/18 (ZIP 2020 S. 1.954), dass die in einem an institutionelle Darlehensgeber adressierten Schuldscheindarlehen enthaltene Zinsgleitklausel bei hinreichendem Absinken des Referenzzinssatzes zu einem rechtlich nicht zu beanstandenden negativen Nominalzins und damit zu einer Umkehr der Zahlungsströme führen kann, mit der weiteren Folge, dass dem klagenden Land gegenüber der darlehensgebenden Bank ein Anspruch auf Zahlung von Negativzinsen zugesprochen wurde. 

Dabei wurde noch ergänzend klargestellt, dass dies auch dann gilt, wenn sich der betroffene Darlehensgeber atypischerweise inkongruent refinanziert hat. 

Praxistipp:

Interessant an der Entscheidung des LG Düsseldorf ist, dass das Gericht unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 13.04.2010, Az. XI ZR 197/09, Rn. 27, ernsthaft die Auffassung vertritt, der BGH habe in dieser Entscheidung festgestellt, dass Negativzinsen mit dem Begriff des Zinses i.S.v. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB zu vereinbaren sind, was nicht zutrifft. Der vom LG Düsseldorf diesbezüglich zitierten Rn. 27 der BGH-Entscheidung lässt sich eine solche Aussage nicht entnehmen. Erst recht nicht lässt sich der Rn. 27 der BGH-Entscheidung entnehmen, dass der BGH der Auffassung ist, dass es mit dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 BGB zu vereinbaren ist, dass aufgrund des vereinbarten Zinses i.S.v. § 488 Abs. 1 BGB es zu einer Umkehr der Zahlungspflichten in Form einer Entgeltpflicht des Darlehensgebers kommen kann/darf. Ganz im Gegenteil: Soweit ersichtlich vertritt die weitaus überwiegende Meinung – entgegen dem LG Düsseldorf – einschließlich die Rechtsprechung die Rechtsauffassung, dass Negativzinsen bei bereits bestehenden Darlehensverträgen nicht mit dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 BGB zu vereinbaren sind (vgl. nur Berger, in MünchKomm., 8. Aufl. 2019, § 488 Rn. 154; Suendorf-Bischof, BKR 2019 S. 279 ff.; Edelmann, BB 2018 S. 394 ff.; derselb. WuB 2018 S. 248, m.j.w.N.).

Interessant ist zudem, dass das LG Düsseldorf die „Zinsnulllinie“ auch nicht als vereinbarten impliziten „Floor“ für den Zins ansieht, weil dies weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart wurde und sich Entsprechendes auch nicht aus den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage ergibt. Dies deshalb, weil nach Auffassung des LG Düsseldorf die beklagte Bank das Risiko des Eintritts einer Negativzinsphase im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Jahr 2007 bewusst eingegangen sei, woran ganz erhebliche Zweifel bestehen (vgl. zu Erwägungen der Störung der Geschäftsgrundlage sowie zur Vorhersehbarkeit von Negativzinsen Burghof/Schmidt, WM 20173 S. 1.437 ff.; Haertlein, BB 2018 S. 259 ff.; Edelmann/Schön, BB 2017 S. 329 ff.).

 

Buchtipp


Insofern bleibt mit Spannung abzuwarten, ob das OLG Köln und gegebenenfalls dann auch der BGH diese vom LG Düsseldorf vertretene Auffassung zur Wirksamkeit der Negativzinszahlungen im Rahmen eines Schuldscheindarlehens mit Zinsgleitklauseln akzeptieren wird, woran aufgrund vorstehender Ausführungen Zweifel bestehen.


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Beitragsnummer: 12940

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