Donnerstag, 15. Oktober 2020

Der Überbrückungskredit in der Sanierungspraxis

Thomas Wuschek, Rechtsanwalt, SanExpert-Rechtsanwalt, Bottrop

 

Der Überbrückungskredit ist für die Unternehmenssanierung von großer Bedeutung, weil durch ihn zusätzliche Liquidität in der Form von „frischem Geld“ zur Verfügung gestellt werden kann (Dethleffsen, Chancen und Risiken der Kreditinstitute im Rahmen der Sanierung, 2010, S. 92). Wird die Sanierung erst zu einem späten Zeitpunkt begonnen, ist die Liquiditätslage häufig so angespannt, dass ein Zuwarten auf die Erstellung und anschließende Prüfung des Sanierungsgutachtens den sicheren Weg in die Insolvenz bedeuten würde (Schankweiler, Rechtliche Risiken und Handlungsmöglichkeiten für Kreditinstitute bei der aktiven Begleitung von Unternehmenssanierungen, 2008, S. 45 f.). In diesem Fall muss die Möglichkeit bestehen, einen Kredit auch ohne Vorliegen des Sanierungsgutachtens zu vergeben, ohne eine Sittenwidrigkeit zu begründen (Schankweiler, Rechtliche Risiken und Handlungsmöglichkeiten für Kreditinstitute bei der aktiven Begleitung von Unternehmenssanierungen, 2008, S. 45 f.). Dieser Fall wird durch den Überbrückungskredit abgedeckt.

 

Ziel der Gewährung eines Überbrückungskredits

 

Der Überbrückungskredit ist im Grunde ein Kreditverhältnis „sui generis“. Seine Bereitstellung dient dazu, dem Kreditnehmer den zeitlichen und finanziellen Rahmen zur Erarbeitung eines Sanierungskonzeptes zu verschaffen (Lützenrath/Peppmeier/Schuppener, Bankstrategien für Unternehmenssanierungen, 2006, S. 179 f.). Ein Überbrückungskredit ist regelmäßig nicht zu beanstanden und begründet keine Schadensersatzansprüche Dritter, wenn er gewährt wurde, um eine Sanierungsprüfung durch einen unabhängigen Dritten zu ermöglichen (Schellberg, Sanierungsmanagement – Sofortmaßnahmen in der Krise, 2007, S. 142). Auch ein später negatives Urteil zur Sanierungsfähigkeit des Krisenunternehmens bedeutet nicht, dass die den Überbrückungskredit gewährenden Institute sich sittenwidrig verhalten (Lützenrath/Peppmeier/Schuppener, Bankstrategien für Unternehmenssanierungen, 2006, S. 179 f.). 

 

SEMINARTIPP

Vertrags- und Sicherheitengestaltung in der Sanierung, 20.04.2021, Frankfurt/M.

 

Vertragliche Ausgestaltung 

 

Der Kreditvertrag sollte zur rechtlichen Präzisierung und der Differenzierung von anderen Darlehensverhältnissen die Bezeichnung „Überbrückungskredit“ tragen (Lützenrath/Peppmeier/Schuppener, Bankstrategien für Unternehmenssanierungen, 2006, S. 180). Es ist darauf zu achten, dass der Kreditvertrag gerade die Überbrückung des Zeitraumes bis zur Fertigstellung des Sanierungsgutachtens zum Zweck hat und dass die Kreditlaufzeit auf den Erstellungszeitraum befristet ist (Schankweiler, Rechtliche Risiken und Handlungsmöglichkeiten für Kreditinstitute bei der aktiven Begleitung von Unternehmenssanierungen, 2008, S. 45 f.).

 

Als mögliche Formulierung kann verwendet werden:

 

„Der KK-Kredit wird allein zur vorübergehenden Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit bis zum … (Datum – Abschluss der Sanierungsfähigkeitsprüfung) gewährt. Die Bank besitzt ein sofortiges Kündigungsrecht, wenn sich das Unternehmen – bereits vor Ablauf der oben genannten Frist – als nicht sanierungsfähig erweist.“ (Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, S. 553 ff., 564).

 

Von großer Wichtigkeit ist die Aufnahme der Formulierung „… zur vorübergehenden Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit bis zum …“. Damit wird verdeutlicht, dass es dringende, wirtschaftliche Gründe gibt, die eine zeitliche Überbrückung – bis zur Fertigstellung des Sanierungskonzepts – zwingend erforderlich machen. Mit der Aufrechterhaltung des Geld- und Kapitaltransfers soll letztendlich ein (außergerichtlicher) Sanierungsversuch überhaupt erst ermöglicht werden. Dieses Ziel, das Unternehmen zu sanieren, muss im Vordergrund der Gewährung eines Überbrückungskredits stehen. Keinesfalls darf der Überbrückungskredit gewährt werden, wenn er lediglich dazu dient, das Interesse des gewährenden Kreditinstituts zu befriedigen, sich Rechte und Sicherheiten im Hinblick auf eine spätere Verwertung im Insolvenzfall zu sichern oder die Sicherheitenstellung gegenüber anderen Gläubigern zu verbessern (Bales/Brinkmann, Sanierung von Unternehmen, 2007, Rdnr. 586). 

 

Das Gutachten sollte ferner bei Kreditvergabe bereits in Auftrag gegeben sein (Schankweiler, Rechtliche Risiken und Handlungsmöglichkeiten für Kreditinstitute bei der aktiven Begleitung von Unternehmenssanierungen, 2008, S. 45). Nur dann lässt sich auch anschließend nachweisen, dass der Kreditvertrag nicht zur eigenen Vorteilserlangung gewährt wurde, sondern um die Sanierungsaussichten zu prüfen (Schankweiler, Rechtliche Risiken und Handlungsmöglichkeiten für Kreditinstitute bei der aktiven Begleitung von Unternehmenssanierungen, 2008, S. 45 f.). In der Praxis wird als Brückenfinanzierung in der Regel eine Kreditlinie für ein bis drei Monate eingeräumt. Die Erstellung eines Sanierungsgutachtens wird häufig explizit als Auflage im Kreditvertrag des Überbrückungskredits vereinbart (Brünkmans, CFL 08/2012, S. 375 ff., 376). Auf die zeitliche Beschränkung der Kreditgewährung und die Dokumentation bzw. Deklarierung als Überbrückungskredit ist von besonderer Bedeutung, da dem Kreditgeber die Beweislast für das Vorliegen eines haftungsprivilegierten Brückenkredits trifft (Brünkmans, CFL 08/2012, S. 375 ff., 376).

 

Besonderheiten beim Überbrückungskredit

 

Die Überbrückungskredite werden für einen kurzen Zeitraum im unbedingt notwendigen Umfang gewährt. Da die Prüfung der Sanierungsaussichten erst noch erfolgen soll, dürfte es genügen, wenn in diesem frühen Zeitabschnitt eine Sanierung nicht aussichtslos ist. Diese Beurteilung muss aber eine positive Richtung aufweisen, also mehr ergeben als die vollkommen offene Aussage. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass der Liquiditätsbedarf für den normalen Geschäftsbetrieb in der zu überbrückenden Zeit – bestenfalls durch einen Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, der das Unternehmen bisher begleitet hat – genau ermittelt wird (Dethleffsen, Chancen und Risiken der Kreditinstitute im Rahmen der Sanierung, 2010, S. 91). 

 

PRAXISTIPPS

  • Der Überbrückungscharakter muss im Überbrückungskredit präzise bezeichnet werden.
  • Die Bank oder Sparkasse sollte sich für die Laufzeit des Überbrückungskredits ein Sonderkündigungsrecht einräumen lassen, falls die Sanierungsfähigkeit nicht mehr gegeben ist.
  • Die Beauftragung eines Unternehmensberaters sollte als Auflage formuliert werden und eine Auszahlungsvoraussetzung darstellen.

Beitragsnummer: 11933

Beitrag teilen:

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Prüfung des Managements von Immobilienrisiken

Nach Zinswende 2022 und neuen Regulierungen müssen Banken Immobilienrisiken neu bewerten und managen für Zukunftssicherheit.

02.04.2024

Beitragsicon
Die besondere Bedeutung der Bankbuchbewertung im aktuellen Zinsumfeld

Analyse der Zinsentwicklung auf die Bankbuchbewertung nach IDW RS BFA 3, Herausforderungen für Kreditinstitute und Anpassungsstrategien .

11.12.2023

Beitragsicon
Gesprächsführung als ein Schlüssel für den Erfolg in Krisensituationen

Je komplexer die Situation, desto wichtiger die Kommunikation. Gerade in der Sanierung ist diese mit ausschlaggebend für den Sanierungserfolg.

19.03.2024

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.